Nichts erinnert mehr daran, dass hier noch vor wenigen Jahren Metallwände standen, Armeeposten jede Handtasche durchsuchten, jedes geparkte Auto eine Bombe enthalten konnte. Damit ist es seit sechs Jahren vorbei. Die IRA hält sich an ihren Waffenstillstand, das Karfreitagsabkommen sieht eine demokratisch legitimierte Selbstverwaltung unter proportionaler Beteiligung der katholischen Minderheit vor, und nun soll zum zweiten Mal die Nordirland-Versammlung gewählt werden, das nordirische Parlament. Doch in der Belfaster Innenstadt deutet nichts auf Wahlkampf hin – keine Plakate, keine Stände der Parteien. Stattdessen spielt ein Straßenmusikant Donovans Lied vom allgegenwärtigen Soldaten:
Der Musikant heißt Rab the Busker, ein Belfaster Original im schwarzen Anzug und mit Bowlerhut. Auf die Frage, wie er die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden in Nordirland beurteilt, kommt eine Antwort, die so pessimistisch ist wie das Lied von Donovan. Viel Hoffnung habe er nicht. Die Leute machten sich etwas vor:
Not much hope, I wouldn’t say. People are just deluding themselves, you know.
Die Fußgängerzone schließt sich an den großen Platz Donegall Square im Zentrum Belfasts an, der von der monumentalen City Hall dominiert wird, dem viktorianischen Rathaus der Stadt. An den schmiedeeisernen Gittern vor dem Rathaus versammelt sich jeden Nachmittag die Jugend der Stadt, Punks und Gymnasiasten, Skateboard-Artisten und Heavy Metal–Fans. Den Höhepunkt der Unruhen in Nordirland haben sie nicht erlebt, doch fragt man sie nach dem Stand des Friedensprozesses, kommen ebenfalls skeptische Antworten. Das funktioniere nicht, ist zu hören, "Waffen!”, wirft ein anderer ein:
It’s not working – it’s fucked up – guns! …
Es gebe weiterhin "sectarian attacks”, wie man in Nordirland die Angriffe von Protestanten auf Katholiken und umgekehrt nennt. Vor allem die paramilitärischen Protestantengruppen, die so genannten "Loyalists”, würden unschuldige Menschen attackieren. Und die Real IRA lege nicht ihre Waffen nieder, sondern setze ihre Terrorkampagne fort. Das sei nicht in Ordnung.
… and the Real IRA are not decommissioning properly. They’re continuing their terror campaign, and it’s not right!
Und vor der IRA sollte man zunächst die protestantischen "Loyalists” entwaffnen, denn die verkauften Drogen an Kinder, Kokain usw., und die Kinder glaubten, das sei Zucker. Den Kindern würden Drogen verkauft, damit man Waffen kaufen könne.
… they just want to make money to buy guns.
Sechs Jahre nach dem Inkrafttreten des bis heute eingehaltenen Waffenstillstandes der IRA erregt noch immer die Frage illegaler Waffen die Menschen in Nordirland. Sie ließ im Oktober vergangenen Jahres auch einmal mehr und bis heute die nordirische Selbstverwaltung unter proportionaler Beteiligung der Katholiken scheitern, wie es das Karfreitagsabkommen vorsieht. Die jüngsten Schwierigkeiten, so der damalige Nordirlandminister John Reid am 14. Oktober 2002, gingen auf den Verlust von Vertrauen und Zuversicht auf beiden Seiten der Bevölkerung zurück:
The recent difficulties in Northern Ireland stem from a loss of confidence, and a loss of trust on both sides of the community.
Die vierte Suspendierung der nordirischen Selbstverwaltung, in der Protestanten und Katholiken entsprechend der Wahlergebnisse ihrer Parteien gleichberechtigt vertreten sind, war aus Sicht der britischen Regierung unvermeidlich geworden, nachdem die Ulster Unionist Party unter Führung des Ersten Ministers David Trimble mit dem Auszug aus dem Mehrparteienkabinett für den Fall gedroht hatte, dass die Sinn Fein–Minister im Amt blieben. Die Sinn Fein–Partei gilt als politischer Arm der IRA, der zuvor Spionageaktivitäten im nordirischen Polizei- und Regierungsapparat vorgeworfen worden waren. Außerdem hatte es in Belfast seit Jahresbeginn immer wieder Straßenschlachten entlang der Grenzlinien zwischen katholischen und protestantischen Arbeitervierteln gegeben, für die nicht nur protestantische Extremisten, sondern auch die IRA verantwortlich gemacht wurde.
Hinzu kam die nur zögernd vorgenommene Selbstentwaffnung der IRA. Die Unabhängige Internationale Entwaffnungskommission für Nordirland unter dem Vorsitz des kanadischen Ex-Generals John de Chastelain hatte bis zum Oktober 2002 lediglich zwei Abrüstungsschritte der IRA bestätigt, ohne Einzelheiten zur Art und zum Umfang der unbrauchbar gemachten Waffen zu nennen, da der IRA Vertraulichkeit zugesichert worden war. All diese Vorgänge veranlassten die Regierung in London zu einer grundsätzlichen Neubesinnung im nordirischen Friedensprozess. Dort sei nun die Zeit gekommen, so Nordirlandminister Reid, sich zwischen Gewalt und Demokratie zu entscheiden:
The time has come for people to face up to that choice between violence and democracy.
