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Wahlen in Kroatien

Serbien taumelt von Krise zu Krise, der bosnische Staat vegetiert seit acht Jahren dahin, Mazedonien driftet auseinander – überall auf dem Balkan herrscht die allertrübste Nachkriegsstimmung. Nur in einem der kriegsbeteiligten Länder der neunziger Jahre ist alles ganz anders: in Kroatien.

Norbert Mappes-Niediek |
    Dabei hatten sich die ersten Nachkriegsjahre auch hier übel angelassen. Präsident Franjo Tudjman, Kriegsherr und Staatsgründer, hatte in Zagreb ein byzantinisches Regime aufgebaut. Er privatisierte die Staatsbetriebe gezielt in die Hände fragwürdiger Patrioten und Parteifreunde - und alles sah so aus, als wollte der Versuch Kroatiens, den Balkan zu verlassen, in der bisher tiefsten Balkanisierung dieses schönen Landes enden.

    Dann starb Franjo Tudjman 77-jährig und angemessen betrauert in einem Zagreber Krankenhaus, und fast über Nacht wurde alles anders. Bei der Parlamentswahl wenige Wochen später siegte die Opposition, und Tudjmans alles beherrschende Partei trat anstandslos und ohne Murren von der Bühne ab. Die Nachfolger regierten manchmal ein wenig turbulent, aber letztlich doch geradlinig und nachvollziehbar.

    Kroatien ist heute, vier Jahre später, noch immer arm, aber die Wachstumsraten sind die höchsten und stabilsten in der Region, und den meisten Menschen geht es heute besser als 1999. Von den vielen Irritationen, die das alte Regime in Europa hervorrief, ist kaum eine geblieben – kein Gedanke mehr daran, dass etwa die OSZE eine Wahl in Kroatien als zwar frei, aber nicht fair bezeichnen könnte, wie es bei der letzten Tudjman-Wahl der Fall gewesen war. Die 600.000 Serben, die einmal hier gelebt haben und von denen die meisten während des Krieges nach Serbien flohen, dürfen zurückkehren und müssen nicht mehr fürchten, belästigt oder gar erneut vertrieben zu werden. Die Tudjman-Partei, heute in der Opposition, ist in sich gegangen und pflegt mit dem Erbe ihres Gründers einen kritischen Umgang.

    So wunderte sich niemand groß, als Kroatien Anfang dieses Jahres nach wohlwollenden Signalen aus Brüssel ganz offiziell einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt hat. Übrig geblieben von den Verhältnissen der Tudjman-Ära sind
    - eine starke, aber politisch isolierte radikale Rechte,
    - eine Abneigung, Kriegsverbrechen der eigenen Seite wirklich entschlossen zu verfolgen und damit eine permanente Meinungsverschiedenheit mit den Anklägern des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag (Den Haach)
    - und sonst nur sehr wenig.

    Der Politikwissenschaftler Zarko Puhovski, einer der kritischsten Geister des Landes, engagierter Menschenrechtler, in der Tudjman-Ära ein unbeugsamer Dissident, kann nur noch vage künftige Gefahren andeuten, wenn man ihn fragt, ob Kroatien heute schon ein ganz normales demokratisches Land ist:

    Fast ein normales demokratisches Land in dem Sinne, dass wir einerseits noch immer viel zu arm sind für eine wirklich funktionierende Demokratie und für viele Leute sind die existenziellen Fragen bei weitem wichtiger als alles andere, und diese Leute sehen keine Unterscheide zwischen den Parteiblöcken. Das ist das Problem, sozial und politisch. Und andererseits wir sind noch immer nicht sicher, ob wir von einem Teil der Rechtsradikalen wirklich keine außersystematische Maßnahmen inklusive einiger Generäle doch noch erwarten können.

    - letzteres eine latente Furcht vor einem immer noch möglichen Militärputsch, für den es aber keine aktuellen Anhaltspunkte gibt.

    In vier Jahren vom Balkanland zum EU-Beitrittskandidaten, vom Armenhaus zum Schwellenland, von der Demokratur zur Demokratie – das ist in der Tat eine beeindruckende Bilanz. Am Sonntag wird in Kroatien wieder gewählt, nicht außer der Reihe, sondern ganz turnusmäßig, wie es sich für ein normales demokratisches Land gehört.

