Archiv


Wähle die Besten

Eine neue Partei, die sich so selbstbewusst wie selbstironisch die "Beste Partei" nennt, rollt derzeit die bevorstehenden Gemeindewahlen in Island von unten auf.

Von Philipp Boerger |
    "Simply the Best" - das bekannte Lied der US-amerikanischen Popsängerin Tina Turner wurde schon von vielen Parteien auf der ganzen Welt zu Wahlkampfzwecken eingesetzt. Selten allerdings wurde der Song so weitgehend parodiert, wie von der neuen isländischen Partei "Besti Flokkurinn" - auf Deutsch: "Beste Partei".

    "Wir wollen eine Stadt, die kuschelig, sauber und cool ist.
    Mit erstklassigen Jobs und gutem Management.
    Keine falschen Versprechen, keine Blufferei.
    Wir wollen Springbrunnen, wilde Tiere und eine elektrische Eisenbahn ..."


    Er hat weder einen Schulabschluss noch eine Berufsausbildung. Er hat als Taxifahrer und Nachtwächter im Krankenhaus gearbeitet. Seit gut 20 Jahren macht er Kleinkunst und Musik, arbeitet als Radiomoderator und tritt in Comedy-Shows im Fernsehen auf. Und viele Isländer lieben ihn: Jón Gnarr, Vater von fünf Kindern, 43 Jahre alt, geboren, aufgewachsen und nun also aktiv in der Hauptstadt Reykjavík. Seine Partei "Besti Flokkurinn" hat er erst im letzten Dezember gegründet.

    "Die Medien und die anderen Parteien, die die meisten Zeitungen und Sender besitzen und kontrollieren, bezeichnen uns als Witzpartei. Sie nehmen uns nicht ernst. Aber wir sind kein Witz."

    Der schnelle Aufstieg von Jón Gnarrs Partei ist bemerkenswert. Schon kurz nach der Ankündigung, bei der Kommunalwahl in Reykjavík anzutreten, ermittelten die Meinungsforscher eine Zustimmung von zehn Prozent. Jetzt, einen Tag vor der Wahl, sieht es so aus, als könnte Jón Gnarr tatsächlich der nächste Bürgermeister werden. Traut er sich dieses Amt wirklich zu?

    "Ich bin Komiker von Beruf. Das bedeutet nicht, dass ich meine Kinder zu Clowns erziehe und ich bin auch nicht witzig, wenn ich an der Supermarktkasse meinen Einkauf bezahle. Sollte ich Bürgermeister werden, werde ich mich dementsprechend verhalten. Als ich noch Taxifahrer war, habe ich meine Fahrgäste auch nicht mit Faxen und Späßen genervt. Ich trage auch kein Clownkostüm, wenn ich zu einer Beerdigung gehe. Nur weil ich ein Comedian bin, bin ich noch längst kein Idiot. Ich bin eine ganz normale Person."

    "Wir fordern kostenlose Handtücher in den Schwimmbädern! Einen Eisbär für den Zoo von Reykjavík! Glück für die Unglücklichen. Ein Wasser-Disneyland. Und ein drogenfreies Parlament bis zum Jahr 2020."

    Die Forderungen im Wahlkampfsong der Partei klingen absurd, seien es aber eigentlich nicht, meint Haukur Magnússon, Chefredakteur der englischsprachigen Zeitung "The Reykjavík Grapevine". Die Zeitung ist die einzig wirklich unabhängige Zeitung Islands.

    "Eisbär im Zoo, das ist keine schlechte Idee. Bisher wurden die Tiere erschossen, wenn sie an Islands Küsten gestrandet sind. Das hat uns auf der ganzen Welt viel schlechte Presse eingebracht. Ein drogenfreies Parlament? Nun, 1996 gab es seine Kampagne, die ein drogenfreies Island bis zum Jahr 2000 versprochen hat. Ein Witz, hat natürlich nicht funktioniert. Aber bei all den verrückten Entscheidungen, die das Parlament trifft, liegt der Verdacht doch nahe, dass die da Drogen nehmen. Gratis-Handtücher für alle in den Schwimmbädern? Ist doch praktisch."

    In der ablaufenden Legislaturperiode gab es in Reykjavík nicht weniger als vier verschiedene Bürgermeister, erzählt Chefredakteur Magnússon. Grund waren Streitereien, Parteiaustritte, persönliche Probleme der Regierenden. Die politischen Verhältnisse in Island seien ein Witz. Also könne man mit dem Starkomiker aus Reykjavík auch gleich den professionellsten aller Clowns wählen, meint Magnússon. Er will das tun.