Einige Tage später, am 18. Oktober 2002, brachte Premierminister Tony Blair in einer Rede in Belfast das Problem auf eine knappe Formel:
"Wir können nicht weitermachen, solange die IRA im Friedensprozess halb drinnen und halb draußen steht, weil das nicht länger richtig ist und weil es auch nicht mehr funktioniert.
Sinn Fein–Präsident Gerry Adams antwortete darauf indirekt am 26. Oktober 2002 auf einer Veranstaltung seiner Partei und gab sich kooperativ:
Wenn Ihr mich also fragt, ob ich mir eine Zukunft ohne die IRA vorstellen kann, lautet die Antwort selbstverständlich: Ja! Und wer kann die IRA am meisten beeinflussen? Die britische Regierung, die Unionisten, die irische Regierung und natürlich auch wir. Wir alle müssen dafür sorgen, dass Politik funktioniert.
Nach monatelangen diskreten Verhandlungen wurden Anfang März in Belfast Gespräche der Regierungen in London und Dublin mit den Parteien anberaumt, die das Karfreitagsabkommen unterstützen. Als sie ergebnislos verliefen, verschob die britische Regierung die für Anfang Mai vorgesehene Neuwahl der Nordirland-Versammlung um vier Wochen, um Zeit für weitere Verhandlungen zu erhalten. Denn die Wahl sollte nur stattfinden, wenn anschließend auch die Wiedereinsetzung der nordirischen Regionalregierung gewährleistet war.
Voraussetzung dafür war nach Ansicht von Unionistenführer David Trimble allerdings, dass die IRA ihren so genannten "Krieg” förmlich für beendet erkläre, transparente Entwaffnungsschritte vornehme und alle paramilitärischen Aktivitäten einstelle. Trotz intensiver Gespräche zwischen allen Seiten gelang es aber bis Ende April nicht, die IRA zu weiteren Zugeständnissen zu bewegen.
Am 1. Mai wurde die Verschiebung der Nordirlandwahl auf den Herbst bekannt gegeben. Einen Tag vorher hatte Gerry Adams noch erklärt, aus Sicht der IRA-Führung werde es keine Aktivitäten geben, die in irgendeiner Weise den Friedensprozess oder das Karfreitagsabkommen untergraben:
The IRA leadership is determined that there will be no activities which will undermine in any way the peace process and the Good Friday Agreement.
Doch das genügte Tony Blair und seinem irischen Amtskollegen Bertie Ahern nicht mehr. Premierminister Blair gab am 1. Mai die Veröffentlichung einer Gemeinsamen Erklärung der Regierungen in London und Dublin bekannt – ein Fahrplan für die Erfüllung noch offener Punkte des Karfreitagsabkommens. Zentraler Punkt war Paragraph 13, ein langer Katalog so genannter "paramilitärischer Aktivitäten”, die als Voraussetzung für die weitere Normalisierung in Nordirland einzustellen seien. Würde die IRA solche Aktivitäten weiterhin autorisieren oder nicht, lautete Blairs Frage:
Will those activities continue to be authorized or not by the IRA – Yes or No?
Zugleich wurde die Einrichtung einer Internationalen Monitorkommission zur Überwachung paramilitärischer Aktivitäten beschlossen. Nach weiteren Gesprächen hinter den Kulissen gab es vor vier Wochen erneut Hoffnungen auf einen Durchbruch im Friedensprozess, der die Wiedereinsetzung der Selbstverwaltung ermöglichen sollte. In einer sorgfältig choreographierten Abfolge von Erklärungen gab die britische Regierung am frühen Morgen des 21. Oktober den 26. November als Wahltermin in Nordirland bekannt. Tony Blair und Bertie Ahern reisten nach Belfast, wo Sinn Fein - Präsident Gerry Adams sodann erneut die feste Absicht seiner Partei bekräftigte, am Friedensprozess festzuhalten. Als nächster trat John de Chastelain vor die Presse, um namens der Entwaffnungskommission für Nordirland zu bezeugen, dass die IRA erneut einen Teil ihrer Waffen unbrauchbar gemacht hatte:
Es handelte sich um leichte, mittelschwere und schwere Waffen und dazu passende Munition, automatische Waffen mit Munition, Sprengstoff und anderes explosives Material. Die unbrauchbar gemachte Waffenmenge war größer als beim vorherigen Ereignis dieser Art.
Letzter Teil der vereinbarten Sequenz der Ereignisse, war die Zusage von David Trimbles Ulster Unionist Party, der größten Protestantenpartei, sich nunmehr erneut an einer Regionalregierung unter Einschluss von Sinn Fein zu beteiligen. Doch Trimble war mit dem IRA-Entwaffnungsverfahren nicht einverstanden und vermisste größere Transparenz:
What we needed in this situation was a clear, transparent report of major acts of decommissioning. Unfortunately, we have not had that.
Und deshalb stoppte er die so sorgfältig vorbereitete Friedenschoreographie:
We are in effect now putting the sequence on hold!
