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Wahl Friedrich Merz zum CDU-Fraktionsvize

Engels: Friedrich Merz hat dafür gesorgt, dass gestern aus einem Routinetermin doch noch eine spannende Angelegenheit wurde. Die Rede ist von der Vorstandswahl der CDU-Bundestagsfraktion. Vorgestern hatte Vizefraktionschef Merz harsche Kritik an dem Unionskompromiss mit der SPD in Sachen Gesundheitsreform geübt und er hatte sowohl mit Ablehnung als auch mit Amtsverzicht gedroht. Beides nahm er zurück und trotzdem strafte ihn die Fraktion gestern ab. Er wurde mit dem schlechtesten Ergebnis aller Stellvertreter von Fraktionschefin Merkel wiedergewählt. Wie steht es um die Geschlossenheit der Union? - Am Telefon nun der Landes- und Fraktionsvorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers. Herr Rüttgers, viel Lärm um nichts. Haben Sie eine Ahnung, warum Friedrich Merz diesen Streit vom Zaun brach? Merz: Er hat große Bedenken gegen den Kompromiss, den CDU/CSU und SPD in Sachen Gesundheitsreform getroffen haben. Das wollte er deutlich machen. Nun gibt es ja immer das Problem: wenn die großen Parteien solche Kompromisse machen, dann haben viele von uns Bauchschmerzen.

    Engels: Sie auch?

    Rüttgers: Ich habe auch bei der einen oder anderen Sache Bauchschmerzen, aber wahr ist natürlich auch, dass es zur Kunst der Politik gehört, solche Kompromisse zu machen. Sonst kommt man ja nicht weiter. Dann muss man sie auch ertragen, selbst in den Teilen, die man eigentlich lieber anders gehabt hätte.

    Engels: Die gute Stimmung und den Rückenwind in der Union nach der erfolgreichen Bayern-Wahl hat Friedrich Merz jedenfalls ordentlich verdorben?

    Rüttgers: Na ja, wollen wir das nicht überbewerten. Es hat eine Diskussion gegeben, die Gott sei Dank jetzt ausgestanden ist. Ich bin froh, dass wir von der CDU Nordrhein-Westfalen in der Landesgruppe auch dazu beigetragen haben, dass dieses Ergebnis so zu Stande gekommen ist. Wir brauchen Friedrich Merz, vor allen Dingen wenn es demnächst um die Frage der Steuerreform geht.

    Engels: Es war ja nicht der erste offene Streit zwischen Friedrich Merz und Fraktionschefin Merkel. Ist er denn noch glaubwürdig für die CDU in dieser Position als Fraktionsvize, auch gerade in Steuerdingen und ähnlichem, nach außen aufzutreten?

    Rüttgers: Wir brauchen Friedrich Merz. Er wird das auch weiter mit großem Engagement machen. Und wenn es uns noch gelingt, das ganze an der einen oder anderen Stelle ein bisschen zu glätten, dann ist das eine gute Basis für eine gemeinsame Zusammenarbeit.

    Engels: Die Unionsspitze leistet sich ja derzeit einige Separatansichten. Der thüringische Ministerpräsident Althaus will beispielsweise die Steuerreform vorziehen. Horst Seehofer hatte lange Zeit eine eigene Meinung bei der Gesundheit. Friedrich Merz nun auch Zweifel in Sachen Gesundheit. Geschlossene Oppositionsarbeit sieht anders aus?

    Rüttgers: Da bin ich nun völlig anderer Meinung. Wenn Parteien immer nur mit einer Stimme reden, dann sind sie langweilig und dann geht übrigens auch nichts weiter, auch nicht für die Menschen und das Land. Wir werden übrigens - das kann ich Ihnen jetzt schon vorhersagen - in den nächsten Wochen intensive Diskussionen in der Union bekommen und das ist auch gut so. Wir müssen jetzt bis Ende des Jahres die verschiedenen Reformbaustellen nach meiner festen Überzeugung mal im Zusammenhang sehen. Schauen Sie, da diskutieren wir über die Gesundheitsreform. Jeder weiß, das sind Belastungen für die Versicherten, für die Krankenversicherten und damit für die Menschen. Es wird im Herbst eine Debatte über die Rentenreform beginnen. Dann gibt es noch die Frage der Reform der Pflegeversicherung. Dann kriegen wir zum Beispiel hier in Nordrhein-Westfalen eine neue NRW-Steuer für Wasserentnahme noch draufgeknallt. Irgendwann stellt sich ja auch mal die Frage, ob die Normalverdiener, die jeden Morgen arbeiten gehen, das alles noch geschultert bekommen. Ich habe mir jetzt noch mal angeguckt, Frau Engels, was zum Beispiel eine Kommissaranwärterin verdient. Die kriegt 829,58 Euro im Monat. Oder ein Polizeikommissar mit zwei Kindern bekommt 2338,23 Euro. Da können sie nicht immer nur draufpacken. Deshalb ist auch so wichtig - und das muss die Union auch machen -, dass wir jetzt über die Steuerreform diskutieren, denn da liegt ja dann die Entlastung.

    Engels: Auf der anderen Seite will man ja gerade Subventionen und Steuervergünstigungen abbauen und seit gestern liegt da ein Vorschlag von der SPD-Regierung auf dem Tisch, zumindest nach Quellen des Bundesfinanzministeriums. Danach sollen ja die Steuervergünstigungen im Zuge der Pendlerpauschale auf nur noch 15 Cent pro Kilometer abgebaut werden. Der Unmut ist groß, aber haben Sie nicht Verständnis, dass man hier beschneiden muss?

