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Wärme aus dem Kanal

Der Preis für Erdöl und Erdgas steigt. Im Durchschnitt ist allein Gas im vergangenen Jahr 17 Prozent teurer geworden. Daran sei die Öl-Preis-Bindung Schuld, sagen die Energieversorger. Zahlen muss es der Verbraucher, denn die meisten heizen mit Gas oder Öl. Und ohne die fossilen Brennstoffe hätten sie auch kein warmes Wasser im Hahn. Doch es gibt noch andere Wege für Wärme im Haus zu sorgen - zum Beispiel mit Abwasser.

Von Daniel Satra |
    Das Wasser, das sich hier auf den Weg in die Kanalisation macht, ist kein Abfallprodukt, sondern eine Energiequelle. Ob Toiletten- oder Duschwasser, Wasser aus dem Geschirrspüler oder aus der Waschmaschine - was in der öffentlichen Kanalisation zusammenfließt, ist im Durchschnitt zwischen 10 und 15 C° warm. Und damit warm genug, um beim Heizen von Gebäuden zu helfen: Dünne Edelstahlplatten im Kanalrohr, so genannte Wärmetauscher, werden vom Abwasser umspült und leiten die Wärme weiter an eine Wärmepumpe in einem Gebäude. Die strombetriebene Pumpe verdichtet die angelieferte Abwasser-Wärme und erhöht sie auf Temperaturen von über 50 Grad. So liefert sie Wärme für die Heizung.

    " Die Wärmepumpe funktioniert ähnlich wie ein Kühlschrank. Der Kühlschrank entzieht seinem Innenraum Wärme, so wie hier der Wärmetauscher dem Abwasser Wärme entzieht, und gibt diese Wärme bei einer höheren Temperatur an den Raum, die Küchenluft etc., ab - so wie die Wärmepumpe ihre Wärme ans Heizwasser abgibt."

    Die Wärme aus dem Abwasser sei oft preiswerter, als die konventionellen Wärmelieferanten Erdgas und Öl, sagt Wolfram Stodtmeister von der Berliner Agentur ECO.S Energieconsulting. Auch wenn diese Energiegewinnung hierzulande bisher noch Zukunftsmusik ist, der Markt für Abwasser-Wärmepumpen sei groß. In jeder Gemeinde über 10.000 Einwohner rechne sich bereits eine Abwasser-Wärmepumpe.

    " Die Bedingungen sind, dass wir eine Heizzentrale haben, die eine bestimmte Mindestleistung hat, etwa ab 150 Kilowatt Heizleistung - im Wohnungsbereich entspricht das etwa 40 bis 50 Wohneinheiten. Die zweite Bedingung ist natürlich, dass im Umkreis von 200 bis 300 Metern ein geeigneter Abwasserkanal ist."

    Nicht Privathaushalte, sondern vor allem Großabnehmer von Wärme können profitieren: Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude, Hallenbäder, aber auch Schulen und Museen. Mit Abwasser-Wärmepumpen lassen sich nicht nur Heizkosten sparen, laut einer Untersuchung der Bremer Energie-Konsens GmbH aus dem vergangenen Jahr ist die Nutzung von Abwasser-Wärme aus der öffentlichen Kanalisation auch ökologisch sinnvoll. Die Machbarkeits-Studie zeigt am Beispiel einer Schule und eines Museums in Bremerhaven, dass die CO²-Emissionen geringer ausfallen würden, wenn hier statt Erdgas- oder Öl-Heizungsanlagen Wärmepumpen installiert wären. Einziger Makel: Wärmepumpen werden mit Strom betrieben. Felix Ziegler vom Institut für Energiewirtschaft in Berlin:

    " In Deutschland leidet die Wärmepumpe darunter, dass sie mit Strom in Verbindung gebracht wird und normalerweise auch mit Strom angetrieben wird, und dass mit Strom zu heizen Pfui ist. Die Tatsache, dass eine Wärmepumpe sehr viel effizienter und umweltfreundlicher ist, als eine direkte Stromheizung, wird dabei nicht berücksichtigt."

    Ein Drittel der Energie-Ausgaben fließt in Deutschland in die Wärmegewinnung. Darin enthalten sind neben Heizkosten auch die Ausgaben für die Warmwasseraufbreitung. Auch hier können Abwasser-Wärmepumpen beim Sparen helfen - wenn die Rahmenbedingungen des Energiemarktes stimmen:

    " Wenn die Ölpreise steigen, dann ist es erstmal günstig für die Wärmepumpe. Wenn die Strompreise steigen, ist es wieder ungünstig für die Wärmepumpe. Es kommt darauf an wie diese beiden Preise im Verhältnis zueinander steigen. Grundsätzlich denke ich: Je teurer die Energie wird, desto besser wird es für die Wärmepumpe."

    Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat nun einen Ratgeber herausgegeben. Er soll Bauherren und Kommunen darüber aufklären, wann sich Energierückgewinnung aus Abwasser lohnt. Zwei Modellprojekte haben bisher einen Anfang bei der Abwasser-Wärmenutzung gemacht. In Leverkusen versorgt eine Wärmepumpe seit zwei Jahren das Gesundheitshaus - ein Büro- und Laborgebäude. Auch das Technologiezentrum in Singen bezieht seit neun Monaten seine Heizwärme aus der Kanalisation. In der Schweiz hat das Heizen mit Abwasser eine längere Geschichte, dort nutzt man die Abwasser-Wärme seit über 20 Jahren. Ein Vorbild für Deutschland?

    " Ich denke schon, dass es Zukunft hat - so wie es in der Schweiz praktiziert wird, kann man es in anderen Ländern auch praktizieren. Das ist einer der Bausteine, die wir für eine sinnvolle und ökologisch gute Energieversorgung brauchen, kein Allheilmittel, aber einer der Bausteine."

    Der wichtigste Baustein bleibe jedoch die verbesserte Wärmedämmung. Vor allem die richtigen Baustoffe und gut isolierende Fenster.