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Wärme aus der Tiefe

Nutzung von Erdwärme zur Energieerzeugung steckt noch in den Kinderschuhen. Damit Erdwärme gegenüber anderen Energiequellen konkurrenzfähiger wird, muss die Effizienz erhöht werden.

Von Johannes Kaiser |
    In der Theorie sieht alles sehr einfach aus: Fördert man die mit Mineralien und Salzen gesättigte heiße Sole an die Oberfläche, kann man über Wärmetauscher jahrzehntelang heißes Wasser und Strom erzeugen. In der Praxis allerdings türmen sich noch große technische und wirtschaftliche Probleme auf, bevor man die Hitze aus der Tiefe tatsächlich wirtschaftlich nutzen kann. An erster Stelle steht dabei nach Ansicht der Experten aus Forschung und Industrie die Frage der Fündigkeit, das heißt: Gibt es im Untergrund tatsächlich solche wasserführenden Schichten? Die Berliner Wissenschaftler vom GFZ, dem Geo-ForschungsZentrum Potsdam, haben hier auf ihrer Bohrstelle in Schönebeck besondere Fortschritte erzielt, so Rolf Emmermann, Vizepräsident von Engine und Chef des GFZ:

    "Wir haben mit seismischen Methoden, also mit Methoden der Erkundung des Untergrundes, hochaufgelöst ein dreidimensionales Bild, geologisches Bild und physikalisches Bild des Untergrundes gemacht mit völlig neuen Techniken, die wir hier entwickelt haben, so dass wir, bevor wir die zweite Bohrung hatten, ein geologisches Modell hatten über das, was wir denn erbohren wollten. Und das ist sehr wichtig für künftige Programme, denn Bohrungen sind das Teuerste, und wenn die nicht fündig werden, ist ein solches Geothermieprojekt von vornherein dann bereits finanziell gescheitert."

    Weiß man, was einen in der Tiefe erwartet, fällt zwar das Risiko weg, umsonst zu bohren, aber die Kosten, um in die Tiefe zu gelangen, sind dennoch weiterhin extrem hoch:

    "Das Teuerste ist das Niederbringen der Bohrung, wo Bohrkosten sind mit allem drum und dran von 80 Prozent eines solchen Projektes, was das Finanzvolumen ausmacht, das heißt, die hinterherigen Arbeiten, das Fördern von den heißen Wässern, die Umsetzung über Kraftwerke ist eigentlich der kleinere. Wenn man diese Kosten reduziert, wenn es die Bohrtechnik erlaubt, schneller zu bohren, es kostet nicht die Tiefe, sondern die Zeit dort hinzukommen, wenn es also schneller geht, senkt das dramatisch die Kosten, also auf mehr als die Hälfte, würde ich jetzt sagen."

    Die Wirtschaftlichkeit hängt aber auch von der Menge des geförderten Wassers ab. Je mehr hochkommt, desto mehr Energie lässt sich gewinnen. Mit besonderen Techniken, bei denen Wasser mit großem Überdruck in die Tiefe gepumpt wird, versucht man die Gesteinsschichten aufzubrechen und durchlässiger zu machen, um zum Beispiel Wasser zwischen zwei Bohrlöchern zirkulieren zu lassen.

    Auch wenn man europaweit noch in der Demonstrationsphase steckt, so ist es doch vielerorts bereits gelungen nachzuweisen, dass die Tiefengeothermie wirklich funktioniert. Damit sie gegenüber anderen Energiequellen konkurrenzfähiger wird, ist es aber auch nötig, die Effizienz bei der Wärmenutzung zu verbessern, das heißt mehr Strom aus den heißen Wassern zu gewinnen. Man setzt dabei auf kleine, dezentrale Anlagen mit wenigen Megawatt Leistung:

    "Man kann sich vorstellen, dass man so batterieartig arbeitet. Diese Kraftwerke sind ja sehr klein, und das ist ja auch der Vorteil dieser alternativen Energie. Andererseits ist sie völlig krisenunabhängig, sie ist auch völlig wetterunabhängig im Unterschied zu Windenergie und anderen. Sie ist im Grunde immer da. Und sie ist fähig, einen Beitrag zur Grundlast zu leisten. Ich glaube, dass man in 15, 20 Jahren vielleicht einen Beitrag von 10 oder auch 20 Prozent zur Grundlastenergieerzeugung bei uns beitragen kann durch Geothermie."

    Als kurzfristiger Ersatz ausbleibender Erdöl- oder Erdgaslieferungen dürfte die Geothermie also nicht in Frage kommen. Sie trägt derzeit nur ein Zehntel Prozent zum Gesamtmix der Erneuerbaren Energien bei. Doch langfristig könnte sie die Energieabhängigkeit Europas vom Import fossiler Brennstoffe drastisch mindern. Zudem ist die Tiefengeothermie im Prinzip ein perpetuum mobile, das heißt, sie erschöpft sich so gut wie nie, solange der Erdkern sich nicht abkühlt. Und das dürfte noch einige Milliarden Jahre dauern.