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Waffenlobbyist Schreiber will heute aussagen

Simon: Seit Jahren ergeht sich der Mann in Andeutungen, heute will er nun wirklich reden. Karl-Heinz Schreiber gilt als eine der Schlüsselfiguren der CDU-Spendenaffäre. Er will aussagen über Schmiergeldzahlungen an deutsche Politiker, und dies vor dem Parteispenden-Untersuchungsausschuss. Der bayerische Waffenlobbyist Schreiber hatte 1991der CDU einen Koffer voller Geld zukommen lassen, und als das vor knapp zweieinhalb Jahren herauskam, war die Spendenaffäre perfekt. Karl-Heinz Schreiber setzte sich in der Folge bald nach Kanada ab und bezichtigte über die Medien vor allem konservative Politiker der Korruption, allen voran auch Edmund Stoiber. Schreibers Auslieferungsverfahren läuft. Heute und morgen finden im Haus des deutschen Generalkonsuls in Toronto Gespräche mit Schreiber statt. Die Union war gegen diese Befragung, sie wurde im Ausschuss jedoch überstimmt. Vor der Sendung habe ich mit dem Ausschussvorsitzenden Volker Neumann von der SPD gesprochen und habe ihn zuerst danach gefragt, was er sich von der Befragung des Waffenlobbyisten erhofft.

    Neumann: Karl-Heinz Schreiber spielt in dieser Affäre, die wir zu untersuchen haben, eine wichtige Rolle. Mit ihm fing die Affäre an, nämlich mit der Übergabe von einer Millionen Mark an den Schatzmeister der CDU Walther Leisler Kiep in der Schweiz, und sie zieht sich wie ein roter Faden durch verschiedene Komplexe, die wir zu untersuchen haben. Und deshalb ist er ein wichtiger Zeuge.

    Simon: Zu welchen Komplexen genau wollen Sie Karl-Heinz Schreiber befragen?

    Neumann: Zunächst geht es darum, aus welchem Grund er die 1 Millionen Mark gegeben hat. Karl-Heinz Schreiber ist CSU-Mitglied und hat bis dahin nur an die CSU gespendet, und plötzlich gibt er sozusagen aus heiterem Himmel eine Millionen Mark an die CDU, an die Schwesterpartei, und das in einem Zeitraum, in dem gerade eine große Lieferung von Panzerwaffen, also Spürfüchsen, nach Saudi-Arabien gekommen sind, wobei wir wissen, dass in diesem Zusammenhang über 200 Millionen Mark Schmiergelder gezahlt worden sind. Das nannte man damals 'plötzliche Aufwendungen' und hat die von der Steuer abgesetzt.

    Simon: Was wird weiter noch bei Ihnen bei den Fragen eine wichtige Rolle spielen?

    Neumann: Weiterhin wird auch die Frage eine Rolle spielen, wie es denn mit den 100.000 Mark war und zu welchem Zweck die gegeben worden sind, die über Herrn Schäuble an die CDU geflossen sind. Dieses Geld, wie auch die 1 Millionen Mark sind ja nicht im Rechenschaftsbericht zunächst aufgetaucht. Auch hier müssen wir fragen, zu welchem Zweck das gegeben worden ist. Und natürlich interessiert die Öffentlichkeit auch, wann das gegeben worden ist - weil: Es steht ja hier noch Aussage gegen Aussage von Frau Baumeister und Herrn Schäuble.

    Simon: In diesem Zusammenhang ist natürlich interessant: Für wie glaubwürdig halten Sie Herrn Schreiber? Das ist ein Waffenlobbyist, das ist ein Mann, der in den letzten Jahren viel Wirbel in den Medien gemacht hat. Ist das eine Aussage, die man so einfach annehmen kann, wenn er sie so macht?

    Neumann: Also, das ist sehr schwer zu sagen. Wir haben ihn ja noch gar nicht vernommen, und man kann natürlich über die Glaubwürdigkeit eines Zeugen erst etwas sagen, wenn man ihm gegenübergestanden ist, wenn man eine gewisse Zeit mit ihm zugebracht hat in der Vernehmung. Und wenn man das abgleicht mit dem, was uns an sonstigen Dokumenten vorliegt, an objektiven Merkmalen vorliegt - natürlich gilt bei ihm auch, wenn man ihn dann erwischt, dass er irgendwo gelogen hat, dann ist die andere Aussage auch nicht viel Wert. Aber ich muss sagen: Bisher konnte er immer glaubhaft, jedenfalls plausibel erklären, warum er bestimmte Dinge korrigieren musste, die er zunächst anders gesagt hatte in der Öffentlichkeit. Das hängt auch mit dem Zeitablauf zusammen und auch mit sonstigen Erklärungen. Also, ich bin noch nicht sicher, dass das alles richtig ist, was so manche Leute sagen, dass das ein total unglaubwürdiger Mann ist. Ich kann das wirklich nicht sagen.

