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Wahl in Israel
"Geschafft, mit der Angst zu mobilisieren"

Der Grünen-Politiker Volker Beck hofft, dass Israels Premier Benjamin Netanjahu seinen "Rechtsdrall-Kurs" wieder korrigiert. Er habe damit zwar Stimmen aus dem rechten Lager mobilisiert, sagte Beck im DLF. Für Israel bedeute ein Sieg rechter Positionen wie die Ablehnung einer Zwei-Staaten-Lösung aber verlorene Jahre.

Volker Beck im Gespräch mit Bettina Klein | 18.03.2015
    Der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck.
    Volker Beck ist Mitglied der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe. (Imago / Sven Simon)
    Bettina Klein: Der Grünen-Politiker Volker Beck ist Mitglied der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe. Welches Signal geht von diesem Wahlausgang in Israel aus?
    Volker Beck: Die beiden großen Parteien, die Zionistische Union wie der Likud, haben dazugewonnen. Man muss sagen, Netanjahu hat es geschafft, im rechten Lager durch seinen Rechtsdrall-Kurs der letzten Tage tatsächlich für den Likud zu mobilisieren. Aber die beiden Lager liegen letztendlich gleich auf und jetzt ist zu hoffen, dass ein Regierungsbündnis zustande kommt, das eine etwas andere Politik als die Vorgängerregierung macht und hier mehr auf Verständigung setzt, die Tür auch für Friedensverhandlungen offen hält beziehungsweise auch etwas aktiv hierfür tut und eine andere Siedlungspolitik macht. Das ist politisch möglich, aber es ist auch politisch möglich, dass es Netanjahu schafft, mit Unterstützung der religiösen Parteien eine Rechtskoalition zusammenzusetzen. Und das wäre nicht leicht für den weiteren Prozess in der Region.
    Klein: Weshalb gab es denn nach Ihrer Beobachtung dann doch nicht die Wechselstimmung, auf die ja viele Netanjahu-Gegner offenbar schon gesetzt hatten?
    Beck: Na ja, man muss sehen: Netanjahu hat es geschafft, doch mit der Angst gegenüber den arabischen Parteien, mit der Angst auch vor einer unsicheren Zukunft hier die Leute wieder zu den Urnen zu mobilisieren. Die israelische Parteienlandschaft ist ja auch sehr divers, und es ist dann eben doch nicht gelungen, hier zu einer klaren Überzeugung bei der Mehrheit der Bevölkerung zu gelangen, die ausreicht, um hier zu sagen, hier geht es voran. Es ist ja auch das Problem bei den Fragen des Friedensprozesses, natürlich durch die unsichere Nachbarschaft, in der Israel lebt - die Situation in Syrien, die Situation mit Gaza und Ägypten -, hier klar zu sagen, jetzt gibt es dafür auch ein klares politisches Angebot. So klar ist die Lage da nicht. Es ist jetzt bloß zu hoffen, dass er das, was Netanjahu die letzten Tage im Wahlkampf gesagt hat, nicht ernst meint und dass er sich hier in seinem Kurs auch korrigiert, sollte er bei einer Regierungsbildung tatsächlich eine Rolle spielen. Weil ansonsten ist das natürlich ein schwieriger Kurs und die neue israelische Regierung - das ist zu wünschen - sollte wenigstens auf ihre engsten Bündnispartner und Unterstützer ein bisschen hören bei der Frage, wie man weiter die Politik gestaltet, und das sind Deutschland, das ist die USA. Alle machen sich Sorgen bei dem, was hier an Stimmen aus dem alten Regierungslager kam.
    "Das ist eine offene Situation"
    Klein: Herr Beck, der israelische Präsident befürwortet ja offensichtlich eine sogenannte Große Koalition, die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit. Man hat ein bisschen den Eindruck, er ist im Augenblick der einzige, der das für eine günstige Variante halten würde, dass sich die beiden Lager zusammenschließen. Was sagen Sie?
    Beck: Es gibt tatsächlich diese drei Varianten. Der Präsident Rivlin setzt darauf, dass ein Bündnis der Großen Koalition, das alleine auch noch keine Mehrheit hätte, die stabilste Variante wäre, damit es nicht innerhalb von ein, zwei Jahren schon wieder erneut zu Neuwahlen kommt. Ob das tatsächlich stabiler ist, da bin ich mir so nicht sicher. Es ist jetzt eine Frage, was Parteien wie Yesh Atid und Kulanu machen. Das sind zwei Parteien in der Mitte. Kulanu ist das erste Mal im israelischen Parlament, Yesh Atid war in der alten Koalition, und da ist die Frage, sind die bereit, ein moderates Bündnis unter der Führung der Zionistischen Union zu unterstützen, oder gehen sie mit Netanjahu zusammen. Das ist eine offene Situation. Die Parteien haben sich auch noch nicht abschließend erklärt, deshalb muss man abwarten.
    Klein: Herr Beck, sie haben gesagt, Sie hoffen, dass Netanjahu das, was er in den vergangenen Tagen gesagt hat, zum Beispiel, dass es mit ihm keine Zwei-Staaten-Lösung geben wird, dass er das nicht so ernst gemeint hat und dass er damit nur versucht hat, Wähler zu gewinnen, vor allen Dingen im rechten Lager. Was, wenn nicht? Was, wenn ein solcher Netanjahu mit einer solchen Position wieder Regierungschef wird?
    Beck: Das wäre schwierig für die Zukunft Israels, weil es einfach verlorene Jahre bedeutet. Weil ich bin überzeugt, dass auf Dauer eine Sicherheit für den Staat Israel nur zu erreichen ist, wenn man auf einen Friedensprozess setzt, der letztendlich auch einen palästinensischen Staat ermöglicht. Aber natürlich muss ein Friedensprozess und Friedensverhandlungen auch konkrete Sicherheitsgarantien für Israel enthalten, und das müssen Sicherheitskomponenten sein, die aus mehr bestehen als Verabredungen auf Papier, weil darauf werden die Israelis auch in ihrer Mehrheit nicht vertrauen und das ist auch angesichts der Lage in der Region nicht unverständlich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.