Montag, 20. Mai 2024

Bundeszentrale für politische Bildung
"Wahl der AfD nicht nur als Protest begreifen“

Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Krüger, warnt vor einer falschen Einschätzung der derzeit hohen Zustimmungswerte der AfD. Der Ernst der Lage bestehe darin, dass die Wählerinnen und Wähler diese Partei wollten. Die Politikwissenschaftlerin Kropp forderte im DLF einen neuen Politikstil der Ampel-Koalition.

02.07.2023
    Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung
    "Nicht typisch ostdeutsch": Thomas Krüger, der aus Thüringen stammende Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (picture alliance / dpa / Christophe Gateau)
    Krüger sagte dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland", in Teilen der Gesellschaft hätten sich bestimmte Positionen etabliert, die nicht hinnehmbar und mit demokratischen Prinzipien unvereinbar seien. Insofern sei die AfD ein erfolgreiches "Radikalisierungskollektiv". Er warne davor, ein solches Abstimmungs-Verhalten noch als Protest zu begreifen, betonte Krüger. Das komme einer Verharmlosung gleich. Kritik übte der aus Thüringen stammende Präsident der Bundeszentrale auch daran, Etikette wie "typisch ostdeutsch" zu vergeben. Dahinter verberge sich eher der Versuch von Nicht-Ostdeutschen, das Phänomen zu erklären. Es gebe aber mittlerweile in vielen Ländern ein "Diffundieren der gesellschaftlichen Mitte".
    Der Rechtsextremismus-Experte Martin Becher wertete es als kontraproduktiv, wenn Politiker mehr Verständnis für AfD-Wähler forderten. Letztlich bedeuteten solche Aussagen nicht anderes, als dass man rechte Parteien wählen müsse, um Aufmerksamkeit zu bekommen, sagte der Geschäftsführer des "Bayerischen Bündnisses für Toleranz" dem Evangelischen Presse-Dienst. Becher führte aus, letztlich drehe sich für viele Menschen fast alles um ihren eigenen Mikrokosmos und ihre eigenen Gefühlslagen. Daher komme man mit rationalen Argumenten nicht weiter. Wichtig wäre daher laut Becher unter anderem ein Konservatismus, der wisse, wofür er stehe, und sich nicht nur durch Abgrenzung definiere.

    "Ampel-Koalition muss besser kommunizieren"

    Die Politikwissenschaftlerin Sabine Kropp vom Otto-Suhr-Institut an der FU Berlin forderte angesichts der Zustimmungswerte für die AfD die Ampel-Regierung zu Veränderungen in ihrem Politikstil auf. Gerade bei gesellschaftlich weitreichenden Vorhaben wie dem sogenannten Heizungsgesetz brauche es große Überzeugungsarbeit und eine weitreichende Debatte. Das sei an sich nichts Schlechtes, so lange nicht der Eindruck entstehe, dass sich eine Regierung gegenseitig blockiere, sagte Kropp im Deutschlandfunk. Es sei deshalb wichtig, von Anfang das gemeinsamen Gespräch zwischen den beteiligten Ministerien und den Bundestagsfraktionen zu suchen.
    Kropp hofft auf einen Lerneffekt für künftige Kompromisse zwischen SPD, Grünen und FDP. Die Ampel-Koalition müsse die interne Koordinierung verbessern und besser kommunizieren. Gelinge das nicht, sei damit zu rechnen, dass das Vertrauen in die Regierung weiter Schaden nehme. "Das sollte man ernst nehmen", rät die Forschende, denn es habe Auswirkungen auf die Frage, wie es mit der Regierungsfähigkeit überhaupt bestellt sei.
    Diese Nachricht wurde am 02.07.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.