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Wählerische Mikroben

Mikrobiologie. - Die angeblichen Arsenbakterien, die das giftige Element genauso gut vertragen wie andere Bakterien den lebensnotwendigen Phosphor beschäftigen seit zwei Jahren die Wissenschaftler. Eine israelische Arbeitsgruppe hat jetzt den Mechanismus aufgedeckt, mit dem sich GFAJ-1 auch in stark arsenhaltigen Umgebungen vermehrt.

Von Dagmar Röhrlich |
    Chemisch gesehen sind sie so etwas wie eineiige Zwillinge: Phosphor und Arsen verhalten sich sehr, sehr ähnlich. Für Lebewesen ergibt sich daraus ein Problem:

    "Phosphor ist für sie absolut unverzichtbar, während Arsen giftig ist. Die Frage ist jedoch, wie Organismen zwischen beiden Stoffen unterscheiden. Sie müssen Mittel gefunden haben, um aus ihrer Umgebung heraus nur die Phosphatsalze aufzunehmen und die des Arsens liegen zu lassen. Genau das haben wir untersucht: Wie können Organismen zwischen zwei chemisch fast identischen Stoffen unterscheiden und nur den ungiftigen aufnehmen?"

    Dan Tawfik vom Weizmann-Institut im israelischen Rehovot hatte sich dieses Thema nach einer Nasa-Pressekonferenz vorgenommen: Dabei war 2010 verkündet worden, dass in dem sehr arsenreichen Mono Lake in Kalifornien ein mit GFAJ-1 bezeichnetes Bakterium leben sollte, das das Gift aufnimmt und damit wächst und gedeiht, es sogar in seine DNA einbaut. Dan Tawfik mochte das nicht glauben, und angesichts der dürftigen Beweislage schaute er sich an, ob GFAJ-1 nicht einfach nur besonders arsenresistent ist und doch Phosphor aufnimmt. Sein Team und er kultivierten vier Bakterienarten, die unterschiedlich empfindlich auf das Gift reagieren: das Darmbakterium Escherichia coli, ein Bodenbakterium, eines aus einem italienischen See mit niedrigem Arsengehalt und dann natürlich GFAJ-1. Das Ergebnis:

    "Die Mikroorganismen - und das gilt auch für das Bakterium GFAJ-1 aus dem Mono-Lake - nutzen einen speziellen Mechanismus, um gezielt Phosphorsalze aus ihrer Umgebung in die Zelle zu pumpen. Dieser Import-Mechanismus besteht aus zwei Komponenten: Da ist einmal eine Pumpe für den Salztransport. Und dann besitzt diese Pumpe so etwas wie einen Torwächter: ein Protein, das die Phosphorsalze erkennt, sie bindet und dann an die Pumpe weiterreicht, die sie ins Zellinnere schafft."
    Statistisch gesehen lässt dieses Torwächter-Protein auf 500 Moleküle von Phosphorsalzen nur eines von Arsen durch. Bei dem Bakterium aus dem Mono Lake liegt das Verhältnis sogar bei 4500 zu 1. Die Kristallstruktur der Torwächter-Proteine verriet, wie sie diese Unterscheidung genau treffen. Sie hängt von einem einzigen chemischen Bindung ab:

    "Die Unterscheidung läuft über sehr kurze und energiereiche Bindungen, die auf das Phosphorsalz optimiert ist. Das Arsensalz ist ein wenig größer als das des Phosphors. Will es an das Torwächter-Protein binden, wird es elektrostatisch abgestoßen. Als Folge binden Phosphorsalze besonders gut an dieses Protein, während das mit Arsensalzen nur sehr schlecht funktioniert."

    Und so werden sie auch viel seltener ins Zellinnere geschafft. Die Bakterien haben also Wege entwickelt, sich das tödliche Arsen recht gut vom Leib zu halten. GFAJ-1, das in einer stark arsenreichen Umgebung lebt, ist besonders gut darin. Es strengt sich enorm an, um das Gift aus seinem Körper zu halten, hat den Mechanismus extrem verfeinert. Tawfik:

    "Es kann - unter den Bedingungen im Mono-Lake - die Arsenaufnahme praktisch unterbinden. Denn obwohl der See sehr hohe Arsenkonzentrationen aufweist, gibt es darin immer noch sehr viel mehr Phosphat. Unter diesen chemischen Bedingungen nimmt das Bakterium ein Arsensalz-Molekül auf 10.000 Phosphorsalz-Moleküle auf. Dieses Verhältnis sorgt dafür, dass dieses Bakterium in dem See wachsen und gedeihen kann."

    Und so sprechen die Forschungsergebnisse aus Rehovot dafür, dass GFAJ-1 Arsen vermeidet, wo immer es geht. Es ist also ganz von dieser Welt und steht nicht für eine unbekannte Linie der Evolution.