Vergangenen Samstag vor der Siegerlandhalle. Eigentlich will die nordrhein-westfälische CDU hier auf ihrem Parteitag über die Schulpolitik debattieren, doch es kommt alles ganz anders. Der explodierte Kernkraft-Reaktor in Japan strahlt - zumindest, was die Stimmung betrifft - schon am frühen Morgen bis nach Siegen.
"Ich appelliere also an Herrn Röttgen: Verdammt noch mal, hört endlich auf Wo ist Herr Röttgen?!"
Längst in der Halle, der so Geschmähte hat den Hintereingang genommen. Jetzt bloß nicht vorbei am Spalier der Kameraleute, bloß keine Bilder vom Umweltminister umzingelt von Atomkraft-Gegnern. Das Ausweichmanöver ist der erste in einer ganzen Kette von taktisch brillanten Schritten, die Norbert Röttgen an diesem Tag vollzieht. Wirkungsvoll ruft er wenige Minuten später die Parteitags-Delegierten im Saal zum Gedenken an die Opfer in Japan auf:
"Bevor wir zu geistigen Besinnung kommen, möchte ich Sie bitten, dass wir uns alle erheben, zum Gedenken, zur Stille und zum Gebet, dafür bei unserem allmächtigen Herrn, dass er uns vor weiteren Schäden bewahren möge."
So schlägt Röttgen gleich mit seinen ersten Sätzen den Bogen vom Mitgefühl für die Japaner zu den Sorgen der Deutschen. Im Laufe des Tages wird er vor einem Strauß von Mikrofonen seine Wortwahl im Stundentakt geschickt anpassen. Bis sich am Ende des Tages die eine Botschaft herauskristallisiert: Er habe es ja schon immer gesagt.
"Norbert Röttgen gehört ja schon seit langer Zeit zu den Skeptikern."
Sagt der Bonner Politologe Volker Kronenberg.
"Er wird hier bestätigt, und er steht ja jetzt auch an der Spitze der Handelnden, die versuchen, das Thema Atompolitik für die CDU abzuräumen."
Im Streit um die Laufzeit-Verlängerung zog Röttgen vergangenen Herbst in der schwarz-gelben Bundesregierung noch den Kürzeren, und genau das nutzt er jetzt zu seinem Vorteil. Nicht nur in Berlin, sondern auch in Düsseldorf, denn kommt es an Rhein und Ruhr zu Neuwahlen, würde unversehens auch die Atomdebatte in den Landtagswahlkampf schwappen. Röttgen könnte daraus Honig saugen, glaubt Politikwissenschaftler Kronenberg:
"Ich glaube, dass eben dieses umsichtige Agieren von Norbert Röttgen in diesem Punkt ihn eher stärkt, auch für seine Position bei Wahlen in Nordrhein-Westfalen."
Das ahnt auch Röttgen selbst. Seine Rede auf dem Landesparteitag in Siegen klingt bereits nach Wahlkampf. Voller Angriffslust drischt der 45-Jährige auf die Schuldenpolitik der rot-grünen Minderheits-Regierung ein und zeigt sich entschlossener denn je, Neuwahlen zu riskieren:
"Damit da keine Legendenbildung irgendwo entstehen kann, wir wollen kämpfen, wir werden kämpfen, wir werden gewinnen, und wir sind zur Verantwortung bereit, meine Damen und Herren."
Nur den Zeitpunkt lässt Röttgen genau so offen wie all seine Parteisoldaten in Düsseldorf. Denn auch der Landesvorsitzende weiß ganz genau: Die Stimmung unter den Delegierten ist gespalten:
"Wir können nicht so lange wählen lassen, bis uns eine genehme Regierung zustande kommt. Also die CDU steht grundsätzlich für Neuwahlen immer zur Verfügung. Angst haben wir nicht. Wir reiten unsere Demokratie zu Tode, wenn das so weitergeht. Wenn wir immer die Entscheidungen dem Wähler wieder zurückgeben anstatt verantwortlich die Politik sich hier zusammenrauft aller Parteien und vernünftige Konzepte macht."