    Regiert wird Kroatien seit Anfang 2000 von einer Koalition der Oppositionsparteien aus der Tudjman-Zeit, einem breiten Spektrum mit ganz verschiedenen Ambitionen und Orientierungen. Die Koalition unter dem sozialdemokratischen Premierminister Ivica Racan hat in den letzten vier Jahren zwar zwei Parteien verloren, eine davon aber schon wieder gewonnen, sich also als erstaunlich stabil erwiesen. Und so tritt das aus der Not geborene Bündnis in fast der gleichen Zusammensetzung wie vor vier Jahren zur Wiederwahl an.

    Ein klarer Fall, sollte man meinen. Aber der Eindruck trügt. Nach den Umfragen erscheint es gut möglich, dass nach der Auszählung der Stimmen am Sonntag Abend an der alten Tudjman-Partei kein Weg mehr vorbeiführt. Dass die "Kroatische Demokratische Gemeinschaft", wie sie sich nennt, die Ha-De-Zett, noch vor Racans Sozialdemokraten stärkste Partei wird, ist sogar sehr wahrscheinlich.

    In demokratischen, regierungsfreundlichen Kreisen ist man über diese Aussicht nicht glücklich. Aber das Entsetzen darüber hält sich doch sehr in Grenzen. Zarko Puhovski:

    Die haben sich programmatisch relativ stark reformiert, das kann man sehen in diesem neuesten Programm, in dem man sehr kritisch wenigstens gegenüber die zweite Periode der Tudjman-Regierung spricht, aber im personellen Sinne kaum, und das ist noch immer hier das Wesentliche, das kann man daran sehen, dass wir nur Fotos von Vorsitzenden sehen können und über Programm weiß niemand etwas.

    Schon wird über eine mögliche Große Koalition spekuliert, an deren Spitze dann wahrscheinlich der HDZ-Vorsitzende Ivo Sanader stehen würde. Vor einem Zurück zu den Verhältnissen der Tudjman-Ära fürchtet sich dennoch niemand. Denn Sanader, der zu Tudjmans Zeit Vize-Außenminister war, hat mit seinem Vorgänger im Amt des Parteichefs wenig gemein. Er ist ein überzeugter Christdemokrat ohne Tudjmans autokratische und pompöse Züge, ein Mann mit politisch annehmbaren Umgangsformen, ohne Hass und ohne persönliche Belastungen aus der Kriegszeit.

    Gleich nach Tudjmans Tod hatte Sanader sich vom gemäßigten Flügel der Partei auf den Schild heben lassen, Leuten, denen die Regierungspraktiken ihrer rechten Parteifreunde schon einige Jahre unheimlich gewesen waren. Es kam zu einer offenen Konfrontation mit dem Flügel der so genannten Herzegowiner um Ivic Pasalic, Leuten, die eine stramm nationale Gesinnung mit erheblicher Geschäftstüchtigkeit verbanden.

    Sanader obsiegte. Um Pasalic und seine Anhänger aus dem Feld zu schlagen, musste er sich freilich mit einer ähnlich unsympathischen Clique in der HDZ verbünden – den Ostslawoniern um Vladimir Seks und Branimir Glavas. Wenigstens Glavas, der Pate der ostkroatischen Stadt Osijek, ist so tief in Kriegsverbrechen und Korruptionsaffären verstrickt, dass er ein Ausscheiden aus der politischen Machtelite womöglich mit einer Gefängnisstrafe büßen müsste. Wie es zwischen den beiden so gegensätzlichen Politikern, dem zivilen Sanader und dem rüden Glavas, wirklich bestellt ist, kann auch Puhovski nicht genau einschätzen.

    Zugespitzt lautet die Frage, ob Herr Sanader der Vorsitzende oder der Sprecher der Partei sei. Ist er nur ein menschliches Antlitz für die Diplomaten, die sehr gute Beziehungen zu ihm haben, und fremde Besucher, oder auch der Mann, der die Partei kontrolliert. Oder, anders gesagt: Kann er ohne Glavas die Partei kontrollieren?