Die Wahlen zum Regionalparlament sollen nun dafür sorgen, dass der demokratische Prozess in Nordirland trotzdem weitergeht. Denn ein gewisses Maß an Normalität ist in Nordirland fünfeinhalb Jahre nach dem Karfreitagsabkommen nicht nur in den Einkaufszentren der Städte eingetreten.
Duncan Morrow, der Geschäftsführer des Community Relations Council, einer bereits 1990 gegründeten Einrichtung zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen Nordirlands:
Gegenüber anderen Zeiten passieren jetzt Sachen, die früher nie möglich waren, z.B. im Fernsehen. Alle Parteien sitzen zusammen. Das ist normal in anderen Ländern. Aber vor zwei Jahren war das noch nicht möglich, vor zehn Jahren war das absolut unmöglich. Und vor zwanzig Jahren war es z.B. Republikanern nicht erlaubt, ins Fernsehen zu kommen.
"Republikaner” – das sind jene Kräfte, die mit Waffengewalt die britische Präsenz in Nordirland beenden wollten. Splittergruppen wie die Real IRA und die Continuity IRA halten an diesem Kurs fest, nicht aber die IRA und ihr politischer Ableger, die Sinn Fein–Partei, die ihre frühere Doppelstrategie "mit Gewehr und Stimmzettel” nun zugunsten des Stimmzettels geändert hat.
Der Wahlkampf in Nordirland wird ohne großen Aufwand geführt. Man sucht vergeblich nach großen Stellwänden, auf denen die Parteien sich den Wählern empfehlen. Wenn überhaupt, hängen an den Laternenpfählen oder Bäumen einfache Plakate mit den Bildern der örtlichen Kandidaten und schlichten Parolen wie "Simply British”, "Einfach britisch”, so der Slogan von David Trimbles Ulster Unionist Party. Programmatische Aussagen sind selten, und darum scheint es auch nicht zu gehen. In Nordirland zu wählen bedeutet, ein politisches Lager zu stärken, sich für oder gegen das Karfreitagsabkommen auszusprechen, für oder gegen die Zugehörigkeit Nordirlands zum Vereinigten Königreich. Duncan Morrow vom Community Relations Council:
Die Leute wählen nicht über Steuern oder über praktische Sachen. Die wählen über ihre politische Identität, sozusagen. Unsere Parteien sind eigentlich dazu verpflichtet, die Grenze zu ändern oder zu verteidigen.
Große Wahlveranstaltungen gibt es nicht mehr, seit sie vor Jahren aus Sicherheitsgründen eingestellt wurden. Der Wahlkampf findet vor allem in den Medien statt, die getreulich über alle Äußerungen der Spitzenkandidaten und die Reaktionen ihrer politischen Gegner berichten. Aber kein Kandidat in Nordirland ist sich zu schade, um in den Wohnvierteln mit Flugblättern von Tür zu Tür zu gehen und sich den Wählern zu empfehlen – auch nicht Friedensnobelpreisträger David Trimble:
(Türklopfer) Good morning! Sorry to disturb you …
In protestantischen Bürgervierteln wie hier in der Stadt Craigavon schlägt Trimble viel Sympathie entgegen. Doch andererseits sind nur wenige seiner Anhänger rundum zufrieden mit den Entwicklungen seit dem Karfreitagsabkommen. Eine Frau in Craigavon:
Sie möchte, dass er dran bleibe. Sie bewundere ihn wegen seiner Direktgespräche mit den Republikanern. Anderen Dingen stimme sie nicht zu, der vorzeitigen Freilassung terroristischer Häftlinge etwa.
Trimbles Ulster Unionist Party, die größte Protestantenpartei Nordirlands, errang 1998 24 der 108 Sitze in der Nordirland-Versammlung und damit das Recht, den Ersten Minister, also Chef der Regionalregierung zu stellen. David Trimble bekleidete dieses Amt während der Phasen, in denen die Selbstverwaltungsorgane nicht suspendiert waren und sagt zu dieser Wahl:
Wir müssen alle einen Weg zum Zusammenleben hier in Nordirland finden. Das ist eine Herausforderung für alle, auch für die DUP!
Denn Trimbles schärfster Gegner ist nicht etwa der "Republikaner” Gerry Adams, sondern Pfarrer Ian Paisley, dessen Democratic Unionist Party DUP vor fünf Jahren 20 Sitze gewann. Die DUP lehnt das Karfreitagsabkommen rundweg ab, übernahm aber dennoch Ministerposten in der Regionalregierung. Die DUP-Minister weigerten sich freilich, gemeinsam mit Sinn Fein–Ministern wie Martin McGuinness, dem einstigen IRA-Kommandanten von Londonderry, am Kabinettstisch zu sitzen. Ian Paisley ist mittlerweile 77, geht leicht gebeugt und hat nicht mehr die Stentorstimme vergangener Jahre. Einen harten Wahlkampf genießt er noch immer, vor allem dann, wenn es gegen David Trimble geht. Der wolle die Union Nordirlands mit Großbritannien zerstören. Die DUP aber sei entschlossen, die Union zu retten:
David Trimble has sought to destroy the Union. He sought to destroy it, and he’s determined to destroy it. But we’re determined to save it!