Gründe für die Skepsis gibt es genug: Bisher ernährt sich die Partei ausschließlich von ihrer Oppositionsrolle - dem Kampf gegen die rot-grüne Haushaltspolitik. Auch ein Koalitionspartner ist derzeit nicht in Sicht, und in den Umfragen liegt Rot-Grün vorne. So beschränkt sich die CDU nun seit Monaten darauf, mit einer Neuwahl zu drohen, ohne sie zu beantragen. Politikwissenschaftler Volker Kronenberg findet das bedenklich:
"Der Punkt ist, dass man aus dieser rhetorischen Eskalationsspirale, in die man sich begeben hat, im Übrigen auf beiden Seiten, auf Seiten der Regierung und auf der anderen Seite der Opposition. Und ich glaube, dass man daraus nicht mehr seriös herauskommen kann. Es wird Norbert Röttgen gar nichts anderes übrig bleiben, als mit Haut und Haar in diese Neuwahl zu gehen."
Doch selbst die krachende Niederlage, die die Landesregierung diese Woche vor dem Verfassungsgericht in Münster wegen des Nachtragshaushalts erlitten hat, ändert nichts am CDU-Kurs. Munter dreht die Partei weiter ihre Pirouetten. Mal möchte sie Neuwahlen nicht so schnell, dann doch sehr bald und jetzt ein bisschen. Selbst der Spitzenkandidat in spe legt sich nicht endgültig fest, schon gar nicht bei der Frage, ob er denn im Falle einer Niederlage auch als Oppositionsführer in Düsseldorf bleiben würde:
"Ich verspreche Ihnen, darum bin ich zu umfassender landespolitischer Verantwortung bereit, und werde dort dienen, wo die Partei mich hinstellt."
Dass die Partei ihn gegen seinen Willen in Düsseldorf an die Kette legt, glauben aber nicht einmal Röttgens größte Fürsprecher. Am Ende entscheidet vielleicht die Urlaubsplanung des Generalsekretärs über den Neuwahl-Termin. Oliver Wittke ist jedenfalls zu Späßen aufgelegt:
"Ich hab meiner Frau gesagt, als wir da an dem Wochenende, Rosenmontag, am Strand rum liefen, geh mal davon aus, dass das der Jahresurlaub ist."
Als er das hört, spricht selbst Norbert Röttgen ausnahmsweise Klartext:
"Spricht übrigens für einen zügigen Termin, dann ist das Thema geklärt."
Aber vorerst wird nicht geklärt, sondern nur weiter gedroht. Und so existiert für Norbert Röttgen ein persönliches Restrisiko: Fehlende Glaubwürdigkeit.
"Ich appelliere also an Herrn Röttgen: Verdammt noch mal, hört endlich auf Wo ist Herr Röttgen?!"
Längst in der Halle, der so Geschmähte hat den Hintereingang genommen. Jetzt bloß nicht vorbei am Spalier der Kameraleute, bloß keine Bilder vom Umweltminister umzingelt von Atomkraft-Gegnern. Das Ausweichmanöver ist der erste in einer ganzen Kette von taktisch brillanten Schritten, die Norbert Röttgen an diesem Tag vollzieht. Wirkungsvoll ruft er wenige Minuten später die Parteitags-Delegierten im Saal zum Gedenken an die Opfer in Japan auf:
"Bevor wir zu geistigen Besinnung kommen, möchte ich Sie bitten, dass wir uns alle erheben, zum Gedenken, zur Stille und zum Gebet, dafür bei unserem allmächtigen Herrn, dass er uns vor weiteren Schäden bewahren möge."
So schlägt Röttgen gleich mit seinen ersten Sätzen den Bogen vom Mitgefühl für die Japaner zu den Sorgen der Deutschen. Im Laufe des Tages wird er vor einem Strauß von Mikrofonen seine Wortwahl im Stundentakt geschickt anpassen. Bis sich am Ende des Tages die eine Botschaft herauskristallisiert: Er habe es ja schon immer gesagt.
"Norbert Röttgen gehört ja schon seit langer Zeit zu den Skeptikern."
Sagt der Bonner Politologe Volker Kronenberg.
"Er wird hier bestätigt, und er steht ja jetzt auch an der Spitze der Handelnden, die versuchen, das Thema Atompolitik für die CDU abzuräumen."
