Freitag, 29. März 2024

Wahlkampf
"Europa ist sehr, sehr fern"

Das geringe Interesse an der Europawahl ist nach Ansicht des Parteienforschers Jürgen Falter in einem Paradoxon begründet. Zwar werde Brüssel als Entscheidungszentrum immer wichtiger, "aber es ist nicht so konkret, wie wir das aus Berlin erleben", sagte Falter im Deutschlandfunk.

Jürgen Falter im Gespräch mit Martin Zagatta | 16.05.2014
    Prof. Jürgen Falter, Politikwissenschaftler, Universität Mainz
    Prof. Jürgen Falter, Politikwissenschaftler, Universität Mainz (picture alliance / Erwin Elsner)
    Europa finde in den Massenmedien nicht täglich statt, sagte der Mainzer Politologe im DLF. "Europa ist fern, es ist sehr, sehr fern: Es gibt keine europäischen Parteien im klassischen Sinne, wie es sie national gibt; die Spitzenkandidaten kennt kaum jemand mit Ausnahme von Herrn Schulz und Herrn Junckers." Vermutlich werde es eine höhere Beteiligung bei der Europawahl geben, da am gleichen Tag die kommunalen Parlamente gewählt werden. "Aber das ist kein genuines Interesse an Europa. (...) Kaum jemand kennt die Strukturen, die Entscheidungsinteresse."
    Ein weiterer Beleg für das geringe Interesse sei das Fernsehduell der europäischen Spitzenkandidaten mit durchschnittlich 160.000 Zuschauern. Die Ursache für die geringe Einschaltquote sind nach Ansicht Falters auch der Sendeplatz auf Phoenix und das "mühsam" anzuschauende Sendungsformat. "Und drittens: Der Europawahlkampf holt die Leute bisher nicht wirklich vor dem Ofen hervor."
    Spitzenkandidatin Angela Merkel
    Überall in Europa hätten eurokritische Parteien "eine gute Konjunktur", sagte Falter. Die AfD etwa ziehe hierzulande ihre Wähler aus allen Lagern; "das sind Protestwähler". Die großen Parteien würden gleichermaßen Stimmen verlieren. Die Union versuche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Spitzenkandidatin sowohl für den lokalen Gemeinderat und als auch für Europa aufzustellen. "Sie strahlt immer noch das Vertrauen aus, das ihr geholfen hat, die Bundestagswahl zu gewinnen", sagte der Parteienforscher. "Dass die SPD nicht gestärkt ist, das liegt immer noch daran, dass die Wähler, die abhanden gekommen sind infolge der Agenda 2010, infolge der Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften, dass die sich noch nicht alle umorientiert haben, dass es sehr schwer sein wird, die zurückzuholen."

    In Kürze lesen Sie hier eine Transkription des Interviews; oder hören es im Audio-Player oben rechts.