Sollte die DUP stärkste Partei werden, was die Meinungsumfragen nicht unbedingt nahelegen, will Paisley das Karfreitagsabkommen begraben und ein neues Abkommen aushandeln, das nach seinen Worten keinen Ausverkauf der Interessen der pro-britischen Protestanten vorsieht. Für die Bemühungen der Regierung Blair, IRA und Sinn Fein in den Friedensprozess einzubinden, hat er nur Hohn und Spott übrig:
Vielen Unionisten, der überwältigender Mehrheit der Unionisten fehlt das Vertrauen in die IRA. Wenn der Premierminister uns heute sagt, er wolle den sonnigen Tag abwarten, an dem die IRA etwas sagt, das jedermann zufriedenstellt, ist das ein Rezept für weitere Desaster und nicht für Frieden in unserem gequälten Land.
Auf der Seite der pro-irischen Katholiken schnitt 1998 die Social Democratic and Labour Party SDLP unter Vorsitz des Friedensnobelpreisträgers John Hume mit 24 Sitzen in der Nordirland-Versammlung am besten ab. Die SDLP ist die Partei der so genannten "Nationalisten”, die die Einheit Irlands auf friedlichem Wege anstreben. Bei dieser Wahl steht die SDLP vor dem Problem, dass John Hume mittlerweile den Parteivorsitz an den weit weniger bekannten Mark Durkan abgegeben hat, der im Wahlkampf bemüht ist, die Unterschiede zwischen seiner SDLP und der mittlerweile ebenfalls auf den Kurs der Gewaltfreiheit umgeschwenkten Sinn Fein – Partei herauszuarbeiten:
Wir sind ehrlich, wir haben Integrität. Unsere Politik war immer unsere Politik. Wir mieten, borgen oder kopieren nicht die Politik anderer. Alles, was wir heute sagen, war schon immer unsere Überzeugung.
Die Sinn Fein–Partei mit Hauptquartieren in Belfast und Dublin sieht sich unterdessen bereits als Partei des vereinigten Irland, obwohl sie im irischen Parlament mit nur fünf von 166 Sitzen vertreten ist. In Nordirland ist Sinn Fein weitaus erfolgreicher. Bei den ersten Wahlen zur Nordirland-Versammlung wurde sie mit 18 Sitzen viertstärkste Kraft und stellte zwei Minister, darunter den Bildungsminister Martin McGuinness. Sinn Fein - Präsident Gerry Adams zu den Zielen seiner Partei:
Wir wollen die Einheit Irlands. Kurzfristig muss der Friedensprozess verbessert werden, und dann geht es nach vorn. Als Republikaner sind wir in der besten Ausgangsposition für das Irland von morgen.
Umfragen zufolge könnte die im Laufe des Friedensprozesses mehr in die politische Mitte gerückte Sinn Fein – Partei bei dieser Wahl die SDLP überholen und zur stärksten Katholikenpartei Nordirlands werden – was SDLP-Chef Mark Durkan zurückweist:
Wenn es nach den Medien ginge, wäre dies hier ein klarer Kampf zwischen der SDLP und Sinn Fein. Wir haben es aber mit einer Verhältniswahl zu tun, bei der in jedem der 18 Wahlkreise sechs Abgeordnete gewählt werden. Die Wahlschlacht ist also viel komplexer als das von den Medien behauptete Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der SDLP und Sinn Fein. In vielen Wahlkreisen geht es vielmehr um die Grundsatzentscheidung zwischen der SDLP, die für das Karfreitagsabkommen ist, und der DUP, die dagegen ist.
Die übrigen in der Nordirland-Versammlung vertretenen Parteien, darunter die überkonfessionelle Alliance Party und die ebenfalls überkonfessionelle Frauenpartei Women’s Coalition, gelten als chancenlos. Die große Frage bei dieser Wahl lautet, ob es Ian Paisleys DUP gelingt, politisches Kapital zu schlagen aus der Unzufriedenheit vieler Protestanten über die im Karfreitagsabkommen vereinbarten Zugeständnisse an die Katholiken. Sollte die DUP stärkste Partei werden und das Recht erhalten, den Ersten Minister zu stellen, wäre der Friedensprozess wohl auf Jahre hinaus gelähmt, zumindest so lange, wie Pfarrer Ian Paisley die Partei führt. Ein Dialog mit der Sinn Fein – Partei kommt für ihn erst in Frage, wenn die IRA vollständig entwaffnet und aufgelöst ist und Sinn Fein – Politiker für ihre Sünden gebüßt hätten:
Until you are prepared to repent there will be no dialogue with you!
Bei dieser Wahl geht es also in erster Linie daraum, für welchen Weg sich die Protestanten mehrheitlich entscheiden – für Ian Paisleys rigorose Ablehnung jeder Form einer mit den Katholiken geteilten Macht oder für David Trimbles Bereitschaft, gemeinsam mit Sinn Fein zu regieren, wenn die IRA auf alle paramilitärischen Aktivitäten verzichtet und ihre Waffen zweifelsfrei unbrauchbar macht. Und davon wird es auch abhängen, ob und wann Nordirland trotz seiner Probleme eine demokratisch gewählte Selbstverwaltung erhält wie Schottland und Wales. Duncan Morrow vom überkonfessionellen und überparteilichen Community Relations Council hält dies für möglich:
Kurzfristig gibt es sicherlich noch Probleme, und ich würde sagen, in den nächsten zwei Jahren können wir mehr Verhandlungen sehen. Auf längere Frist bin ich optimistisch, weil ich glaube, dass dieser Friedensprozess nicht so leicht zu beenden ist.
