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Wael Shawky im Kunsthaus Bregenz
Marionetten auf dem Kreuzzug

Der ägyptische Künstler Wael Shawky erzählt die Geschichte der Kreuzzüge als verfilmtes Marionettentheater. Seine Arbeiten sind noch bis zum 23.10 im Kunsthaus Bregenz zu sehen.

Von Christian Gampert | 17.07.2016
    Wael Shawky
    Der Künstler Wael Shawky. (imago/ZUMA Press)
    Ist die Weltgeschichte ein Puppenspiel? Der ägyptische Künstler Wael Shawky zumindest sieht es so. In seinen Filmen und Installationen treten groteske, kunstvoll drapierte Marionetten auf, die die Geschichte der Kreuzzüge nachspielen. Es sind Sultane und Kreuzritter, Gelehrte und Frauen, Pferde, Kamele und seltsame Mischwesen, die dort verhandeln und agieren, zum Teil auch chorisch sprechen und einen kleinen, absurden, blutigen Totentanz aufführen, der sich vordergründig als Krieg der Religionen bezeichnen lässt.
    Dass die Akteure des politischen Geschehens allesamt wie Marionetten an den Fäden finsterer Mächte hängen - in jüngerer Zeit vor allem an denen des Kapitals -, das ist nun keine ganz neue Erkenntnis. Auch zur Zeit der Kreuzzüge ging es nicht nur um Religion; mit der Eroberung des Heiligen Landes waren auch massive wirtschaftliche Interessen verbunden.
    Wael Shawky erzählt die Geschichte der Kreuzzüge allerdings aus Sicht der Angegriffenen. Er benutzt vor allem arabische Quellen, an denen sich auch der libanesische Autor Amin Maalouf orientiert. Maalouf, der in Paris lebt, ist Shawkys Gewährsmann; sein Buch hieß "Der Heilige Krieg der Barbaren". Die Christen kommen dabei nicht gut weg, aber auch die Muslime nicht. Und es gibt, was den Fanatismus anbetrifft, erschreckende Parallelen zu heute.
    Arbeiten bewegen etwas im Zuschauer
    Die große Frage aber ist, ob Shawkys von Istanbul bis Venedig gefeierte Arbeiten tatsächlich einen neuen Blick auf die Geschichte werfen. Nicht wirklich. Und doch bewegen sie etwas im Zuschauer. Das gänzlich emotionslose Spiel - Puppen als menschlich-tierische Mischwesen und bizarre Stellvertreterfiguren - lenkt unseren Blick auf die absurden Mechanismen des Krieges. Natürlich wird sich niemand diese arabisch-sprachigen Filme in voller epischer Länge ansehen – es sind Installationen, in die man hinein- und aus denen man hinausgeht wie bei den offenen Tanzperformances von William Forsythe.
    Schon die Außenhaut des Kunsthauses ist von einem riesigen Banner geschmückt, das wie ein mittelalterliches Signet an dem Baukörper hängt. Die Bregenzer Ausstellung beginnt dann mit einer Serie von Fahnen, in denen christliche Kreuze vernäht sind. Das sieht von Weitem aus wie graue, schwärzliche Farbfeldmalerei, nutzt aber christliche Symbolik. Im Parterre ein Schaukasten mit den unbewegten Figuren aus den "Cabaret Crusades", aus dem jüngsten, dem dritten Film. Geheimnisvoll glitzernde, karikaturenhafte, animalische Mischwesen, die zum Teil auch Politikern der Zeitgeschichte gleichen, Sadat, Arafat zum Beispiel.
    Während der erste Part von Shawkys Trilogie mit historischen Puppen arbeitete und der zweite mit Keramik-Marionetten, sind die Gestalten des dritten Teils aus venezianischem Murano-Glas, mundgeblasen, in oft verrenkten Positionen, mit verzerrten Gesichtern wie in der Commedia dell'Arte, aber arabisch kostümiert.
    Die geschilderten Konflikte finden nicht nur zwischen Christen und Muslimen statt, sondern auch innerhalb der beiden Lager. Zu Beginn des vierten Kreuzzugs raubt das christliche Heer die christliche Stadt Zadar aus, um die venezianischen Seefahrer zu bezahlen. Sunniten und Schiiten bekämpfen einander, wie heute.
    Shawky ist pessimistisch: Die inner-arabische Geschichte entwickle sich nicht, sagt er, sie wiederhole sich. Das alles ist gefilmt auf einer Drehbühne, die das Geschehen unwirklich in Bewegung setzt wie eine Geisterbahn. An den Wänden gefräste Glasplatten mit historischen Karten von Babylon, also Bagdad, oder Jerusalem – Zentren politischer Konflikte bis heute.
    Im obersten Stockwerk kommt Shawky dann zum Punkt. Dort steht ein riesiges, vogelartiges Wesen aus Teerpappe, eine Mischung aus Flugzeug und Insekt, das den ganzen Raum einnimmt und auf eine Wand zufliegt, auf eine Fahne. Shawky hat es extra für diese Ausstellung konstruiert, und man kann nicht anders, man muss an den 11. September denken. Dumpf und bedrohlich steht es da, ein spindeldürres Monument der Gegenwart.