    Die HDZ, die Kroatien die ganzen wilden neunziger Jahre lang regiert hat, mag heute nichts Böses mehr im Schilde führen und entschlossen einen pro-europäischen Weg eingeschlagen haben. Auf jeden Fall aber hat sie noch jede Menge Leichen im Keller – im übertragenen und womöglich auch im wörtlichen Sinne. Die gerichtliche Aufarbeitung dessen, was kroatische Militärs und Politiker im kroatischen und im bosnischen Krieg getan und angeordnet haben, hat eben erst begonnen. Und mancher, der damals schon in Amt und Würden war und heute nach Europa will, muss davor zittern.

    Und selbst wenn die HDZ und einige der Mächtigen von einst sich inzwischen geläutert haben – nicht jeder wird diese Läuterung bereitwillig akzeptieren. Mit seinem EU-Beitrittsgesuch tritt Kroatien schon jetzt auf der Stelle. In Brüssel liegt ein ausverhandeltes und unterschriebenes Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU, das aber nicht in Kraft treten kann, weil Großbritannien und die Niederlande mit der Ratifizierung zögern. Wenigstens in London mischt sich die Skepsis gegenüber der Demokratisierung des Landes mit einer generellen Zögerlichkeit, was weitere Beitrittsrunden angeht. Man stellt Bedingungen.

    Briten und Niederländer verlangen von Kroatien, dass es einen flüchtigen General namens Ante Gotovina nach Den Haag schickt; vorher soll über den Beginn der Beitrittsverhandlungen nicht entschieden werden. Gotovina wird vorgeworfen, Gräuel an bosnischen und serbischen Zivilisten geduldet zu haben. Er hat sich seiner Verhaftung entzogen, meldet sich gelegentlich über seine Anwälte bei der Zagreber Regierung und würde gern mit Den Haag über die Anklagepunkte verhandeln, bevor er sich stellt. Die Haager Ermittler lassen sich darauf natürlich nicht ein.

    Deutschlands Kanzler Gerhard Schröder, der Kroatien Anfang des Monats besucht hat, glaubt den Versicherungen der Regierung in Zagreb, dass sie nicht wisse, wo Gotovina sich aufhält. Aber Briten und Niederländer glauben das nicht. Kommt die HDZ wieder an die Macht, so darf man annehmen, wird es für Gegner des kroatischen EU-Beitritts bald eine Fülle weiterer mehr oder weniger guter Gründe geben, sich zu sperren.

    So gesehen, entscheiden die Wähler in Kroatien am Sonntag auch über die Beitrittsperspektive ihres Landes. Bloß: Sie wissen es nicht, weil die Parteien es ihnen nicht sagen. Die HDZ und ihre Verbündeten haben an diesem möglichen Wahlkampfthema begreiflicher Weise kein Interesse. Mate Granic (Granitsch), Außenminister der Tudjman-Ära, darf sich bei einem Wahlsieg der HDZ ausrechnen, wieder Außenminister zu werden. Er glaubt nicht, dass die europäische Zukunft wichtig wird für die Wahlentscheidung am Sonntag:

    Ich glaube nicht, dass die Europa-Perspektive das wichtigste Kriterium sein wird. Mehr die Wirtschaftsperspektive, Lebensstandard, Wirtschaft, Arbeitslosigkeit, Kampf gegen Korruption – das wird an erster Stelle stehen. Erst danach kommt dann klarerweise die europäische Perspektive und die Lösung der Probleme mit den Nachbarländern.

    Der Grund dafür, dass es nicht um Europa geht, liegt nach Granic paradoxer Weise gerade in der Skepsis der Briten und Niederländer und in ihrem Beharren auf der Auslieferung von Gotovina. Die Regierung Racan hat im März mit ihrem Beitrittsgesuch enorm an Popularität gewonnen. Jetzt, kurz vor der Wahl, kommt ihr das Thema Europa nicht mehr zugute. Granic:

    Bis vor ein paar Monaten war die europäische Perspektive das stärkere Argument für die gegenwärtige Regierung. Jetzt ist das nicht mehr so. Nachdem Großbritannien das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen nicht ratifiziert hat und die Niederlande es nicht notifiziert haben, ist ganz sicher, dass Europa kein Argument mehr für die Regierung ist. Sicher ist, dass die EU mit unserer Kandidatur erst einmal abwarten wird, wie sich die neue Regierung macht, und dann wird es sicher zu einer Entscheidung über die Kandidatur kommen.