Der Musikant heißt Rab the Busker, ein Belfaster Original im schwarzen Anzug und mit Bowlerhut. Auf die Frage, wie er die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden in Nordirland beurteilt, kommt eine Antwort, die so pessimistisch ist wie das Lied von Donovan. Viel Hoffnung habe er nicht. Die Leute machten sich etwas vor:
Not much hope, I wouldn’t say. People are just deluding themselves, you know.
Die Fußgängerzone schließt sich an den großen Platz Donegall Square im Zentrum Belfasts an, der von der monumentalen City Hall dominiert wird, dem viktorianischen Rathaus der Stadt. An den schmiedeeisernen Gittern vor dem Rathaus versammelt sich jeden Nachmittag die Jugend der Stadt, Punks und Gymnasiasten, Skateboard-Artisten und Heavy Metal–Fans. Den Höhepunkt der Unruhen in Nordirland haben sie nicht erlebt, doch fragt man sie nach dem Stand des Friedensprozesses, kommen ebenfalls skeptische Antworten. Das funktioniere nicht, ist zu hören, "Waffen!”, wirft ein anderer ein:
It’s not working – it’s fucked up – guns! …
Es gebe weiterhin "sectarian attacks”, wie man in Nordirland die Angriffe von Protestanten auf Katholiken und umgekehrt nennt. Vor allem die paramilitärischen Protestantengruppen, die so genannten "Loyalists”, würden unschuldige Menschen attackieren. Und die Real IRA lege nicht ihre Waffen nieder, sondern setze ihre Terrorkampagne fort. Das sei nicht in Ordnung.
… and the Real IRA are not decommissioning properly. They’re continuing their terror campaign, and it’s not right!
Und vor der IRA sollte man zunächst die protestantischen "Loyalists” entwaffnen, denn die verkauften Drogen an Kinder, Kokain usw., und die Kinder glaubten, das sei Zucker. Den Kindern würden Drogen verkauft, damit man Waffen kaufen könne.
… they just want to make money to buy guns.
Sechs Jahre nach dem Inkrafttreten des bis heute eingehaltenen Waffenstillstandes der IRA erregt noch immer die Frage illegaler Waffen die Menschen in Nordirland. Sie ließ im Oktober vergangenen Jahres auch einmal mehr und bis heute die nordirische Selbstverwaltung unter proportionaler Beteiligung der Katholiken scheitern, wie es das Karfreitagsabkommen vorsieht. Die jüngsten Schwierigkeiten, so der damalige Nordirlandminister John Reid am 14. Oktober 2002, gingen auf den Verlust von Vertrauen und Zuversicht auf beiden Seiten der Bevölkerung zurück:
The recent difficulties in Northern Ireland stem from a loss of confidence, and a loss of trust on both sides of the community.
Die vierte Suspendierung der nordirischen Selbstverwaltung, in der Protestanten und Katholiken entsprechend der Wahlergebnisse ihrer Parteien gleichberechtigt vertreten sind, war aus Sicht der britischen Regierung unvermeidlich geworden, nachdem die Ulster Unionist Party unter Führung des Ersten Ministers David Trimble mit dem Auszug aus dem Mehrparteienkabinett für den Fall gedroht hatte, dass die Sinn Fein–Minister im Amt blieben. Die Sinn Fein–Partei gilt als politischer Arm der IRA, der zuvor Spionageaktivitäten im nordirischen Polizei- und Regierungsapparat vorgeworfen worden waren. Außerdem hatte es in Belfast seit Jahresbeginn immer wieder Straßenschlachten entlang der Grenzlinien zwischen katholischen und protestantischen Arbeitervierteln gegeben, für die nicht nur protestantische Extremisten, sondern auch die IRA verantwortlich gemacht wurde.
Hinzu kam die nur zögernd vorgenommene Selbstentwaffnung der IRA. Die Unabhängige Internationale Entwaffnungskommission für Nordirland unter dem Vorsitz des kanadischen Ex-Generals John de Chastelain hatte bis zum Oktober 2002 lediglich zwei Abrüstungsschritte der IRA bestätigt, ohne Einzelheiten zur Art und zum Umfang der unbrauchbar gemachten Waffen zu nennen, da der IRA Vertraulichkeit zugesichert worden war. All diese Vorgänge veranlassten die Regierung in London zu einer grundsätzlichen Neubesinnung im nordirischen Friedensprozess. Dort sei nun die Zeit gekommen, so Nordirlandminister Reid, sich zwischen Gewalt und Demokratie zu entscheiden:
The time has come for people to face up to that choice between violence and democracy.
Einige Tage später, am 18. Oktober 2002, brachte Premierminister Tony Blair in einer Rede in Belfast das Problem auf eine knappe Formel:
"Wir können nicht weitermachen, solange die IRA im Friedensprozess halb drinnen und halb draußen steht, weil das nicht länger richtig ist und weil es auch nicht mehr funktioniert.
