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Wagners Tannhäuser an der Berliner Staatsoper
Musikalische Magie, schwache Regie

Während die Sänger und vor allem auch Daniel Barenboim mit einem großartigen Orchesterklang überzeugten, musste der Liebling des Berliner Kulturbetriebs, Sasha Waltz, Buh-Rufe am Ende der Tannhäuser-Premiere hinnehmen. Ihr Regie-Funke zündete nicht.

Von Mascha Drost | 13.04.2014
    Der Sänger Peter Seiffert (M) als Tannhäuser steht am 07.04.2014 während der Probe zu "Tannhäuser" im Schiller Theater in Berlin mit Tänzern auf der Bühne.
    Der Sänger Peter Seiffert (M) als Tannhäuser mit Tänzern auf der Bühne. (Stephanie Pilick / picture alliance / dpa)
    Buhs am Ende einer Premiere - das muss für Sasha Waltz eine ganz neue Erfahrung sein. Aber auch für den erklärten Superliebling des Berliner Kulturbetriebs gibt es keine Sonderbehandlung: Wer dem Tannhäuser mit Eurythmie beizukommen versucht, wird dafür abgestraft. Die Enttäuschung des Abends gleich zu Anfang, das Baccanal - in einem Trichter verknäulen sich 18 Tänzer, ein Getümmel aus Armen und Beinen, keine Sinnlichkeit, nirgends. Die Szene droht, viel schlimmer noch, zur Lachnummer zu geraten: Als sich zwischen das athletische Getümmel ein mehr als nur stattlicher Peter Seiffert quetschen muss. Seit über 30 Jahren spielt er Wagner in Berlin - und wenn er auch als Tannhäuser eine Kletterpartie nicht sonderlich elegant bewältigt, singen kann er: markig, mit warmer Strahlkraft und ohne geringste heldentenorale Allüren.
    Überhaupt die Sänger - Marina Prudenskaya eine sagenhafte Venus, gleißend das Timbre ihrer Stimme, und berückend zugleich, Ann Petersens Elisabeth ebenfalls von großer Leidenschaft beseelt, und Peter Mattei verwandelt Wolframs "Lied an den Abendstern" in eine traumverlorene Szenerie, einsam-versponnen bewegt er sich über die Bühne, schlicht und ergreifend, wie sein Gesang.
    Barenboim: Magier der leisen Töne
    Darunter ein Streicherteppich wie man ihn feiner nicht weben kann, Bläser, deren Atem endlos erscheint, und ein Dirigent, der das Publikum kühlen Kopfes in einen Klangrausch nach dem anderen fallen läßt. Man kann süchtig werden nach diesem Orchesterklang, der im Venusberg nur so glüht vor Begehren, der ungestüm vorwärtsdrängt, und an Erotik im Übermaß einlöst, was die Bühne nur schwach andeutet. Aber es funkelt und lodert nicht nur empor, Barenboim ist an diesem Abend genauso ein Magier der leisen Töne, der schwebenden, ätherischen Klänge, in unendlich vielen Schattierungen und Nuancen. Dieser Zauber schaffte es in einigen Momenten selbst auf die Bühne, wo Sasha Waltz einen an die 50er-Jahre angelehnten, aber eigentlich zeitlosen Raum geschaffen hatte.
    Der große Regie-Funke aber zündete nicht - dazu waren die Tanzelemente mehr Dekoration als Erhellung, des Geschehen lediglich begleitend und nach vier Stunden zudem etwas redundant. Daniel Barenboim aber fährt einen Sieg ein, wie er grandioser und verdienter nicht sein könnte.