    Natürlich ist Granic bemüht, die zu erwartenden Probleme mit Brüssel und den europäischen Hauptstädten kräftig herunterzuspielen.

    Die Politik der neuen Regierung wird viel entschlossener und viel klarer sein. Das bedeutet, dass wir bei der Justizreform und die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats mehr erreichen können. Das Flüchtlingsproblem ist heute ehr ein wirtschaftliches denn ein politisches, das stimmt, und wir werden es gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft auf transparente Art endgültig lösen. Und was die Zusammenarbeit mit dem Haager Gerichtshof angeht, glaube ich fest, dass es da keine größeren Hindernisse geben wird, denn alle Verdächtigen und alle, mit denen die Haager Ermittler gesprochen haben, haben ja gesagt, dass sie sich freiwillig stellen wollen.

    Und neue Fälle werde es nicht mehr geben, glaubt Granic - eine sehr optimistische Annahme, die schon andere gehegt haben und die immer wieder enttäuscht wurde. Auch der erfahrene Außenpolitiker muss auf die öffentliche Meinung in seinem Land Rücksicht nehmen und transportiert selbst die Illusionen, die Haager Ermittler seien womöglich irgendwelchem Gefeilsche mit dem gesuchten Gotovina um einzelne Anklagepunkte zugänglich.

    Und was den General Gotovina angeht, ist es ganz klar unser Ziel, dieses Problem mit Den Haag zu lösen. Das heißt, dass wir seinen Anwälten die von ihm verlangten Unterlagen übergeben, dass die Anwälte mit dem Haager Tribunal in Verbindung treten und dass sie einfach versuchen, eine Lösung zu finden.

    Westeuropa schickt den kroatischen Wählern eine Botschaft, wie sie klarer nicht sein könnte: Wählt diese Regierung Racan und nicht die HDZ! So hört man es deutlich in den Zagreber diplomatischen Vertretungen, bei den Niederlassungen westeuropäischer Banken und Konzerne. Premier Racan wurde von Kommissionspräsident Romano Prodi zum Handschlag empfangen, Gerhard Schröder bekannte in Zagreb sogar, dass sein Herz für Racans sozialdemokratische Partei schlage. Selbst die europäischen Christdemokraten, zu denen die HDZ sich zählen darf, lassen indirekt, aber deutlich erkennen, dass sie die Zeit für einen neuerlichen Machtwechsel in Zagreb noch nicht für gekommen halten. Trotzdem kommt die Botschaft erstaunlicher Weise nicht richtig an. Die Wähler wissen nicht, dass sie über ihre europäische Perspektive entscheiden. Puhovski beschreibt den paradoxen Zusammenhang so:

    Nein, das ist nicht den Wählern bewusst und das kann nicht bewusst sein, weil wir so genannte Double-bind-Nachrichten von der Europäischen Union bekommen haben. Wenn man nämlich sagt, dass in der Tat die Frage des Generals Gotovina die wesentliche Frage, wie das die englische Diplomatie formuliert hatte, für die Assoziation der kroatischen Gemeinschaft in die EU sei, dann ist es klar, dass die HDZ die Partei ist, die viel mehr Chancen hat, Gotovina nach Den Haag zu schicken als die Sozialdemokraten und ihre Koalitionspartner. Wenn aber alle anderen Sachen in betracht genommen sind, dann hat SDP einen klaren Vorsprung. Aber da die Sachen nicht klar sind, haben beide Seiten gute Gründe zu behaupten, sie wären die besseren Kandidaten für den so bald wie möglichen Beitritt Kroatiens in die Europäische Union.