    Rüttgers: Ich habe Verständnis für Subventionsabbau. Ich bin dafür, dass wir die Steinkohlesubventionen runterfahren. Es kann auch nicht sein, dass wir die Windenergie jetzt stärker fördern als die Steinkohle. Das sind alles diese Finanzhilfen. Da geht die Bundesregierung und auch die nordrhein-westfälische Landesregierung nicht richtig ran. Gleichzeitig wird dann wieder denjenigen, die morgens lange Strecken zur Arbeit fahren müssen, voll in die Kasse gegriffen. Das sind dann für diese Menschen Steuererhöhungen. Wissen Sie, die Leute müssen doch verzweifeln. Da rennen Politiker durch die Landschaft, erzählen ihr müsst mobiler sein, wenn ihr arbeitslos werdet, müsst ihr auch Jobs annehmen, die weiter weg sind, und dann gehen sie voll an die Pendlerpauschale ran. Das ist gerade für den ländlichen Raum und die Menschen, die dort wohnen und die lange Strecken fahren müssen, natürlich ein voller Schlag ins Kontor.

    Engels: Andererseits fragen sich andere, warum denn preiswerterer Wohnraum auf dem Land im Vergleich zur teureren Stadt subventioniert wird?

    Rüttgers: Ganz einfach deshalb, weil inzwischen die Preise in den Städten für einen Normalverdiener völlig unbezahlbar sind. Wenn sie Städte in Deutschland haben, nehmen Sie etwa München mit 900 Euro pro Quadratmeter Grundstück, oder nehmen Sie Düsseldorf mit über 400 Euro pro Quadratmeter, dann kann ein Normalverdiener, der vielleicht auch noch Kinder hat, sich ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung nicht mehr leisten. Gerade diese mittleren Schichten kommen durch die Politik der Bundesregierung in eine schon existenzielle Schieflage.

    Engels: Nun ist das für die einzelnen bestimmt bedenklich. Andererseits: wo soll denn nun gespart werden?

    Rüttgers: Ich habe schon zwei Beispiele gesagt. Wenn man über Subventionsabbau spricht - und wir haben, auch ich persönlich, hier mit der CDU in Nordrhein-Westfalen für die nächsten Jahre Vorschläge im Umfang von 50 Milliarden Euro gemacht -, dann muss man an die Steinkohle ran, dann muss man an die Windenergie ran. Dann muss man darüber nachdenken, ob man wirklich weiter Mietskasernen in einem Umfang fördert, dass sie nachher leer stehen, Stichwort Plattenbauweise und ähnliches. Da gibt es eine Fülle von Sachen, die man sich dann kritisch angucken muss und die nicht direkt durchschlagen, die übrigens auch nicht, wie die neuen Steuern hier in Nordrhein-Westfalen, wachstumsschädlich sind.

    Engels: Ein neuer Vorschlag kommt nun auch aus Berlin. Die Bundesregierung will laut einem Sprecher des Bundesfinanzministeriums für Besserverdienende schon vom kommenden Jahr an die steuerfreien Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge streichen. Kann man denn hier einsparen?

    Rüttgers: Das ist jetzt wieder eine Reaktion auf eine Debatte, die wir in der vorigen Woche geführt haben, als ja bekannt geworden ist, dass etwa die Fußballspieler einen Teil ihrer Einkommen über Nachtarbeits- und Schichtzuschläge bekommen. Die waren nun wirklich nicht für Einkommensmillionäre gedacht. Insofern finde ich das im Kern richtig.

    Engels: Da wird also die Union auch im Bundesrat im Zweifelsfall zustimmen, aber ansonsten nichts?

    Rüttgers: Das werden wir uns jetzt angucken, was da an konkretem Vorschlag kommt. Bei der Bundesregierung ist ja immer das Problem, dass das an einer guten Idee verkauft wird und dann die Einzelheiten meistens so sind, dass es wieder ins Gegenteil geht. Also da, wo die Einkommensmillionäre, diejenigen, die auch ihr Einkommen ins Ausland verlegen und dann hier keine Steuern zahlen, zur Kasse gebeten sind, da wird die Union mitmachen. Das ist eine Sache, die die Leute auch unmutig macht, die hier sind, hier ihre Arbeit machen und diejenigen, wo sie die Eintrittskarten bezahlen, die sie auch durch ihr Geld, die CDs, die sie kaufen, finanziell unterstützen, die daran verdienen, die zahlen dann hier überhaupt keine Steuern. So etwas tut man nicht!

    Engels: Ihre Prognose zum Schluss: Ist jetzt Ruhe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, oder werden wir bald demnächst den nächsten Kampf zwischen Frau Merkel und Herrn Merz erleben?

    Rüttgers: Einen Kampf zwischen Angela Merkel und Friedrich Merz werden Sie nicht erleben. Ruhe in der CDU ist aber nicht, weil wir uns jetzt vorgenommen haben, bis zu unserem Bundesparteitag Anfang Dezember ein Gesamtkonzept für die zentralen Antworten zu geben, damit die Belastungen in den sozialen Sicherungssystemen auch durch Steuersenkungen in einem neuen vereinfachten Steuersystem kompensiert werden.

    Engels: Das war Jürgen Rüttgers. Er ist der Landes- und Fraktionsvorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen, vielen Dank für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio