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Wagner-Konzert reloaded

Um die Jahreswende 1862/63 stellte Richard Wagner Opernauszüge im Theater an der Wien vor. Unter der Leitung von Marc Minkowski wurde dieses Konzert nun wiederholt. Für Jörn Florian Fuchs war es sehr gelungen, weil eine ganz neue Interpretation geboten wurde.

Jörn Florian Fuchs im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske | 06.01.2013
    Der Komponist Richard Wagner, Foto eines Gemäldes von 1843
    Der Komponist Richard Wagner, Foto eines Gemäldes von 1843 (picture alliance / dpa / Zentralbild)
    Doris Schäfer-Noske: In Paris hatte es schon nicht geklappt mit der Uraufführung von "Tristan und Isolde". Nach langen Verhandlungen reiste Richard Wagner dann im November 1862 nach Wien, um dort die Uraufführung seiner neuen Oper zu betreuen. Doch nach 77 Proben wurde die Arbeit abgebrochen. "Tristan und Isolde" galt als unaufführbar. Um nach diesem Debakel etwas gutzumachen, präsentierte sich Wagner um die Jahreswende 1862/63 im Theater an der Wien mit Konzerten. Und 150 Jahre nach diesem sehr erfolgreichen Ereignis hat das Theater nun Richard Wagner mit einer Neuauflage geehrt. - Frage an meinen Kollegen Jörn Florian Fuchs: Herr Fuchs, was hat denn Richard Wagner damals präsentiert?

    Jörn Florian Fuchs: Es waren mehrere Konzerte, und das, was wir jetzt erlebt haben hier am Wochenende, ist ein Zusammenschnitt, sozusagen ein "Best of". Wagner kam ja nach Wien und wollte ein bisschen gute Stimmung machen nach diesem "Tristan"-Desaster und brauchte auf der anderen Seite auch schlicht und ergreifend Geld, was er ja eigentlich immer brauchte. Und Marc Minkowski hat jetzt eine "Faust"-Ouvertüre hier geboten, was sehr, sehr selten zu hören ist, dieses Stück, und dann Auszüge aus "Walküre", "Meistersinger", "Tannhäuser" und das "Rheingold"-Vorspiel".

    Schäfer-Noske: Wie gelungen war denn diese Wiederholung dieses Konzerts gestern Abend?

    Fuchs: Damals spielte unter der Leitung von Richard Wagner ja das Hofopernorchester, die heutigen Wiener Philharmoniker. Hier war es nun ein Spezialistenensemble für alte Musik, die Musiciens du Louvre, die auch ihr Debüt gegeben haben im Theater an der Wien unter Minkowski, und da fand ich vor allen Dingen frappierend bei dem Vorspiel zu "Tannhäuser", dass man merkt, wie vertrackt die Rhythmen sind, wie vertrackt das Motivgeflecht ist und wie schwierig das auf diesen alten Instrumenten letztendlich klingt, also wie präzise man da intonieren muss, und das führt direkt dazu, warum der "Tristan" gescheitert ist. Heutige Orchester - wenn man das hört, denkt man, das kann doch nicht sein: 77 Proben und dann läuft das nicht. Wenn man jetzt das auf alten Instrumenten hört, dann merkt man erst die Schwierigkeit, weil die kommen immer wieder einfach an die Grenzen durch das alte Holz, durch die alten Saiten etwa, und es wird einem wirklich plausibel, mit welchen spieltechnischen Schwierigkeiten damals die Musiker zu kämpfen gehabt haben. Ich fand das insgesamt erkenntnisreich, ich fand es aber auch sehr gelungen, weil Marc Minkowski eine ganz neue Interpretation geboten hat, etwa von dem "Meistersinger"-Vorspiel, oder auch dem "Walküren"-Ritt. Dieses sehr martialische Stück, das wir aus dem Film "Apocalypse Now" ja zum Beispiel kennen, das klingt hier ganz anders. Das ist eigentlich kein "Walküren"-Ritt, sondern eher ein "Walküren"-Tusch. Es ist regelrecht wienerisch, leicht und locker genommen. Wenn man das als Filmmusik eingesetzt hätte, dann wäre es entweder komisch, oder zynisch gewesen, aber es hätte einfach nicht mit diesem Film funktioniert. Und der ganze Wagner, durch die Brille von Minkowski gesehen und dirigiert, hat etwas sehr Lockeres, etwas sehr Leichtes, Angenehmes und nicht diese typisch deutsche Schwere.

    Schäfer-Noske: Herr Fuchs, wie haben denn die Sänger ihre Partien gemeistert?

    Fuchs: Ja da gab es den Auftritt von Endrik Wottrich als Siegmund, "Winterstürme wichen dem Wonnemond"; das war nur sehr, sehr kurz. Aber die zentrale Figur war Evgeny Nikitin – wir erinnern uns alle an den großen Tattoo-Skandal in Bayreuth. Nikitin ist nun erstmals wieder an einer größeren Bühne, sage ich mal, in unserer Reichweite hervorgetreten, und wir hören mal uns an, wie die Anrede aus den "Meistersingern" klingt. Veit Pogner ist die Partie, die Nikitin hier singt.

    O-Ton Musik

    Fuchs: Da hören Sie doch eigentlich keinen Russen, oder? Das ist doch in einem so perfekten Deutsch und so wunderbar sonor interpretiert, finde ich, dass man eigentlich nur hoffen kann, dass Nikitin doch diese Partie auch mal szenisch verkörpert. Er wurde sehr, sehr umjubelt, zurecht, finde ich auch, ebenso wie Minkowski, der den "Walküren"-Ritt dann noch mal als Zugabe gegeben hat, und bei ihm ist es besonders interessant, dass er gelegentlich zu einer Art Wagner-Galopp sein Orchester anheizt. Das wäre vielleicht sogar auch ein Kandidat mal für das Wiener Neujahrskonzert, wo es dieses Jahr ja auch zum ersten Mal Wagner zu hören gab.

    Schäfer-Noske: Jörn Florian Fuchs war das über ein Wagner-Konzert am Theater an der Wien, das so ähnlich vor 150 Jahren schon einmal stattgefunden hat.


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