    So trägt die Reserve der Europäer gegen einen baldigen EU-Beitritt Kroatiens dazu bei, die entschieden pro-europäischen Strömungen im Lande zu schwächen – ein fataler Zusammenhang, den man auch schon in der Türkei hat beobachten können. Schon 2008 könnte Kroatien Mitglied sein, hat die Kommission in Brüssel verlauten lassen. Und EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen ist eigens in der Woche vor der Wahl noch einmal nach Zagreb gereist.

    Aber die Skepsis in London und Den Haag hat diesen größten Trumpf der amtierenden Regierung so gut wie neutralisiert. Die Koalition unternimmt gar keine Anstrengungen, die Wähler mit dem Thema Europa zu mobilisieren. Bei den Liberalen etwa hört sich die Rede von der europäischen Perspektive wie eine ferne Utopie an, voll beladen mit allen liberalen Wünschen für eine bessere Zukunft, aber auch mit konservativen Ängsten, und von der baldigen Realisierung möglichst weit entrückt. Andrea Feldman, Außenpolitikerin und Vize-Chefin der liberalen Regierungspartei:

    Man muss den kroatischen Wählern die Wahrheit sagen. Und die Wahrheit ist, dass wir uns von Grund auf ändern müssen, wenn wir bleiben wollen, was wir immer waren, nämlich ein europäisches Volk. Da zitiere ich natürlich den italienischen Schriftsteller Tommasi di Lampedusa: Manchmal müssen die Dinge sich von Grund auf ändern, damit alles bleibt, wie es ist. Unsere Überzeugung ist, dass es am schwersten sein wird, unsere Mentalität zu ändern, unser Verhältnis zur Arbeit, die kostentreibenden Strukturen unserer Institutionen, diese schwere Bürokratisierung, die Kroatien beherrscht, und dass es eigentlich am schwersten ist, sich solchen Herausforderungen zu stellen. Sie sind sicher sehr groß, aber ich habe keinen Zweifel, dass es in Kroatien dafür die nötigen Kräfte gibt, wo diese Herausforderung sehr tapfer aufgenommen wird.

    Manches, was die Regierung in den letzten Wochen und Monaten getrieben hat, lässt in der Tat den Schluss zu, dass es für sie Wichtigeres gibt als Europa. Seit der Unabhängigkeit pflegt das Land etwa einen Grenzstreit mit Slowenien, ein Gezerre um die Meeresgrenze in der Bucht von Piran, bei dem die Kroaten gegen das künftige EU-Mitglied Slowenien nichts gewinnen, aber an Ansehen in Brüssel viel verlieren können. Nun hat die Zagreber Regierung den Streit noch verschärft, indem sie in der Bucht eine so genannte "Ökologie- und Fischereizone" eingerichtet hat und den Slowenen droht, durchfahrende Schiffe aufzubringen. Dass die Maßnahme etwas mit Fischerei oder gar mit Ökologie zu tun hätte, glaubt niemand. Puhovski:

    Das war eine Provokation der Bauernpartei nach der keine andere Wahl den anderen geblieben ist als sich als patriotisch handelnde Politiker zu zeigen, also man konnte da nicht mehr nein sagen. Wenn eine Person die Initiative ergreift, sind praktisch alle andere in der Position, ihnen zu folgen.

    Die Bauernpartei ist die konservative Kraft in der sozialdemokratisch geführten Koalition – weil sie den konservativen Wählern klar machen muss, dass ihre Anliegen bei ihr besser aufgehoben sind als bei der oppositionellen HDZ, ist sie besonders um ihr Profil bedacht und gibt sich gern besonders national. Dass aber vor nationalen Themen alle Parteien von rechts bis links brav ihre Verbeugung machen müssen, zeigt auch, dass Kroatien eben ganz so normal und EU-reif doch noch nicht ist. In europäischen Hauptstädten geht seit geraumer Zeit die Rede, der Balkan müsse doch dankbar sein für das Engagement der Europäer dort – man müsse das viele Geld dort nicht ausgeben und die gebündelten Verwaltungshilfen nicht dorthin exportieren. Am Sonntag könnte diese Stimmung von den kroatischen Wählern Auftrieb bekommen – bitte, könnte die Botschaft aus Zagreb an Brüssel lauten, so wichtig seid ihr für uns auch gar nicht.