Sinn Fein–Präsident Gerry Adams antwortete darauf indirekt am 26. Oktober 2002 auf einer Veranstaltung seiner Partei und gab sich kooperativ:
Wenn Ihr mich also fragt, ob ich mir eine Zukunft ohne die IRA vorstellen kann, lautet die Antwort selbstverständlich: Ja! Und wer kann die IRA am meisten beeinflussen? Die britische Regierung, die Unionisten, die irische Regierung und natürlich auch wir. Wir alle müssen dafür sorgen, dass Politik funktioniert.
Nach monatelangen diskreten Verhandlungen wurden Anfang März in Belfast Gespräche der Regierungen in London und Dublin mit den Parteien anberaumt, die das Karfreitagsabkommen unterstützen. Als sie ergebnislos verliefen, verschob die britische Regierung die für Anfang Mai vorgesehene Neuwahl der Nordirland-Versammlung um vier Wochen, um Zeit für weitere Verhandlungen zu erhalten. Denn die Wahl sollte nur stattfinden, wenn anschließend auch die Wiedereinsetzung der nordirischen Regionalregierung gewährleistet war.
Voraussetzung dafür war nach Ansicht von Unionistenführer David Trimble allerdings, dass die IRA ihren so genannten "Krieg” förmlich für beendet erkläre, transparente Entwaffnungsschritte vornehme und alle paramilitärischen Aktivitäten einstelle. Trotz intensiver Gespräche zwischen allen Seiten gelang es aber bis Ende April nicht, die IRA zu weiteren Zugeständnissen zu bewegen.
Am 1. Mai wurde die Verschiebung der Nordirlandwahl auf den Herbst bekannt gegeben. Einen Tag vorher hatte Gerry Adams noch erklärt, aus Sicht der IRA-Führung werde es keine Aktivitäten geben, die in irgendeiner Weise den Friedensprozess oder das Karfreitagsabkommen untergraben:
The IRA leadership is determined that there will be no activities which will undermine in any way the peace process and the Good Friday Agreement.
Doch das genügte Tony Blair und seinem irischen Amtskollegen Bertie Ahern nicht mehr. Premierminister Blair gab am 1. Mai die Veröffentlichung einer Gemeinsamen Erklärung der Regierungen in London und Dublin bekannt – ein Fahrplan für die Erfüllung noch offener Punkte des Karfreitagsabkommens. Zentraler Punkt war Paragraph 13, ein langer Katalog so genannter "paramilitärischer Aktivitäten”, die als Voraussetzung für die weitere Normalisierung in Nordirland einzustellen seien. Würde die IRA solche Aktivitäten weiterhin autorisieren oder nicht, lautete Blairs Frage:
Will those activities continue to be authorized or not by the IRA – Yes or No?
Zugleich wurde die Einrichtung einer Internationalen Monitorkommission zur Überwachung paramilitärischer Aktivitäten beschlossen. Nach weiteren Gesprächen hinter den Kulissen gab es vor vier Wochen erneut Hoffnungen auf einen Durchbruch im Friedensprozess, der die Wiedereinsetzung der Selbstverwaltung ermöglichen sollte. In einer sorgfältig choreographierten Abfolge von Erklärungen gab die britische Regierung am frühen Morgen des 21. Oktober den 26. November als Wahltermin in Nordirland bekannt. Tony Blair und Bertie Ahern reisten nach Belfast, wo Sinn Fein - Präsident Gerry Adams sodann erneut die feste Absicht seiner Partei bekräftigte, am Friedensprozess festzuhalten. Als nächster trat John de Chastelain vor die Presse, um namens der Entwaffnungskommission für Nordirland zu bezeugen, dass die IRA erneut einen Teil ihrer Waffen unbrauchbar gemacht hatte:
Es handelte sich um leichte, mittelschwere und schwere Waffen und dazu passende Munition, automatische Waffen mit Munition, Sprengstoff und anderes explosives Material. Die unbrauchbar gemachte Waffenmenge war größer als beim vorherigen Ereignis dieser Art.
Letzter Teil der vereinbarten Sequenz der Ereignisse, war die Zusage von David Trimbles Ulster Unionist Party, der größten Protestantenpartei, sich nunmehr erneut an einer Regionalregierung unter Einschluss von Sinn Fein zu beteiligen. Doch Trimble war mit dem IRA-Entwaffnungsverfahren nicht einverstanden und vermisste größere Transparenz:
What we needed in this situation was a clear, transparent report of major acts of decommissioning. Unfortunately, we have not had that.
Und deshalb stoppte er die so sorgfältig vorbereitete Friedenschoreographie:
We are in effect now putting the sequence on hold!
Die Wahlen zum Regionalparlament sollen nun dafür sorgen, dass der demokratische Prozess in Nordirland trotzdem weitergeht. Denn ein gewisses Maß an Normalität ist in Nordirland fünfeinhalb Jahre nach dem Karfreitagsabkommen nicht nur in den Einkaufszentren der Städte eingetreten.
