Mittwoch, 17. April 2024

Archiv

Wahlkampf der AfD
Kreisverband auf Kreuzzug

Mit dem Slogan "Gott will es" wirbt der AfD-Kreisverband Saalekreis. Kirchenvertreter distanzieren sich davon, auch deshalb, weil der Satz an die Kreuzritter erinnert.

Von Christoph D. Richter | 10.05.2019
Das Logo der Alternative für Deutschland (AfD) ist am 10.09.2016 in Rendsburg (Schleswig-Holstein) auf dem Landesparteitag der AfD auf Parteibroschüren zu sehen.
Das Logo der Alternative für Deutschland (AfD) auf einer Parteibroschüre (picture alliance / dpa / Markus Scholz)
Der Slogan "Gott will es" mit dem der AfD-Kreisverband Saalekreis um Wähler wirbt, verbunden mit einer übergroßen Jesus-Figur mit Kreuz im Arm und dem Johannes-Spruch: "Ich bin als Licht in die Welt gekommen" hat für Wirbel gesorgt. Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz ist entsetzt, das habe nichts mit dem Christentum zu tun, das sei völlig unchristlich, sagt er in einem Interview. Der Hallenser Pfarrer Karsten Müller, der Kandidat für das Amt des Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland fühlt sich an düstere Kapitel der Christentumsgeschichte erinnert:
"Erschreckt hat mich das eher nicht. Das hat bei mir ein tiefes Kopfschütteln ausgelöst. Und zwar deshalb, weil der Satz aus dem Aufruf zum ersten Kreuzzug stammt."
Die AfD sieht offenbar Gemeinsamkeiten zwischen der Gegenwart und dem Jahr 1095: Damals rief auf der Synode im französischen Clermont Papst Urban II. zum Kreuzzug gegen die Muslime auf, die Jerusalem besetzt hielten. In dessen Folge Kreuzritter – mit dem Ruf "Deus lo vult", Gott will es – ins Heilige Land zogen. Die AfD suche daran Anschluss, wähne man sich doch auch im Kreuzzug gegen die vermeintliche "Invasion" durch muslimische Glaubensanhänger, betont der evangelische Theologe Karsten Müller:
"Also, wenn ich in Kirchengeschichte richtig aufgepasst habe, dann sind die Kreuzzüge nicht gerade Beispiele für die positive Ausstrahlung des christlichen Glaubens. Das wird uns ja bis heute um die Ohren geschlagen. Ich habe das in der DDR auch selber erlebt, dass das Christentum deutlich auf die Kreuzzüge reduziert wurde. Und dass man dieses Motto benutzt, da ist ja der Weg zum Wehrmachtskoppelschloss mit "Gott mit uns" nicht mehr weit entfernt."
Hass im Namen des Herrn
Mit Werbung dieser Art grenze die AfD religiöse Gruppen aus, damit rufe die AfD zum gewalttätigen Kulturkampf gegen Muslime auf, so der 53-jährige Pfarrer Karsten Müller von der Johannesgemeinde in Halle an der Saale. Und ergänzt: Das sei rechter Hass, geführt im Namen des Herrn.
"Sie können da drunter schreiben, die Moslems sind unser Unglück. Und da werde ich als Theologe hellhörig. Wenn eine Religion stigmatisiert wird und die Menschen, die sich zu dieser Religion bekennen: Dann ist äußerste Vorsicht am Platze. Das kann nämlich auch Juden und auch Christen treffen."
Die AfD habe sich mit der Kreuzzugs-Rhetorik selbst entlarvt. Für Müller ist die Wahlwerbung eine gute Hilfestellung, wo man gerade nicht sein Kreuz machen solle.
Die AfD erhofft sich Applaus von rechten Christen, evangelikalen Protestanten, radikalen Freikirchlern, die der EU, der demokratischen Grundordnung nichts abgewinnen und strikt ablehnen. Begriffe wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit oder Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Anders-Gläubigen sind der AfD ein Dorn im Auge, erklärt der Magdeburger Rechtsextremismus-Experte David Begrich. Stattdessen wolle man Zorn erwecken, beschwöre im martialischen Ton den Untergang des Abendlandes.
