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Wahlen in Griechenland

Auch wenn die Ratingagentur Standard and Poor's Anfang der Woche wieder mehr Vertrauen in Griechenlands Wirtschaft signalisierte, bleibt der Ausblick auf die Politik instabil: Am Sonntag wird gewählt und Parteien am linken Rand, aber vor allem auch viele offen ausländerfeindliche Parteien könnten die Gewinner der Krise sein.

Von Marianthi Milona | 04.05.2012
    Dass die beiden großen griechischen Parteien bei dieser Wahl nicht mehr auf ihre Stammwählerschaft zählen können, das überrascht in Griechenland kaum jemanden, schon gar nicht diejenigen, die in der freien Wirtschaft tätig sind. Vor allem Besitzer von klein- und mittelständischen Betrieben fühlen sich als die eigentlichen Opfer der griechischen Wirtschaftskrise.
    "Ich kenne inzwischen so viele Menschen in meinem persönlichen Umfeld, die ehrliche Arbeit abliefern wollen und immer noch im Dschungel von Klientelmachenschaften blockiert werden. Ich glaube nicht, dass diese Wahlen etwas Neues bringen werden, solange diese betrügerische Nabelschnur, die den Bürger mit dem jetzigen Politiker-Typus verbindet nicht ein für alle mal getrennt wird."
    Sagt Anestis Christoforidis, Chef der ALTEREN GmbH, einer zehn Mitarbeiter zählenden Firma in Thessaloniki. Wer in Nordgriechenland in erneuerbare Energien investieren will, der lässt sich von ALTEREN beraten. Anestis Christoforidis setzt auf Gründlichkeit, hat sich bei der Firmengründung vor fünf Jahren Expertenrat aus Deutschland geholt.
    Sein Urteil ist streng: Wirtschaftsaufschwung, Korruptions-Bekämpfung, Eindämmung von Steuerhinterziehung… all das sei mit den derzeitigen Köpfen nicht zu erreichen.
    Auch die einst überzeugte PASOK Wählerin, Toula Balkizer, eine Kleinunternehmerin mit einem eigenen Schneidereibetrieb, fühlt sich von den großen Parteien verraten. Allein die Tatsache, dass sich führende Parteimitglieder Staatsgelder in die eigenen Taschen geschleust haben, vor unerlaubten Provisionen nicht zurückgeschreckt sind und bis heute ungestraft davon gekommen sind, reicht für sie aus, um sie nicht mehr zu wählen.
    "Damit sich in Griechenland etwas ändert, wünsche ich mir eine engere Zusammenarbeit der kleinen Parteien. Von mir aus auch mit den Kommunisten, die bisher ja eisern an ihre Oppositions-Rolle im Parlament festhalten, ohne dabei irgendeine Verantwortung zu übernehmen. Erst wenn ich sehe, dass wirklich alle zusammenarbeiten und sich ernsthaft für die Interessen des Landes einsetzen, erst dann lasse ich mich auf eine Reformpolitik ein, die ich dann auch unterstützen würde."
    Akis Altinis, einst fester Stammwähler der Nea Dimokratia weiß bei der anstehenden Abstimmung noch gar nicht was er wählen soll. In seinem Immobilienbüro mit 38 Mitarbeitern am Stadtrand Thessalonikis, eines der größten Unternehmen dieser Art in Nordgriechenland, hat er in den letzten beiden Jahren erleben müssen, dass ausgerechnet sein Metier, gänzlich herunter gewirtschaftet worden ist. Er sieht auch für die Zeit nach den Wahlen keine Besserung und fürchtet, über kurz oder lang auswandern zu müssen.
    "Die drastischen Maßnahmen des zweiten Sparpakets sind zu voreilig von den beiden großen Parteien abgesegnet worden, ohne dass die damit verbundenen Konsequenzen für die Bevölkerung angemessen berücksichtigt worden sind. In der Bau- und Immobilienbranche hat sich deshalb die Lage dramatisch verschärft. Im Augenblick habe ich Null Hoffnung, dass ein Wahlergebnis diese Entwicklung stoppen kann."
    Egal wie am kommenden Sonntag das Wahlergebnis in Griechenland ausfallen wird: Vielen griechischen Unternehmern ist bereits im Vorfeld klar, dass keine der beiden großen Traditionsparteien mehr von einer absoluten Mehrheit träumen kann.