Im Streit um die Laufzeit-Verlängerung zog Röttgen vergangenen Herbst in der schwarz-gelben Bundesregierung noch den Kürzeren, und genau das nutzt er jetzt zu seinem Vorteil. Nicht nur in Berlin, sondern auch in Düsseldorf, denn kommt es an Rhein und Ruhr zu Neuwahlen, würde unversehens auch die Atomdebatte in den Landtagswahlkampf schwappen. Röttgen könnte daraus Honig saugen, glaubt Politikwissenschaftler Kronenberg:
"Ich glaube, dass eben dieses umsichtige Agieren von Norbert Röttgen in diesem Punkt ihn eher stärkt, auch für seine Position bei Wahlen in Nordrhein-Westfalen."
Das ahnt auch Röttgen selbst. Seine Rede auf dem Landesparteitag in Siegen klingt bereits nach Wahlkampf. Voller Angriffslust drischt der 45-Jährige auf die Schuldenpolitik der rot-grünen Minderheits-Regierung ein und zeigt sich entschlossener denn je, Neuwahlen zu riskieren:
"Damit da keine Legendenbildung irgendwo entstehen kann, wir wollen kämpfen, wir werden kämpfen, wir werden gewinnen, und wir sind zur Verantwortung bereit, meine Damen und Herren."
Nur den Zeitpunkt lässt Röttgen genau so offen wie all seine Parteisoldaten in Düsseldorf. Denn auch der Landesvorsitzende weiß ganz genau: Die Stimmung unter den Delegierten ist gespalten:
"Wir können nicht so lange wählen lassen, bis uns eine genehme Regierung zustande kommt. Also die CDU steht grundsätzlich für Neuwahlen immer zur Verfügung. Angst haben wir nicht. Wir reiten unsere Demokratie zu Tode, wenn das so weitergeht. Wenn wir immer die Entscheidungen dem Wähler wieder zurückgeben anstatt verantwortlich die Politik sich hier zusammenrauft aller Parteien und vernünftige Konzepte macht."
Gründe für die Skepsis gibt es genug: Bisher ernährt sich die Partei ausschließlich von ihrer Oppositionsrolle - dem Kampf gegen die rot-grüne Haushaltspolitik. Auch ein Koalitionspartner ist derzeit nicht in Sicht, und in den Umfragen liegt Rot-Grün vorne. So beschränkt sich die CDU nun seit Monaten darauf, mit einer Neuwahl zu drohen, ohne sie zu beantragen. Politikwissenschaftler Volker Kronenberg findet das bedenklich:
"Der Punkt ist, dass man aus dieser rhetorischen Eskalationsspirale, in die man sich begeben hat, im Übrigen auf beiden Seiten, auf Seiten der Regierung und auf der anderen Seite der Opposition. Und ich glaube, dass man daraus nicht mehr seriös herauskommen kann. Es wird Norbert Röttgen gar nichts anderes übrig bleiben, als mit Haut und Haar in diese Neuwahl zu gehen."
Doch selbst die krachende Niederlage, die die Landesregierung diese Woche vor dem Verfassungsgericht in Münster wegen des Nachtragshaushalts erlitten hat, ändert nichts am CDU-Kurs. Munter dreht die Partei weiter ihre Pirouetten. Mal möchte sie Neuwahlen nicht so schnell, dann doch sehr bald und jetzt ein bisschen. Selbst der Spitzenkandidat in spe legt sich nicht endgültig fest, schon gar nicht bei der Frage, ob er denn im Falle einer Niederlage auch als Oppositionsführer in Düsseldorf bleiben würde:
"Ich verspreche Ihnen, darum bin ich zu umfassender landespolitischer Verantwortung bereit, und werde dort dienen, wo die Partei mich hinstellt."
Dass die Partei ihn gegen seinen Willen in Düsseldorf an die Kette legt, glauben aber nicht einmal Röttgens größte Fürsprecher. Am Ende entscheidet vielleicht die Urlaubsplanung des Generalsekretärs über den Neuwahl-Termin. Oliver Wittke ist jedenfalls zu Späßen aufgelegt:
"Ich hab meiner Frau gesagt, als wir da an dem Wochenende, Rosenmontag, am Strand rum liefen, geh mal davon aus, dass das der Jahresurlaub ist."
Als er das hört, spricht selbst Norbert Röttgen ausnahmsweise Klartext:
"Spricht übrigens für einen zügigen Termin, dann ist das Thema geklärt."
Aber vorerst wird nicht geklärt, sondern nur weiter gedroht. Und so existiert für Norbert Röttgen ein persönliches Restrisiko: Fehlende Glaubwürdigkeit.