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Wahl in den Niederlanden
Rutte auf Partnersuche

Morgen finden in den Niederlanden Parlamentswahlen statt. Kurz vorher trafen Ministerpräsident Rutte und der Rechtspopulist Wilders in einem Fernsehduell aufeinander. Letzterer forderte erneut den Austritt der Niederlande aus der EU. Doch seine Chancen auf eine Regierungsbeteiligung sind minimal.

14.03.2017
    Niederlandes Ministerpräsident Mark Rutte (vorne) und Geert Wilders bei einer TV-Debatte am 13. März 2017 in Rotterdam.
    Niederlandes Ministerpräsident Mark Rutte (vorne) und Geert Wilders (dpa / picture-alliance / Yves Herman)
    Nur wenig scheint vor der Wahl klar: Das bisherige Bündnis der rechtsliberalen VVD mit den Sozialdemokraten kann wahrscheinlich nicht weiterregieren und der Rechtspopulist Geert Wilders wird Mark Rutte als Regierungschef nicht ablösen. Der Ausgang der Wahl ist anderer Hinsicht offen.
    In aktuellen Umfragen ist die VVD von Ministerpräsident Rutte zwar die stärkste Partei. Doch im Vergleich zur Parlamentswahl 2012 bewegt sie sich rund zehn Prozent unter dem damaligen Ergebnis von 26,6 Prozent. Diese neuen Verhältnisse machen eine Prognose über die politische Zukunft der Niederlande schwierig.
    Umfragewerte der wichtigsten Parteien in den Niederlandenvor der Wahl am 15. März 2017
    Die möglichen Wahlausgänge
    Rutte bleibt im Amt: Für Ministerpräsident Mark Rutte besteht trotzdem die Chance, zum dritten Mal nach 2010 und 2012 Regierungschef zu werden. Doch dazu braucht er mindestens drei Partner. Die christdemokratische CDA und die linksliberale D66 wären zwei Möglichkeiten, doch die reichen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aus. Eine weitere Koalitionsmöglichkeit könnte die grüne Partei GroenLinks sein. Ob Ruttes bisheriger Partner, die sozialdemokratische Partei für die Arbeit, nochmal in die Regierung will, gilt als fraglich. Der Partei droht nach den Umfragen die größte Niederlage ihrer Geschichte. Nach 19,6 Prozent im Jahr 2012 liegt sie in den Umfragen bei sieben Prozent.
    Wilders übernimmt: Das rechtspopulistische Element in den Niederlanden ist die Ein-Mann-Partei PVV von Geert Wilders, sie liegt in den Umfragen auf Platz zwei. Fast alle Parteien haben eine Zusammenarbeit mit ihm ausgeschlossen, eine Regierungsbeteiligung für den Rechtspopulisten, der Moscheen schließen und aus der Europäischen Union austreten will, ist also praktisch nicht möglich. 2012 hatte die PVV im Vergleich zu 2010 rund ein Drittel ihrer Stimmen verloren, nun deutet sich wieder ein etwas besseres Ergebnis an. Der niederländische Philologe Loek Geeradts sagte im Deutschlandfunk, Wilders werde vermutlich politisch "keine Rolle spielen".
    Eine Mitte-Links-Regierung: Das wäre eine Überraschung, doch sie ist rechnerisch möglich. Die Sozialdemokraten, die Sozialisten und GroenLinks könnten sich schnell einigen. Sie verstehen sich auch relativ gut mit den Linksliberalen der D66 und der linken ChristenUnie. Aber: Die konservativen Christdemokraten würden wohl nur mitmachen, wenn die Sozialisten aussteigen.
    Eine Minderheitsregierung: Durch die zahlreichen Parteien, die auch mangels einer Sperrklausel - wie es sie mit der Fünf-Prozent-Hürde im Bundestag gibt - in das Parlament einziehen werden, ist auch das nicht ausgeschlossen. Die rechtsliberale VVD könnte eine Minderheitsregierung mit den Christdemokraten und den Linksliberalen bilden. Diese könnte von den Sozialdemokraten, den Grünen und anderen kleineren Parteien geduldet werden.
    Weitere Parteien: Nach den Umfragen hoffen sieben Parteien auf jeweils mehr als zwölf Mandate. Dann folgen vier Parteien, die bei einer Koalitionsbildung wichtig sein könnten: die linke christliche Partei ChristenUnie, die Partei für die Tiere, die Seniorenpartei 50plus und die orthodox-kalvinistische Partei SGP. Spannend wird es für drei neue Parteien, die nach den Umfragen je bis zu zwei Sitze gewinnen könnten. Die europafeindlichen und rechtsnationalen Initiativen, Forum für Demokratie und Für Niederlande (VNL), wollen dem Rechtspopulisten Wilders Konkurrenz machen. Auf der linken Seite hofft die Migrantenpartei Denk, eine Abspaltung der Sozialdemokraten, auf einen Überraschungserfolg. Denk ist unter jungen Migranten sehr populär.
    Die Debatte vor der Wahl
    In einem TV-Duell am Montagabend trafen Rutte und Wilders aufeinander. Wilders verlangte wegen des Streits um Auftritte türkischer Politiker eine Ausweisung des türkischen Botschafters. Rutte lasse sich von Präsident Erdogan als Geisel nehmen. Zudem machte Wilders sich erneut für einen Austritt der Niederlande aus der EU stark. Rutte wies dies als unverantwortlich zurück. Er warf Wilders vor, mit "radikalisierten" und "extremen" Parolen auf Stimmenfang zu gehen. Das TV-Duell war die erste direkte öffentliche Konfrontation der beiden Politiker vor der Parlamentswahl.
    Es wird von Hand gezählt
    Die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments hat 150 Sitze. Sie werden nach dem Verhältniswahlrecht vergeben, es gibt 13 Millionen Wahlberechtigte. Zur Wahl treten 28 Parteien an. Das aktuelle Parlament 2012 waren elf Parteien ins Parlament eingezogen. Durch Abspaltungen sind es nun 17 Fraktionen - so viele gab es noch nie.
    Die Sitzverteilung im niederländischen Parlamentnach der Wahl 2012
    Die Niederländer wählen mit einem roten Buntstift auf Papier. Um Manipulationen auszuschließen, werden die Stimmen von Hand ausgezählt. Dadurch sollen Hackerangriffe fremder Staaten verhindert werden, wie Innenminister Roland Plasterk mitteilte. Die sonst bei Wahlen eingesetzte Software war nach Medienberichten extrem anfällig für Manipulationen von außen. Über der Abstimmung und Auszählung dürfe nicht der Schatten eines Zweifels schweben, betonte der Minister in einem Brief an das Parlament.
    (nch/jasi)