    Simon: Die bisherigen Äußerungen von Karl-Heinz Schreiber sind über die Medien gelaufen. Können Sie sich erklären, warum Herr Schreiber jetzt sich dem Ausschuß schließlich nach ganz langem Zögern doch noch als Gesprächspartner angeboten hat?

    Neumann: Also, seit dem Jahr 2000, seit dem Beginn der Spendenaffäre, hat er erklärt, dass er vor dem Untersuchungsausschuss aussagen will. Er hat das immer wieder rausgezögert, wir wollten ihn ja schon im November letzten Jahres hören. Die Aussage kommt jetzt nach meiner Einschätzung deshalb, weil wir am Donnerstag die Beweisaufnahme schließen. Es ist also die letzte Möglichkeit für ihn, das zu sagen, was er sagen will und sein Wissen kundzutun. Und das hat er ja eben seit zwei Jahren schon angekündigt. Er hat sich auch frühzeitig erkundigt, wann wir die Beweisaufnahme schließen, so dass das wohl der Grund ist.

    Simon: Das heißt aber, wenn er den Zeitpunkt so wählt, kurz vor knapp, dass er da auch einen Punkt setzen will, Aufsehen erregen will.

    Neumann: Das weiß ich nicht ganz genau. Also, das kann man ja erst nachher sehen, wenn die Aussage da ist, ob er Aufsehen erregen will oder ob er wirklich etwas beiträgt zur Aufklärung der Affäre, die ja in Teilbereichen nicht aufgeklärt ist - etwa bei den anonymen Spenden von Herrn Kohl, bei - woher kommen diese Millionen für die CDU, was ist der Grund, warum man sie gegeben hat? In einem anderen Bereich, wo er nichts zu sagen kann: Woher kommen die Gelder, die Millionen, die in der Schweiz gelandet sind. Da wissen wir bis heute noch nicht hundert Prozent sicher, wer sie gegeben hat; wir wissen nur, dass sie von dort in Koffern und in Bargeld nach Deutschland transportiert worden sind. Also, es gibt noch einige Bereiche, wo wir aufklären müssten, was wir aber nicht mehr schaffen, denn Donnerstag ist nun endgültig Schluss - mit diesem Ausschuss jedenfalls.

    Simon: Noch einmal zum Aufklärungsbedarf. Da gäbe es sicher auch viele Fragen, die der bayerische Untersuchungsausschuss an Karl-Heinz Schreiber hätte. Nehmen Sie von denen Fragen im Gepäck mit nach Toronto?

    Neumann: Ja sicher. Wir haben uns sehr sorgfältig die Aussagen von Herrn Wittholz angesehen. Das ist jemand, der für MBB in Kanada tätig war. Und ein Teil unseres Untersuchungsauftrags lautet auch, festzustellen, ob Gelder an Parteien geflossen sind im Rahmen dieses Geschäftes von Hubschauberlieferungen von MBB - das war so von 1986 bis 1993 - an die kanadische Küstenwacht. Da gab es immer wieder Gerüchte. Und dieser Herr Wittholz sagt, eines dieser Gerüchte - was er nicht beweisen kann - ist, dass es auch Gelder gegeben hat an die CSU. Wir haben keine Dokumente darüber. Wir haben nur die Gerüchte, die von dem Zeugen Wittholz in den bayerischen Untersuchungsausschuss getragen worden sind - in der kanadischen Presse wird das immer wieder transportiert. Und es gibt auch Ermittlungsverfahren in diesem Bereich in Kanada, wo Bestechung nicht verjährt, wie bei uns.

    Simon: Die CDU im Untersuchungsausschuss war ja gegen diese Fahrt nach Toronto, und sie zweifelt auch an, dass das juristisch Wert hat, das sei alles nur eine Anhörung, keine wirkliche Zeugenvernehmung, wie das in Berlin möglich gewesen ist. Ist das so, dass das nachher auf wackligen juristischen Füßen steht?

    Neumann: Also, die Aussage eines Zeugen ist von Bedeutung, wenn der Wahrheitsgehalt sich nachprüfen lässt, wenn es plausibel ist, wenn wir Sachdokumente haben. Das kann ich vorher nicht sagen, wenn ich den Zeugen nicht gehört habe. Aber ich muss darauf hinweisen, dass dieser Zeuge beschlossen worden ist - auch mit der CDU. Und im November hätte die CDU keine Bedenken gehabt, Herrn Schreiber zu hören. Irgendwann muss Schluss der Vernehmung sein, das ist Donnerstag. Und ich bin ja gespannt, ob der Zeuge, den wir am Donnerstag auch noch hören wollen - Herrn Terlinden -, der sich auch gedrückt hat bisher vor einer Aussage, ob der bereit ist, auszusagen. Und dann werden wir sehen, ob das auch Wert hat. Da geht es um die Gelder, die von Kohl zu Weyrauch transportiert wurden. Also, irgendwann muss Schluss sein, und ich bin ganz froh, dass Herr Schreiber sich bereiterklärt hat, uns zur Verfügung zu stehen. Was dabei rauskommt, kann man erst nach der Vernehmung sagen.