"Diese Erzählung: Also das Abendland, dass sich verteidigen muss, das Abendland was bedroht ist, das ist ein ideengeschichtlicher Topos, der vor allen Dingen im 19. Jahrhundert bei der Konstitution des Nationenverständnisses in Europa eine zentrale Rolle gespielt hat. Der heute von nationalistischen Strömungen in Europa wieder aufgegriffen wird. Das ist eine Indienstnahme von Religion im Kulturkampfverständnis. Das hat mit Christentum nichts zu tun."
Wobei man hinzufügen muss: Die Vereinnahmung von Gott und Kirche im Wahlkampf ist nichts Neues. Auch die Linke hat es schon getan, beispielsweise im Landtagswahlkampf 2016 in Rheinland-Pfalz. Und warb mit dem Papst im vollen Ornat, drunter stand: "Wenn die Politik wirklich den Menschen dienen soll, darf sie nicht Sklave der Wirtschaft und Finanzwelt sein."
"Das ist nicht illegitim. Aber zu suggerieren, es gebe so etwas wie eine Zwangsläufigkeit zum Christentum und dem Wählen einer Partei, das finde ich unredlich."
AfD: "Legitimes Mittel"
Mit-Initiator der AfD-Wahlwerbung ist Hans-Thomas Tillschneider: Vertreter der radikalen – vom Verfassungsschutz beobachteten – Strömung "Der Flügel" und Kreisvorsitzender der AfD im Saalekreis. Seit kurzem lehrt Tillschneider als Privatdozent an der Universität Bayreuth islamisches Recht.
Er habe großen Respekt vor dem Islam, wiederholt er gern. Aber wenn er eine Moschee sehen wolle, dann möchte er dazu nach Damaskus fahren. Und: Er wolle ein Deutschland das deutsch und nicht islamisch ist. Gerne hätten wir Tillschneider selbst zur Kreuzzugs-Rhetorik der AfD-Wahlwerbung gesprochen, auf Anfragen hat er nicht reagiert. Erst nach einigen Zögern hat sich Oliver Kirchner - der AfD-Fraktionschef im Magdeburger Landtag - zum Vorgehen seines Kollegen Tillschneider geäußert.
"In Zeiten wie diesen, ist das ein legitimes Mittel."
Das Magdeburger AfD-Mitglied Oliver Kirchner ist in der DDR in einem christlich geprägten Elternhaus groß geworden. Wurde aber nicht getauft, seine Eltern hätten ihn vor Repressalien verschonen wollen, erzählt Kirchner. Erst vor ein paar Jahren hat er die Taufe nachgeholt, in der russisch-orthodoxen Kirche in der Republik Moldau. Die Aufregung und Kritik an der AfD-Wahlwerbung des Kreisverbandes Saalekreis sei an den Haaren herbeigezogen.
"Ob Gott das will, dass es die AfD gibt, das ist eine Frage, die man für sich selbst klären muss. Ich sehe aber keine Probleme damit, dass so zu äußern. Muss ich wirklich sagen."
Mit der – wie er sagt - Dominanz des linksliberal-orientierten Lagers innerhalb der Kirchen – könne er nichts anfangen, sagt der Magdeburger AfD-Landtagsabgeordnete Oliver Kirchner noch. Näher lägen ihm da Aussagen des früheren "Spiegel"-Autors und Publizisten Matthias Mattussek, der von der AfD als der einzigen Partei spricht, die die Kirche nicht auf dem Altar des "bunten Konfettiregens der Moderne" opfere.
Verpasste Chance auf dem Kirchentag?
Rechtsextremismus-Experte David Begrich empfiehlt den Kirchen Gelassenheit im Umgang des AfD Wahlkreuzzuges.
"Weil es wirklich eine Vorgehensweise ist, die sehr leicht zu durchschauen ist. Die Frage ist, welche Wählergruppen werden damit angesprochen. Ich kann mir kaum vorstellen, das auch christlich konservative Wählergruppen davon erreicht werden, die spricht man anders an."
Der Evangelische Kirchentag in Dortmund hätte ein Podium sein können, um mit der AfD über deren Wahlwerbung, die Abendland-Rhetorik ins Gespräch zu kommen. Passiert aber nicht, denn die Kirchentagsleitung hat die AfD ausgeladen, was Begrich für einen großen Fehler hält.
"Ich glaube, der Kirchentag bleibt hier hinter seinen Möglichkeiten zurück, hätte diese Herausforderung annehmen sollen. Und hat es sich als Forum, als Kirchentag in diesem Zusammenhang in der Auseinandersetzung mit der AfD zu leicht gemacht."