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Wachstum und Wohlstand

Nachhaltigkeit heißt im politischen Sprachgebrauch: man soll von den Zinsen leben und nicht an der Substanz zehren. Oder in der Forstwirtschaft: Es sollen nicht mehr Bäume gefällt als gepflanzt werden. Der Bestand soll immer gleich bleiben. Um dieses Motto in allen Bereichen der Gesellschaft und der Politik zu verankern gibt es seit 2001 den Rat für Nachhaltige Entwicklung.

Von Andreas Baum |
    Es ist nicht sehr viel Grund zu erkennen, sich auf die eigenen Schultern zu klopfen. Denn seit 2001 gibt es den Nachhaltigkeitsrat, berufen wurde er von Bundeskanzler Gerhard Schröder und 19 Personen des öffentlichen Lebens gehören ihm an, der Rat hat noch viel zu bemängeln - und das bedeutet ja wohl, dass nicht allzu viel erreicht worden ist. Der Jahreskongress nutzt die Öffentlichkeit vor allem, um Forderungen zu formulieren, die aber nicht gerade neu sind, sondern sie werden fast gebetsmühlenhaft seit Jahren wiederholt: Nur Wachstum, das sich an Mensch und Natur orientiert, bringt tragfähige Entwicklungen, die Armut kann nur bekämpft werden, wenn die natürlichen Ressourcen geschont werden, und Nachhaltigkeit ist die beste Friedenspolitik.

    Das klingt sehr gut, aber die Entwicklung in der Welt deutet nicht darauf hin, dass das umgesetzt wurde - es werden Kriege um Rohstoffe geführt, Naturkatastrophen häufen sich, was manche auf die Klimaerwärmung zurückführen. Auch im deutschen Wahlkampf werde viel zuviel über hohe Benzinpreise geklagt, anstatt dies auch zu nutzen, um über Alternativen zum Erdöl nachzudenken. Nachhaltigkeit hat in Deutschland einen schlechten Ruf, dabei bräuchten wir uns nicht zu verstecken, darauf weist das Ratsmitglied Marlehn Thieme hin, denn für andere Länder sind wir ein Vorbild.

    "Es gibt doch zu denken, dass China und andere Staaten nach Konzepten zur Internalisierung von ökologischen Kosten, zur Kreislaufwirtschaft, und zur Beschleunigung der Einführung von nachhaltigen Produktionsmustern suchen und schon im wirtschaftlichen Aufbruch schauen sie besonders auf das deutsche Beispiel. Aber in Deutschland schätzen wir den erreichten Stand als gering ein und tun das Erreichte leichtfertig als Wachstumsbremse ab."

    Es muss also beim Wirtschaftswachstum nicht nur um das Mehr gehen, sondern um das Besser, so der Appell des Rates. Eingeladen war auch Klaus Töpfer, der Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen und Mitglied des Nachhaltigkeitsrates. Der brachte natürlich die globale Sicht auf dieses Thema mit ein. Auch in der Entwicklungspolitik müsse noch besser verstanden werden, dass Ökonomie und Ökologie eng miteinander verzahnt sind. Entwicklungshilfe ohne Umweltschutz, sagt Töpfer, ist sinnlos.

    "Es ist sehr deutlich, dass wenn wir die Ökosysteme nicht pflegen, gerade die Armen Entwicklungsmöglichkeiten nicht haben werden. Wir brauchen sichere Investitionen in Ökosysteme. Wir müssen in die Armutsprogramme der Länder mit hinein gehen, wir müssen zeigen, dass eine Investition in Umwelt höher rentierlich ist, als eine Investition in den harten Kapitalstock."

    Nun wäre hier kritisch anzumerken, dass die Praxis der reichen Länder hier nicht zur Nachahmung anregt. Was die Fähigkeit, ökologisch sinnvoll Geld zu investieren angeht, sind auch wir noch Entwicklungsländer. Naturkatastrophen wie etwa der Tsunami in Asien zum Jahreswechsel wären für die Betroffenen glimpflicher verlaufen, hätte man rechtzeitig begonnen, die Zusammenhänge zwischen Flut und Naturschutz zu verstehen und danach zu handeln.

    "Solche Ökosysteme wie Mangrovenwälder, Korallenriffe, Salzwiesen, sind uns allen sehr wichtig, unter dem Gesichtspunkt der artenspezifischen Prägung. Sie sind aber vor allem wichtig, weil sie die natürlichen und wirksamen Abwehrsysteme der Natur gegen solche Katastrophen mitgeben. Sie können sehr deutlich sehen, auch im indischen Ozean-Bereich, dass dort, wo Mangrovenwälder geopfert worden sind, um Shrimps-Farmen einzurichten, die damit verbundenen Konsequenzen wesentlich weit reichender waren."

    Vor der Presse hat sich Klaus Töpfer noch ein bisschen deutlicher geäußert, was die Konsequenzen aus den explodierenden Ölpreisen angeht, auch vor dem Hintergrund der Hurrikan-Katastrophe in den USA: Töpfer glaubt, dass sich der Ölpreis auf Dauer auf diesem hohen Niveau halten wird, auch wenn die Förderanlagen im Golf von Mexiko wieder intakt sind. Unsere Lehre daraus heißt, sagt er, wir müssen unabhängig werden vom Erdöl, die Technologie dazu ist da, jetzt fehlt nur noch der politische Wille, um ernst damit zu machen.