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Wagner im Musicalformat

Ein paar markante Wagner-Motive sind zwar eingeflossen, doch vor allem trieft das Stück vor schwülstiger Fantasy-Filmmusik aus Hollywood. Richard Wagners "Ring des Nibelungen" als Rockmusical an der Bonner Oper hat nur eines im Sinn: den goldenen Ring der Macht. Ein Musical-Event als Wirtschaftsfaktor.

Von Christoph Schmitz |
    Selten war die Diskrepanz zwischen Kunst und Buffet so groß. In Bonn allerdings zu Ungunsten der Kunst, des Musicals. Nach Meeresfrüchtespezialitäten und diversen Schokoladen- und Cremedesserts in der Pause half der Prosecco über die zweite Hälfte recht gut hinweg. Die Bonner Oper tat alles, um die Uraufführung zu einem Erfolg werden zu lassen.

    Sogar ein roter Teppich führte aus der Winterkälte ins Foyer, hell erleuchtet für die RTL-Kameras und die bereits vorab angekündigten Musikexperten: Der Ex-Pornostar Dolly Buster und der Ex-Schlagerstar Guildo Horn. Er kam ohne seine Orthopädischen Strümpfe, dafür mit üblicher Zottelmähne, die auf der Bühne auch Alberich trug. Dennoch konnte man viel durchsichtigen Strumpf auf der Rampe sehen, Porno-Dessous, die vielleicht eine Hommage an Frau Buster sein sollten.

    Die ganze unheilvolle Welt der geknechteten und unfreien Untertanen von Alberich und Wotan und später auch Siegfried hatte sich behaglich, lasterhaft-lüstern von der Sexshopstange bedient. Vielleicht war ja sogar ein Fetisch-Versand unter den Sponsoren. Sein Umsatz könnte nach der Premiere im Weihnachtsgeschäft steigen. Kultur ist eben ein Wirtschaftsfaktor. Schließlich geht es ja auch im Stück um den Mammon, das Gold, den Ring, der Macht verleiht und die Erde zu Grunde richtet. Diebstahl gehört dazu, auch bei der Flickschusterei des Musicals.

    Aus Richard Wagners Dichtung stammen Rheintöchter und Ringverlust durch Alberich, der Bau Walhalls durch die Riesen, die Bezahlung mit dem geraubten Nibelungenschatz, Wotans Verstoß der Brünhilde und Rückkehr des Rings in den Rhein. Nicht gebrauchen konnte man die Geschichte von Sigmund und Sieglinde, die Intrigen von Hagen, Gunther und Gutrune und auch nicht Siegfrieds Tod. Der Tod eines Helden würde stören. Brünhilde macht Siegfried zu einem besseren Menschen, der den Ring freiwillig abgibt, wie sich das für eine Seifenoper gehört.

    Darum ist die Musik schmierig. Vielleicht weil die Geschichte unter Wasser beginnt und die Finanzwelt so aalglatt ist. Ein paar markante Wagner-Motive sind zwar eingeflossen, vor allem aber viel schwülstige Fantasy-Filmmusik aus Hollywood, seichte Abba-Seligkeit, Ti-Amo-Schnulziges alla Umbero Tozzi und Rockig-Rustikales nach Freddie Mercury zum Mitstampfen.

    Warum Eigenes erfinden, wenn man im Discount der Klänge billig abräumen kann? Hauptsache Publikum kommt. Touristen auf nach Bonn! Das Musical-Event mit passender Location am Ufer des Rheins gegenüber dem mythischen Siebengebirge inklusiv Drachenfels, wo der Sage nach Siegfried den Lindwurm gefällt haben soll. Stadtväter, Post und Deutsche Telekom planen ja auch schon ein neues Beethoven-Festspielhaus.

    Wie die Welt mit Bayreuth Wagner verbindet, so soll sie mit Bonn Beethoven verbinden und die Hotels der Stadt auslasten. Ein Ring-Musical am Rhein könnte noch zusätzliche Wachstumsimpulse geben. So zögen alle an einem Strang: Dolly, Guildo, die Stadt, die Bonner Oper, und keiner macht sich lächerlich, weil ja alle im selben Boot sitzen und nur hehres Sinne haben, den goldenen Ring der Macht.