    Simon: Wenn Sie von 'Schluss' sprechen, muss ich noch einmal auf eine Bemerkung von Ihnen in einer der Antworten davor kommen. Da sagten Sie, es sind ja viele Bereiche von uns nicht geklärt worden. Welche Bereiche sind das vor allem?

    Neumann: Also, es sind bei dem Bereich der Parteispenden der Millionenbeträge, die auf den Norfork-Konten gewesen sind. Woher kommen die Gelder, wer hat sie da hin transportiert? Wir wissen auch nicht, wo sie geblieben sind. Wir wissen nicht, wohin in den 80er Jahren - 87, 88 - Helmut Kohl das Geld herbekommen hat, um eine Briefaktion zu starten; 800.000 Mark hat das gekostet. 1,75 Millionen sind seinerzeit zusätzlich noch verteilt an die Landesverbände. Möglicherweise ist das Geld aus der Schweiz gekommen. Wir wissen nicht genau, zu welchem Zweck die 100.000 Mark an Herrn Schäuble gegeben worden sind. Dazu wird Herr Schreiber was sagen können möglicherweise. Und wir wissen natürlich nicht, wo Herr Kohl sein Geld herbekommen hat, was er zugestandenermaßen von 1993 an kassiert hat.

    Simon: Das ist eine ganze Menge. Wird es in der nächsten Legislaturperiode wieder einen Untersuchungsausschuss geben, der vielleicht diese offenen Fragen versucht zu klären?

    Neumann: Also, es sind ja nicht nur diese offenen Fragen. Ich habe ja nur einen Teil genannt. Natürlich könnte man auch im Bereich der SPD die eine oder andere Frage noch klären. Aber das muss letztlich der neue Bundestag entscheiden. Ob wir eine entsprechende Empfehlung abgeben, das haben wir noch nicht beraten im Ausschuss; die Beratung darüber wird am 29. Mai stattfinden. Aber das ist dann auch der letzte Punkt, wo dann der Beschluss gefasst wird, den Bericht festzustellen. Der Entwurf - 1.000 Seiten - ist schon fertig.

    Simon: Was ist denn Ihre Meinung dazu? Sie waren ja - und sind immer noch - der Ausschussvorsitzende.

    Neumann: Es ist eine Frage der Abwägung, ob man der Demokratie hilft oder ob man ihr schadet. Ich bin immer der Meinung gewesen, dass die Aufklärung ein wichtiges Indiz dafür ist, dass unsere Demokratie funktioniert, dass man es nicht unter den Teppich kehrt. Aber die zunehmende Politikverdrossenheit und Parteiverdrossenheit gibt mir auch Fragen auf, weil natürlich - es wird alles über einen Kamm geschert: Die Politiker sind alle gleich. Auch solche Affären mit Schlagzeilen führen dazu, dass die Politikverdrossenheit gesteigert wird. Ich glaube, man muss da sehr sorgfältig überlegen, ob man nochmal in diese alten Geschichten einsteigt. Aber ich bin auch noch nicht endgültig entschlossen, ob wir eine Empfehlung geben, dass der neue Bundestag noch die offenen Fragen untersucht.

    Simon: Aber das wäre ja eine ganz erstaunliche Konklusion, nur - weil anscheinend die Bevölkerung nicht sehr glücklich ist darüber, wie sich die Parteien verhalten, wird nicht mehr aufgeklärt.

    Neumann: Ja, es wird ja aufgeklärt. Nur eben, ob wir das noch machen können, das ist auch eine Frage. Ich habe jetzt zweieinhalb Jahre Tag für Tag mit diesen Dingen zu tun gehabt. Die normale Arbeit, die ein Abgeordneter zu verrichten hat, geht weit zurück. Wir machen das ja nicht hauptberuflich, sondern wir haben ja auch noch andere Dinge zu tun. Also, ich bin nicht sicher, ob wir noch weiterkommen in einem neuen Untersuchungsausschuss, und ich sage auch ganz ehrlich: Dadurch, dass keiner von den Politikern, die sozusagen in das Fadenkreuz der Aufklärung geraten sind, Verantwortung übernommen hat für das, was er gemacht hat - ich kenne nur einen, der sein Mandat niedergelegt hat, das war Herr Kanther -, das hat mich schon sehr skeptisch gemacht. Und da glaube ich auch nicht, dass ein neuer Ausschuss noch mehr herausbringen kann. Aber, wie gesagt: Die endgültige Beratung müssen wir dann erst jetzt Ende Mai führen.

    Simon: In Toronto stellt sich heute und morgen der Waffenlobbyist Karl-Heinz Schreiber den Fragen des Parteispenden-Untersuchungsausschusses. Das war ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Ausschusses Volker Neumann von der SPD.

    Link: Interview als RealAudio