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WADA verschlampt Kronzeugen-Protokolle

Die Kronzeugenregelung ist für viele Anti-Doping-Kämpfer ein hervorragendes Instrument, um gegen den Sportbetrug anzugehen. Jetzt die Enttäuschung: Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) lässt die Protokolle in ihren Schreibtischen verstauben und behindert so die weitere Aufklärung.

Von Heinz Peter Kreuzer | 05.07.2009
    Rückblende November 2007. Mit großer Begeisterung wurde bei der 3. Welt-Anti-Doping-Konferenz in Madrid eine erweiterte Regelung gefeiert. Diese besagte, wenn ein Sportler mit detaillierten Informationen Dopingverstöße Dritter aufdeckt, kann seine Sperre künftig um bis zu 75 Prozent reduziert werden. Eine Verkürzung bis zur Hälfte wird eingeräumt, wenn ein Athlet Doping gesteht, bevor er positiv kontrolliert wurde. Noch vergangene Woche sagte David Howman, Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, in der ZDF-Sendung Frontal 21:

    "Wir müssen den Athleten und Trainern zuhören, denn die stehen in der größten Versuchung, Dopingmittel zu nehmen."
    Reporter: "Weil die Kronzeugen helfen können, den Sport sauberer zu machen?"

    Howman: "Wenn wir diesen Leuten nicht zuhören, dann ignorieren wir die wichtigsten Informationen im Kampf gegen Doping."

    Schöne, aber leere Worte. Denn Howman wusste zum Zeitpunkt des Interviews, dass die Wada die Kronzeugenregelung bisher nicht richtig nutzte. So lieferten die des Dopings überführten Radfahrer Jörg Jaksche und Patrik Sinkewitz zwar detaillierte Informationen, aber die müssen jahrelang im Wada-Hauptquartier in Montreal in irgendwelchen Schubladen gelegen haben. Der Heidelberger Anwalt Michael Lehner, der gemeinsam mit Dopingjäger Professor Werner Franke und dem damaligen Wada-Präsidenten Richard Pound die Aussagen der beiden Radprofis initiiert hatte, kommentiert dies so:

    "Auch wenn die Wada gepennt hätte, hätte sie sich diskreditiert, hat ihren eigenen Auftrag, den sie von der Sportfamilie bekommen hat und dem Dopingkampf einen großen Bärendienst erwiesen."

    In der vergangenen Woche hatte Frontal 21 aufgedeckt, dass das Protokoll der Aussage von Sinkewitz erst kürzlich von der Wada an den Internationalen Radsport-Verband weitergeleitet worden, dabei war die Befragung im Herbst 2007. Der Hesse hatte unter anderem ausgesagt:

    "Im Jahr 2004 bin ich zu Quick Step gekommen. Dort wurde offen mit den Ärzten über Doping gesprochen. Die Teamärzte boten mir vor den wichtigen Rennen Cortison an, und injizierten es mir auch in den Arm."

    Die Aussage wurde von Frontal 21 nachgestellt, weiter hat er gegenüber der Wada zugegeben, bei Quick Step auch Epo und Wachstumshormon erhalten zu haben. Sinkewitz belastete auch die Teamärzte Yvan Van Mol und Manuel Rodriguez Alonso, die bei der laufenden Tour immer noch zum medizinischen Personal von Quick Step gehören. Weder die Ärzte noch der ebenfalls beschuldigte Teamchef Patrick Lefevere wurden bisher verhört. Geschweige denn wurden Konsequenzen gezogen. Ähnlich sieht es auch bei den Hinweisen von Jörg Jaksche aus, sagt Lehner:

    "Er hat ja auch bei der Wada ausgesagt und da gibt es ein großes Protokoll wie bei Sinkewitz. Sinkewitz ist ja den Weg von Jaksche nachgegangen. Ich habe bis heute nicht gemerkt, gesehen, gehört, dass das Protokoll, das die Wada von Jaksche aufgenommen hat, irgendwie aufgearbeitet oder verarbeitet worden wäre. Ohne hier ins Detail zu gehen, es wäre es sicherlich wert."

    Aus Wada-Kreisen wurde bestätigt, dass die Informationen von Jaksche bisher nicht verarbeitet worden. Was bedeutet dies für die geständigen Sportler, zum Beispiel für Patrik Sinkewitz? Der 28-Jährige hat nach seinem Geständnis 2007 mit Mühe und Not einen Vertrag beim drittklassigen Team PSK Whirlpool-Author erhalten. Für die kommende Saison sucht er einen Anschlussvertrag, nach Meinung von Lehner ist dies im Moment durch die Enthüllung schwieriger geworden. Patrik stehe als "dummer Verräter" wieder im Fokus, denn seine Aussagen hätten ja nichts bewirkt. Deshalb fordert Lehner:

    "Die Unterstützung des Verbandes, die öffentliche Belobigung, es ist richtig, dass er ausgesagt hat, und wir bearbeiten das jetzt weiter und geben ein Signal. Hier, Patrik Sinkewitz, du kannst in den Sport zurückgehen, den wir sauberer gestalten wollen."

    Stattdessen werden die beiden deutschen Kronzeugen weiter frustriert. Eine Ausnahme bildet die Untersuchungskommission der Universitätsklinik Freiburg, die den Aussagen von Sinkewitz glaubt. Der Kommissionsvorsitzende Hans Joachim Schäfer:

    "Wir haben Feststellungen über Epo-Doping auf breiter Ebene. Wir haben Feststellungen für Eigenblutdoping nur für drei Fahrer."

    Nämlich außer Patrik Sinkewitz sind dies dessen Teamkollegen Matthias Keßler und Andreas Klöden. Diese Erkenntnisse basieren auf der Aussage von Sinkewitz. Professor Schäfer:

    "Weil bewiesen ist, das er zusammen mit Patrik Sinkewitz und der damaligen Freundin von Patrik Sinkewitz hergefahren ist von Straßburg nach Freiburg am 2. Juli 2006. und es gibt keinen Grund, dem Patrik Sinkewitz in diesem Fall zu misstrauen."

    Bisher haben weder Ermittlungsbehörden noch Sportverbände Klöden gesperrt. Stattdessen fährt er für sein Team Astana bei der Tour de France 2009. Sinkewitz muss bei kleinen Rundfahrten mitrollen.