Duncan Morrow, der Geschäftsführer des Community Relations Council, einer bereits 1990 gegründeten Einrichtung zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen Nordirlands:
Gegenüber anderen Zeiten passieren jetzt Sachen, die früher nie möglich waren, z.B. im Fernsehen. Alle Parteien sitzen zusammen. Das ist normal in anderen Ländern. Aber vor zwei Jahren war das noch nicht möglich, vor zehn Jahren war das absolut unmöglich. Und vor zwanzig Jahren war es z.B. Republikanern nicht erlaubt, ins Fernsehen zu kommen.
"Republikaner” – das sind jene Kräfte, die mit Waffengewalt die britische Präsenz in Nordirland beenden wollten. Splittergruppen wie die Real IRA und die Continuity IRA halten an diesem Kurs fest, nicht aber die IRA und ihr politischer Ableger, die Sinn Fein–Partei, die ihre frühere Doppelstrategie "mit Gewehr und Stimmzettel” nun zugunsten des Stimmzettels geändert hat.
Der Wahlkampf in Nordirland wird ohne großen Aufwand geführt. Man sucht vergeblich nach großen Stellwänden, auf denen die Parteien sich den Wählern empfehlen. Wenn überhaupt, hängen an den Laternenpfählen oder Bäumen einfache Plakate mit den Bildern der örtlichen Kandidaten und schlichten Parolen wie "Simply British”, "Einfach britisch”, so der Slogan von David Trimbles Ulster Unionist Party. Programmatische Aussagen sind selten, und darum scheint es auch nicht zu gehen. In Nordirland zu wählen bedeutet, ein politisches Lager zu stärken, sich für oder gegen das Karfreitagsabkommen auszusprechen, für oder gegen die Zugehörigkeit Nordirlands zum Vereinigten Königreich. Duncan Morrow vom Community Relations Council:
Die Leute wählen nicht über Steuern oder über praktische Sachen. Die wählen über ihre politische Identität, sozusagen. Unsere Parteien sind eigentlich dazu verpflichtet, die Grenze zu ändern oder zu verteidigen.
Große Wahlveranstaltungen gibt es nicht mehr, seit sie vor Jahren aus Sicherheitsgründen eingestellt wurden. Der Wahlkampf findet vor allem in den Medien statt, die getreulich über alle Äußerungen der Spitzenkandidaten und die Reaktionen ihrer politischen Gegner berichten. Aber kein Kandidat in Nordirland ist sich zu schade, um in den Wohnvierteln mit Flugblättern von Tür zu Tür zu gehen und sich den Wählern zu empfehlen – auch nicht Friedensnobelpreisträger David Trimble:
(Türklopfer) Good morning! Sorry to disturb you …
In protestantischen Bürgervierteln wie hier in der Stadt Craigavon schlägt Trimble viel Sympathie entgegen. Doch andererseits sind nur wenige seiner Anhänger rundum zufrieden mit den Entwicklungen seit dem Karfreitagsabkommen. Eine Frau in Craigavon:
Sie möchte, dass er dran bleibe. Sie bewundere ihn wegen seiner Direktgespräche mit den Republikanern. Anderen Dingen stimme sie nicht zu, der vorzeitigen Freilassung terroristischer Häftlinge etwa.
Trimbles Ulster Unionist Party, die größte Protestantenpartei Nordirlands, errang 1998 24 der 108 Sitze in der Nordirland-Versammlung und damit das Recht, den Ersten Minister, also Chef der Regionalregierung zu stellen. David Trimble bekleidete dieses Amt während der Phasen, in denen die Selbstverwaltungsorgane nicht suspendiert waren und sagt zu dieser Wahl:
Wir müssen alle einen Weg zum Zusammenleben hier in Nordirland finden. Das ist eine Herausforderung für alle, auch für die DUP!
Denn Trimbles schärfster Gegner ist nicht etwa der "Republikaner” Gerry Adams, sondern Pfarrer Ian Paisley, dessen Democratic Unionist Party DUP vor fünf Jahren 20 Sitze gewann. Die DUP lehnt das Karfreitagsabkommen rundweg ab, übernahm aber dennoch Ministerposten in der Regionalregierung. Die DUP-Minister weigerten sich freilich, gemeinsam mit Sinn Fein–Ministern wie Martin McGuinness, dem einstigen IRA-Kommandanten von Londonderry, am Kabinettstisch zu sitzen. Ian Paisley ist mittlerweile 77, geht leicht gebeugt und hat nicht mehr die Stentorstimme vergangener Jahre. Einen harten Wahlkampf genießt er noch immer, vor allem dann, wenn es gegen David Trimble geht. Der wolle die Union Nordirlands mit Großbritannien zerstören. Die DUP aber sei entschlossen, die Union zu retten:
David Trimble has sought to destroy the Union. He sought to destroy it, and he’s determined to destroy it. But we’re determined to save it!
Sollte die DUP stärkste Partei werden, was die Meinungsumfragen nicht unbedingt nahelegen, will Paisley das Karfreitagsabkommen begraben und ein neues Abkommen aushandeln, das nach seinen Worten keinen Ausverkauf der Interessen der pro-britischen Protestanten vorsieht. Für die Bemühungen der Regierung Blair, IRA und Sinn Fein in den Friedensprozess einzubinden, hat er nur Hohn und Spott übrig:
Vielen Unionisten, der überwältigender Mehrheit der Unionisten fehlt das Vertrauen in die IRA. Wenn der Premierminister uns heute sagt, er wolle den sonnigen Tag abwarten, an dem die IRA etwas sagt, das jedermann zufriedenstellt, ist das ein Rezept für weitere Desaster und nicht für Frieden in unserem gequälten Land.
