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Wachstum in Ostdeutschland
Der Mythos von blühenden Landschaften

Knapp 30 Jahre nach dem Mauerfall hinkt die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland dem Westen hinterher, wie eine aktuelle Studie zeigt. Einer der Gründe: das schwache Wachstum des Dienstleistungssektors, so die Volkswirte des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle.

Von Panajotis Gavrilis | 04.03.2019
Plattenbauten in der Innenstadt von Dessau. Foto: Wolfram Steinberg/dpa | Verwendung weltweit
Kein ostdeutsches Flächenland reicht an das westdeutsche Land mit der geringsten Produktivität heran, das Saarland (dpa)
Die gute Nachricht: Deutschland hat sich im internationalen Vergleich in den 30 Jahren seit dem Mauerfall wirtschaftlich gut entwickelt. Aber innerhalb des Landes gibt es erhebliche Unterschiede.
Zwischen Nord und Süd sind diese bei Weitem nicht so groß, wie zwischen Ost und West. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des "Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle". Die Wirtschaft in Ostdeutschland ist weniger produktiv, stellt der Präsident des IWH, Reint Gropp fest:
Ostdeutsche Flächenländer liegen zurück
"Im Prozentsatz von Westdeutschland liegt Ostdeutschland immer noch bei nur rund 80 Prozent vom Westniveau."
Kein ostdeutsches Flächenland reicht an das westdeutsche Land mit der geringsten Produktivität heran – das Saarland. Es sei sogar so, dass
"Seit Ende der 1990er-Jahre hatte Ostdeutschland in keinem Jahr ein höheres Wirtschaftswachstum aufzuweisen als Westdeutschland, mit der Ausnahme der Finanzkrise. Ohne ein höheres Wirtschaftswachstum wird die Konvergenz natürlich niemals stattfinden, wenn Ostdeutschland nicht schneller wächst."
Warum schneiden ostdeutsche Bundesländer so schlecht ab? Ein Grund könnte darin liegen, dass immerhin 93 Prozent der größten deutschen Unternehmen ihren Sitz im Westen haben.
Firmen sind weniger produktiv
Aber, fügt, Gropp hinzu: Selbst zwischen Firmen, die gleich groß sind und in der gleichen Branche arbeiten, gibt es Unterschiede. Im Osten sind sie bis zu 20 Prozent weniger produktiv, sagt der Volkswirt:
"Das heißt, die Erklärung für die Unterschiede in der Produktivität Ost und West liegen nicht nur, oder sogar überwiegend nicht in der unterschiedlichen Größenstruktur in Ost und West, sondern liegen in Unterschieden in der Produktivität von gleichgroßen Betrieben."
Sind die Menschen im Osten dabei abgehängter als im Westen? Nein, sagt der IWH-Präsident. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, zwischen Stadt und Land seien im Westen wesentlich größer als im Osten.
"Aus dieser Sicht haben ländliche Einwohner im Osten weniger Grund, sich vernachlässigt zu fühlen, als im Westen."
Dienstleistungssektor gilt als unterentwickelt
Ostdeutschland habe zu sehr auf die Erhaltung von Industrie-Arbeitsplätzen auf dem Land gesetzt statt auf Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor, so Gropp weiter. Und:
"Wir haben die Städte vernachlässigt. Wir hätten uns vielleicht mehr um die urbane Infrastruktur kümmern sollen, um diese neuen Dienstleistungsarbeitsplätze zu schaffen als Industriearbeitsplätze auf dem Land zu erhalten, die am Ende doch dann abgebaut werden. Weil eben die großen Trends in den Industrieländern alle dahingehen, dass Industriearbeitsplätze eher verschwinden als neu geschaffen werden."
Der Osten müsse auch attraktiver werden für Fachkräfte aus dem Ausland:
"Die Zuwanderung innerhalb der EU nach Westdeutschland war in den westdeutschen Flächenländern und auch in den westdeutschen Stadtstaaten deutlich höher als in Ostdeutschland. Und das erklärt zum Teil diese unterschiedlichen Entwicklungen im Arbeitsmarkt und führt natürlich direkt zu einer Schlussfolgerung, dass der Osten attraktiver werden muss. Und auch da hilft natürlich die politische Entwicklung zum Teil nicht viel weiter."