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Wahl in Großbritannien
New Labour war gestern

Labour-Chef Ed Miliband will neuer Premierminister werden und bisher liegt er mit seiner Partei bei den Wahlumfragen mit der regierenden Konservativen Kopf an Kopf. Ob es zum Sieg bei der Parlamentswahl in einem Monat reicht, ist jedoch fraglich, denn Miliband will ausgerechnet die Labour-Ideen über Bord werfen, mit denen Tony Blair einst die Partei modernisierte.

Von Stephanie Pieper | 07.04.2015
    Schiffe fahren auf der Themse vor dem Parlament in London
    Ed Miliband: "Es ist richtig, dass wir New Labour hinter uns lassen." (AFP/ Max Nash)
    Der 1. Mai 1997 ist eingegangen in die Geschichte der Labour Party: Nach 18 mühsamen Jahren in der Opposition erringt die Partei einen grandiosen Wahlsieg – und Tony Blair wird Premierminister:
    Old Labour war: sozialistisch angehaucht, engst mit den Gewerkschaften verbandelt, innerparteilich zerstritten. Bis Blair 1994 den Vorsitz übernimmt – und der Partei eine Radikalkur verordnet: New Labour ist pro Marktliberalismus und pro Wirtschaft, pro Wohlstand und pro Law an Order. Dieser Mut zum Wandel, zu schwierigen Entscheidungen wird belohnt - mit der Rückkehr an die Macht.
    Die Marke New Labour
    Geschlossenheit und Disziplin: Das sind die Maximen der Spin-Doktoren, die die Marke New Labour lange Zeit professionell verkaufen. Doch dann: der Wechsel zu Gordon Brown, der Niedergang, die verlorene Wahl 2010:
    "New Labour did fantastic things for the country. Never let anyone take that away. But what counts is next Labour."
    Mit diesen Worten bewirbt sich Ex-Außenminister David Miliband 2010 um den Parteivorsitz: Niemand soll uns das Erreichte wegnehmen, aber jetzt müssen wir nach vorn schauen. Doch die Labour-Basis entscheidet sich für den Neuanfang, für seinen jüngeren Bruder Ed Miliband, der weiter links steht.
    Neue Generation am Ruder
    Eine neue Generation am Ruder, weg mit den alten Etiketten: Miliband junior trägt den Spitznamen "Red Ed", weil er sich abwendet vom umstrittenen Blair-Kurs – was Andrew Rawnsley, Chef-Kommentator der Wochenzeitung "Observer", teilweise nachvollziehen kann:
    "Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich vom Vermächtnis von New Labour zu distanzieren – weil manches extrem unpopulär war, etwa der Irak-Krieg oder die liberale Haltung zur Zuwanderung. Aber er ging schließlich so weit, zu urteilen, dass die gesamte Ära ein Fehler war."
    Kurswechsel
    Weil Tony Blair als Berater Millionen scheffelt und durch die Welt jettet, meiden Labour-Kandidaten im Wahlkampf heute die Nähe zum Ex-Premier. Den Kurswechsel begründet Miliband nicht zuletzt mit dem jüngsten Finanzcrash: Er ist für die strenge Regulierung der Finanzmärkte, für die stärkere Besteuerung der Reichen, für mehr sozialen Wohnungsbau:
    "Es ist richtig, dass wir New Labour hinter uns lassen. Weil New Labour geschwiegen hat über die gesellschaftliche Verantwortung derer, die ganz oben sind. Und weil New Labour sich nicht getraut hat, die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen."
    Immerhin ist es Miliband gelungen, die Labour Party auch nach der Ära Blair zusammenzuhalten. Aber ein neues griffiges Label für seine Politik hat er bislang nicht gefunden; er versucht es seit einer Weile mit "One Nation Labour", was aber nicht so richtig zündet – und auch Politik-Beobachter Rawnsley nicht überzeugt:
    "Ich meine, es ist ein strategischer Fehler, pauschal das gesamte Erbe von New Labour zu verleugnen. Denn es gibt nach wie vor viele Wähler, die den Ideen von New Labour nahestehen: eine starke Wirtschaft, eine fairere Gesellschaft und funktionierende öffentliche Einrichtungen."
    Blairs Erbe
    Es könnte sich noch als verhängnisvoll erweisen, dass Miliband die Errungenschaften von New Labour über Bord wirft: die Modernisierung der Partei, ihre Attraktivität für eine aufstrebende Mittelklasse, ihr Fokus auf Chancengleichheit. Gleich drei Wahlen hintereinander hat New-Labour-Erfinder Tony Blair gewonnen. Das muss ihm Ed Miliband erst einmal nachmachen.