Auf der Seite der pro-irischen Katholiken schnitt 1998 die Social Democratic and Labour Party SDLP unter Vorsitz des Friedensnobelpreisträgers John Hume mit 24 Sitzen in der Nordirland-Versammlung am besten ab. Die SDLP ist die Partei der so genannten "Nationalisten”, die die Einheit Irlands auf friedlichem Wege anstreben. Bei dieser Wahl steht die SDLP vor dem Problem, dass John Hume mittlerweile den Parteivorsitz an den weit weniger bekannten Mark Durkan abgegeben hat, der im Wahlkampf bemüht ist, die Unterschiede zwischen seiner SDLP und der mittlerweile ebenfalls auf den Kurs der Gewaltfreiheit umgeschwenkten Sinn Fein – Partei herauszuarbeiten:
Wir sind ehrlich, wir haben Integrität. Unsere Politik war immer unsere Politik. Wir mieten, borgen oder kopieren nicht die Politik anderer. Alles, was wir heute sagen, war schon immer unsere Überzeugung.
Die Sinn Fein–Partei mit Hauptquartieren in Belfast und Dublin sieht sich unterdessen bereits als Partei des vereinigten Irland, obwohl sie im irischen Parlament mit nur fünf von 166 Sitzen vertreten ist. In Nordirland ist Sinn Fein weitaus erfolgreicher. Bei den ersten Wahlen zur Nordirland-Versammlung wurde sie mit 18 Sitzen viertstärkste Kraft und stellte zwei Minister, darunter den Bildungsminister Martin McGuinness. Sinn Fein - Präsident Gerry Adams zu den Zielen seiner Partei:
Wir wollen die Einheit Irlands. Kurzfristig muss der Friedensprozess verbessert werden, und dann geht es nach vorn. Als Republikaner sind wir in der besten Ausgangsposition für das Irland von morgen.
Umfragen zufolge könnte die im Laufe des Friedensprozesses mehr in die politische Mitte gerückte Sinn Fein – Partei bei dieser Wahl die SDLP überholen und zur stärksten Katholikenpartei Nordirlands werden – was SDLP-Chef Mark Durkan zurückweist:
Wenn es nach den Medien ginge, wäre dies hier ein klarer Kampf zwischen der SDLP und Sinn Fein. Wir haben es aber mit einer Verhältniswahl zu tun, bei der in jedem der 18 Wahlkreise sechs Abgeordnete gewählt werden. Die Wahlschlacht ist also viel komplexer als das von den Medien behauptete Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der SDLP und Sinn Fein. In vielen Wahlkreisen geht es vielmehr um die Grundsatzentscheidung zwischen der SDLP, die für das Karfreitagsabkommen ist, und der DUP, die dagegen ist.
Die übrigen in der Nordirland-Versammlung vertretenen Parteien, darunter die überkonfessionelle Alliance Party und die ebenfalls überkonfessionelle Frauenpartei Women’s Coalition, gelten als chancenlos. Die große Frage bei dieser Wahl lautet, ob es Ian Paisleys DUP gelingt, politisches Kapital zu schlagen aus der Unzufriedenheit vieler Protestanten über die im Karfreitagsabkommen vereinbarten Zugeständnisse an die Katholiken. Sollte die DUP stärkste Partei werden und das Recht erhalten, den Ersten Minister zu stellen, wäre der Friedensprozess wohl auf Jahre hinaus gelähmt, zumindest so lange, wie Pfarrer Ian Paisley die Partei führt. Ein Dialog mit der Sinn Fein – Partei kommt für ihn erst in Frage, wenn die IRA vollständig entwaffnet und aufgelöst ist und Sinn Fein – Politiker für ihre Sünden gebüßt hätten:
Until you are prepared to repent there will be no dialogue with you!
Bei dieser Wahl geht es also in erster Linie daraum, für welchen Weg sich die Protestanten mehrheitlich entscheiden – für Ian Paisleys rigorose Ablehnung jeder Form einer mit den Katholiken geteilten Macht oder für David Trimbles Bereitschaft, gemeinsam mit Sinn Fein zu regieren, wenn die IRA auf alle paramilitärischen Aktivitäten verzichtet und ihre Waffen zweifelsfrei unbrauchbar macht. Und davon wird es auch abhängen, ob und wann Nordirland trotz seiner Probleme eine demokratisch gewählte Selbstverwaltung erhält wie Schottland und Wales. Duncan Morrow vom überkonfessionellen und überparteilichen Community Relations Council hält dies für möglich:
Kurzfristig gibt es sicherlich noch Probleme, und ich würde sagen, in den nächsten zwei Jahren können wir mehr Verhandlungen sehen. Auf längere Frist bin ich optimistisch, weil ich glaube, dass dieser Friedensprozess nicht so leicht zu beenden ist.