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Wälder als Kohlendioxid-Lieferanten

Umwelt. - Bislang galten die Wälder der Erde als Helfershelfer im Kampf gegen die globale Erwärmung, denn sie nehmen schätzungsweise ein Viertel der anthropogen Kohlendioxid-Emissionen auf. Doch Forstexperten warnen jetzt, sie könnten sich sogar zu einer Quelle für das Treibhausgas entwickeln.

Von Volker Mrasek |
    Die Wälder der Erde könnten ihre Funktion als Kohlenstoff-Senke noch in diesem Jahrhundert vollständig verlieren. Dazu werde es kommen, wenn sich das Klima im Mittel um weitere 1,7 Grad Celsius oder mehr erwärme, heißt es in der neuen Studie der forstlichen Forschungsanstalten. Eine solche Entwicklung sei unvermeidbar, sollten die derzeitigen CO2-Emissionen nicht substanziell verringert werden. John Innes, einer der Hauptautoren der neuen Studie und Professor für Nachhaltiges Wald-Management an der Universität von British Columbia in Kanada:

    "Der Welt-Klimareport aus dem Jahr 2007 enthielt bereits Kapitel über den Wald und die Erderwärmung. Unsere Studie geht aber weit darüber hinaus, wie ich glaube. Inzwischen sehen wir auch bereits klimabedingte Veränderungen in unseren Wäldern."

    Der britisch-kanadische Geowissenschaftler kennt einen besonders drastischen Fall aus eigener Anschauung. In British Columbia, praktisch vor seiner Haustür, sterben flächendeckend Drehkiefern ab. Innes spricht von einem Desaster. 500 Millionen Kubikmeter Nadelholz seien bisher verloren gegangen. Laut der neuen Studie ist der Klimawandel für diese Entwicklung verantwortlich. Wie Innes sagt, sind die Kiefern in den betroffenen Wäldern sehr alt:

    "Die alten Drehkiefern sind sehr anfällig für den Befall mit Borkenkäfern. Normalerweise werden diese Schadinsekten durch das Klima reguliert. Wenn es im Winter zwei Wochen lang minus 40 Grad Celsius kalt ist, dann sterben die meisten Larven ab, die in den Bäumen überwintern. Durch den Klimawandel treten solche Kälteepisoden aber nicht mehr so häufig auf. In der Folge bilden die Borkenkäfer große Populationen und breiten sich stark aus, sogar östlich der Rocky Mountains. Unsere Befürchtung ist, dass die Käfer bald ganz Kanada erobern."

    Ein stärkerer Befall mit todbringenden Insekten oder Pilzen, häufigere Feuer bei größerer Hitze – das sind unliebsame Folgen einer weiteren Klimaerwärmung. Wälder können aber auch allein durch die steigenden Temperaturen in Not geraten. Das gilt zum Beispiel für natürliche Fichten- und Tannen-Trockenwälder in den Bergen der Sierra Nevada in Kalifornien. Auch dort sterben von Jahr zu Jahr mehr Bäume ab, wie Philipp van Mantgem beobachtet, Forstbiologe beim Geologischen Dienst der USA:

    "Die mittlere Lufttemperatur in der Sierra Nevada hat in den letzten zwanzig Jahren um ein ganzes Grad zugenommen. Dies hier sind Trockenwälder. Und wenn immer mehr Wasser verdunstet, geraten sie in zusätzlichen Trockenstress. Dann sterben immer mehr Bäume ab."

    Es sind die Wälder der Tropen, Subtropen und gemäßigten Breiten, die als Kohlenstoff-Senke mit der Zeit auszufallen drohen. Anders dagegen der boreale Nadelwald der hohen nördlichen Breiten: Er dürfte sich im Zuge des Klimawandels sogar ausbreiten und mehr Kohlenstoff binden als heute. Auch das steht in dem neuen Report. Nur hilft es nicht viel, wie John Innes und die anderen Forstexperten fürchten:

    "Es stimmt! Es gibt einige Regionen auf der Erde, in denen Wälder vermutlich vom Klimawandel profitieren. Aber wir gehen davon aus, dass diese Gebiete viel kleiner sind als jene, in denen Wälder nachteilig beeinflusst werden."

    Es sei Zeit zum Handeln, mahnen die Autoren in ihrem Bericht. Forst-Bewirtschaftungspläne seien typischerweise auf Zeiträume von 50 bis hundert Jahren angelegt. Doch den Klimawandel berücksichtige bisher so gut wie keiner von ihnen. An vielen Standorten werde es nötig sein, Wälder mit hitzetoleranteren, gebietsfremden Arten aufzuforsten. Das stehe zwar im Widerspruch zum Schutz der einheimischen Natur. Aber es sei immer noch besser, als Wälder dem wachsenden Klimastress zu überlassen und am Ende ganz zu verlieren.