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Wächterin des Schatzes

Sie kommt als erste und geht als letzte in den Louvre: Elisabeth Kalfa ist Museumswärterin und hat ein scharfes Auge auf alles. Wenn die Besucher wie die Ameisen in die Gewölbe der Ausstellungen stürmen, steht sie bereit, um über den reibungslosen Ablauf des Museumsalltags zu wachen.

Von Hans Woller |
    Morgens kurz nach acht, Louvre Personaleingang: Elisabeth Kalfa und ihre Kollegen nehmen den Weg zu ihrer Arbeit durch die Eingeweiden des Museums: über Treppen, durch endlose Gänge mit Geflechten aus Abwasserrohren und Kabelsträngen an den Decken, durch zahllose Türen, die mit unterschiedlichen Plastikkarten zu öffnen sind. Elisabeth Kalka ist Wärterin im Louvre. Doch auch sie muss sich auf dem Weg in Ihr Büro immer ausweisen und registrieren lassen.

    Ein kurzer Anruf schaltet das Alarmsystem der Abteilung nebenan aus und öffnet Elisabeth Kalfa die letzte Tür vor ihrem unterirdischen Arbeitsplatz: Ein Büro, das tiefer liegt als die Seine nebenan und von dem aus sie in zwei Schichten ein Team aus 24 Wärterinnen und Wärtern dirigiert. Sie selbst ist eine halbe Stunde vor ihnen da:

    "Ich kontrolliere, ob die Beleuchtung funktioniert, ob alles abgeschlossen ist, ob nichts fehlt, nichts beschädigt ist, ob in der Nacht was passiert ist. Man weiß ja nie, vielleicht ist Wasser eingedrungen oder sonst irgendetwas passiert."

    Seit 11 Jahren arbeitet die gebürtige Polin in dieser Abteilung für temporäre Ausstellungen schon. Zurzeit wacht sie über Schätze der romanischen Kunst Frankreichs aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Der frühe Morgen, bevor die Massen eindringen, ist für sie ein ganz besonderer Moment:

    "Das ist angenehm, man hat den Eindruck, dass der Louvre uns gehört. Man kann alles in Ruhe anschauen und wird nicht gestört."

    Mit ihrem kurz geschnittenen, weißen Haar wirkt die Endvierzigerin burschikos und zugleich auch streng. Sie trägt eine hellblaue Uniform, die sie von den normalen Wärtern in dunkelblauen Farben unterscheidet. – Hierarchie, Ordnung, und das Einhalten der Hausregeln sind ihr wichtig

    "Die Besucher gut zu empfangen, das ist das Wichtigste. Und wenn es einmal ein Problem gibt, wenn ein Brand ausbricht oder etwas anderes passiert, dann gilt: Priorität hat der Schutz der Personen, dann erst kommen die Kunstwerke. Das ist die wichtigste Regel. Aber nicht selten haben wir auch mit Besuchern Ärger. Sie sind oft anspruchsvoll. Vor allem gefällt ihnen nicht, wenn wir schließen müssen. Sie schauen immer auf die Uhr, klagen ständig, meckern über die Beamten, die in ihren Augen nicht arbeiten wollen. Aber Öffnungszeiten sind eben Öffnungszeiten."

    So energisch und abgehackt wie sie spricht, bewegt sich Elisabeth Kalfa auch durch die Räumlichkeiten, unweit der 800 Jahre alten Grundmauern des Louvre.

    "Ich bewundere ganz besonders die ägyptische Abteilung. Das ist begeisternd, die ganzen Objekt, sogar noch die Früchte oder das Getreide, das man damals gesät hat, all die Dinge, die die Menschen damals mit Hand gemacht haben. Da sage ich mir manchmal: haben wir etwas gelernt? Haben wir was verbessert? Haben wir uns entwickelt?"

    Punkt neun Uhr öffnen sich die Glastüren zu ihrer Abteilung. Elisabeth Kalfa steht am Eingang und überwacht, ob bei Kasse, Kontrolleuren und am Buchstand alles stimmt. Zufrieden lässt Sie einen Blick in die Ferne schweifen, in die große Eingangshalle, wo das Morgenlicht durch die Glaspyramide fällt und auf die ersten hereineilenden Besucher, die wie Ameisen von den Rolltreppen strömen:

    "Wenn ich vor der Pyramide vorbei gehe oder vor den alten Mauern des Louvre, da bin ich stolz. Dann sage ich mir, welch eine einmalige Chance, in diesem Etablissement zu arbeiten, in einem ehemaligen Königspalast. Ich denke, das ist schon ein Privileg. Ich sage ihnen ganz offen, ich bin stolz, das ist nicht jedem gegeben, man kann sich hier jeden Tag bereichern. Man lernt nie aus. Wenn man sich interessiert, kann man jeden Tag noch etwas lernen. Wie heißt das Sprichwort noch? "Man lernt sein ganzes Leben, aber man stirbt dumm"."

    Elisabeth Kalfa schätzt ihren Arbeitsplatz. Sie weiß, dass der Andrang auf die Stellen im öffentlichen Dienst heute immens ist und es immer schwieriger wird, in die Gilde der Wärter des Louvre aufgenommen zu werden.

    "Ich komme als erste und gehe als letzte. Wenn die letzten Besucher weg sind, schicke ich die Wärter nach Hause. Dann schließe ich die Glastür und rufe die Zentrale an, damit sie die Alarmanlagen anschalten. So habe ich ein ruhiges Gewissen, bin als erste gekommen, als letzte gegangen und weiß: alles ist in Ordnung."