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Wachsende Nähe wird zu Überraschungen führen

Mikrobiologie. - Mikrobiologen haben in einer wildlebenden Schimpansin aus dem Taï-Nationalpark der Elfenbeinküste einen bislang unbekannten Tuberkulose-Stamm entdeckt. Zu der Arbeitsgruppe gehört Fabian Leendertz, Leiter der Projektgruppe Epidemiologie hochpathogener Erreger am Robert-Koch-Institut in Berlin. Im Gespräch mit Jochen Steiner erklärte er die Relevanz des Fundes.

Fabian Leendertz im Gespräch mit Jochen Steiner | 02.05.2013
    Steiner: Herr Leendertz, um welchen Tuberkulosestamm handelt es sich denn?

    Leendertz: Der Tuberkulosestamm, den wir bei einer Schimpansin gefunden haben, ist eben ein neuer Stamm und nur entfernt verwandt mit Stämmen, die man typischerweise bei Menschen in Afrika findet.

    Steiner: Es gab in der Vergangenheit Fälle, bei denen Menschen Tuberkulose auf Schimpansen übertragen haben, die in Gefangenschaft gelebt haben. Wie sieht das in Ihrem Fall aus? Besteht die Möglichkeit, dass der Stamm vom Menschen auf Schimpansen übertragen wurde, bei dieser wildlebenden Schimpansin?

    Leendertz: Ganz theoretisch gibt es natürlich die Möglichkeit, dass wir Krankheitserreger auf die wildlebenden Schimpansen übertragen. Das haben wir auch schon gezeigt für respiratorische Viren. Aber in diesem Fall fehlt einfach der menschliche Counterpart zu diesem Stamm. Der ist bei Menschen eben so noch nie gefunden worden, und es gibt doch relativ gute Daten zu der Variabilität von Stämmen in Westafrika.

    Steiner: Das heißt, der Stamm sieht so anders aus, dass Sie nicht glauben dass er vom Menschen kommt. Woher kommt der denn dann?

    Leendertz: Wir wissen es leider nicht genau. Es kann sein, dass dies ein reiner Schimpansenstamm ist, so wie wir unsere Stämme haben. Warum sollten unsere nächsten Verwandten nicht auch eigene Stämme haben. Aber die Schimpansen, genauso wie wir Menschen, gehen ja auch jagen und fressen andere Säugetiere. Das heißt, es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass sie das über die Jagd... von anderen Primaten zum Beispiel sich infiziert hat.

    Steiner: Wie sieht es denn andersherum aus? Wie groß ist denn die Gefahr, dass Menschen infiziert werden?

    Leendertz: Dass sich Menschen mit so einem Stamm infizieren, kann man überhaupt nicht ausschließen, da die Jagd nach Primaten vor allem in Westafrika immer noch sehr häufig durchgeführt wird. Das ist also ein wirkliches Problem. Das heißt, so eine Schimpansin wie diese, wenn die nun gewildert worden wäre und die Menschen da in Kontakt kommen mit den infektiösen Materialien, kann man nicht ausschließen, dass es auf den Menschen übergeht.

    Steiner: Tuberkulose ist ja eine Krankheit, die in vielen Ländern ja noch nicht vollständig verschwunden ist und tatsächlich noch große Probleme macht. Welche Erkenntnisse lassen sich denn aus Ihrer Entdeckung gewinnen für die Krankheit Tuberkulose allgemein?

    Leendertz: Die Hauptaussage, die wir bis jetzt treffen können, ist einfach, dass jetzt die Variabilität an verschiedenen Tuberkulosestämmen, die es einfach noch gibt, viel größer ist als man dachte. Und das heißt, über bush meat und Kontakt zu gewilderten Primaten könnte da noch mehr auf uns zukommen, als wir das so denken.

    Steiner: Wir haben jetzt den Fall Tuberkulose angesprochen. Aber es gibt ja noch weitere Krankheiten, Ebola zum Beispiel, das von Gorillas auf den Menschen übertragen werden kann. Werden wir in Zukunft immer mehr solcher Übertragungsfälle haben von Mensch auf den Menschenaffen und andersrum?

    Leendertz: Also ich denke, wir Menschen und die Wildtiere, auch inklusive Menschenaffen, wir rücken immer mehr zusammen, weil der Lebensraum knapp wird. Und da wird immer mehr passieren. Es geht in beide Richtungen, wie Sie sagten: Ebola von verstorbenen Gorillas oder Schimpansen auf den Menschen, genauso wie es mit HIV passiert ist, dass ja von den Schimpansen und Gorillas stammt ursprünglich. Aber auch andersrum, man darf da nicht immer so anthropozentrisch denken. Wir haben auch durchaus Krankheitserreger, die für die Wildtiere gefährlich sein können.

    Steiner: Wie wäre denn Ihr Rat für die Zukunft? Wie sollte man damit umgehen, was hilft beiden Spezies sozusagen oder allen Menschenaffen?

    Leendertz: Ich denke, ein gezieltes Monitoring, eine Überwachung dieser Erkrankungen bei uns und bei den Tieren macht natürlich Sinn. Und immer vor allem an den Punkten, wo man eben in näheren Kontakt tritt, sei es Ökotourismus, sei es Forschung, aber leider auch bush meat, das ist natürlich sehr schwierig…

    Steiner: Also der Handel mit bush meat….

    Leendertz: Der Handel mit bush meat, genau. Da ist es besonders schwierig natürlich, irgendwelche Maßnahmen zu treffen. Aber da wo wir können, da kann man ganz einfache Hygienemaßnahmen einführen. Dass man nur gesunde Menschen zu den Tieren lässt, dass man bestimmte grundlegende Hygiene, also à la Robert-Koch-Institut: Hände waschen hilft unglaublich viel…

    Steiner: Was im Dschungel vielleicht ein bisschen schwierig ist, als Ökotourist….

    Leendertz: Doch, doch. Hände waschen kann man überall.