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Wahlkampf in der Provinz

Egal welche Parteicouleur - im Süden der USA zählen Patriotismus, Tradition und Glaube besonders viel. Und: Wer den Süden gewinnt, gewinnt meist auch das Weiße Haus. Die Republikaner halten in dieser Region seit Jahrzehnten alle Zügel in der Hand. Doch Barack Obama hat dieses Mal eine realistische Chance, North Carolina - diese Hochburg der Republikaner - für sich zu gewinnen.

Eine Sendung von Barbara Schmidt-Mattern |
    Ein Lied für Kay Hagan. Am 4. November will sie für die Demokraten von North Carolina einen Sitz im Senat in Washington gewinnen. Deshalb kommt Kay Hagan heute beim Parteifrühstück der Demokraten vorbei, im beschaulichen Landkreis Chatham, südlich der Hauptstadt Raleigh. Die Basis ist geschmeichelt, und ein bisschen nervös. Ganz Amerika steckt im Wahlkampffieber, doch hier in der Provinz ganz besonders. Denn in North Carolina finden am 4. November neben den Präsidentschafts- auch die Senats- und Gouverneurswahlen statt. Das hier ist der Süden. Die Hochburg der Republikaner. Seit 32 Jahren hat hier kein Demokrat mehr das Weiße Haus gewonnen, der letzte war 1976 Jimmy Carter, selbst ein Südstaatler.

    Der Gemeinderaum der Holland Kapelle ist groß wie ein Tanzsaal und voller Menschen. Lehrer, Juristen, Rentner: Die - überwiegend weiße - Mittelschicht sitzt an langen Tischreihen, mit blauen Tischdecken. Blau ist die Farbe der Demokraten. Auch der Pfarrer und der Sheriff sind gekommen. Für den Fahneneid erheben sich alle von ihren Stühlen und legen die rechte Hand aufs Herz:

    Egal welche Parteicouleur - im Süden der USA zählen Patriotismus, Tradition und Glaube besonders viel. Und: Wer den Süden gewinnt, gewinnt meist auch das Weiße Haus. Die Republikaner halten in dieser Region seit Jahrzehnten alle Zügel in der Hand. So fest und so lange schon, dass bereits vom Süden als Einparteienstaat die Rede war. Die letzten beiden Wahlen hat hier George Bush gewonnen. Doch jetzt, acht Jahre später, wittern die Demokraten Morgenluft. North Carolina gehört erstmals wieder zu den so genannten Schlachtfeld-Staaten: Hier ist das Rennen zwischen John McCain und Barack Obama völlig offen. Bei den Demokraten im Landkreis Chatham ist der Ruf nach Change, nach Wandel, in aller Munde, sagt Kay Hagan, die Kandidatin für den Senat:

    "Es wird klappen! Obama hat tolle Leute hier an der Basis. Egal, wo, Sie spüren überall die Aufregung und den Enthusiasmus, und die Wählerregistrierung für die Stimmabgabe läuft auch gut, was eher uns Demokraten als den Republikanern nützt. Das wichtigste Thema diesmal sind sicherlich die Benzinpreise. Sie tun arbeitenden Familien hier in North Carolina weh und genauso Studenten vom Lande, die zur Uni fahren müssen. Wenn Sie sich anschauen, was Bush und Cheney uns nach acht Jahren hinterlassen - wir können es viel besser!"

    Auf dem Bezirksparteitag der Demokraten in Chatham treten Lokalpolitiker und Kandidaten für verschiedene Posten in Washington ans Pult. Sie fordern die verstärkte Nutzung alternativer Energien für billigeres Benzin. Sie verlangen eine gerechtere Steuer-, Gesundheits-, und Bildungspolitik, alles Herzensthemen der Partei. Helaine Plant hat ihren Spazierstock an den Tisch gelehnt. Sie trägt eine randlose Brille und einen flotten Kurzhaarschnitt. Als Helaine mit 18 zum ersten Mal die Demokraten wählte, hielt ihr Vater sie für eine Radikale. Heute ist sie 88 und ihr Herz brennt immer noch für ihre Partei:

    "Ich habe erst Hillary Clinton unterstützt, weil ich sie für die bessere Kandidatin hielt. Jetzt unterstütze ich Barack Obama, weil ich ihn für den besseren Kandidaten halte."

    Helaines Freundin Eva flüchtete vor den Nazis aus Deutschland. Heute sorgt sie sich um Amerikas Ansehen in der Welt:

    "In meinem Leben habe ich die Leute schon so oft sagen hören, das ist die wichtigste Wahl, die wir jemals hatten. Aber was sie diesmal damit meinen, ist, dass - weil Bush unseren Ruf und unseren moralischen Führungsanspruch im Ausland so unglaublich ruiniert hat - die Leute etwas davon zurückhaben wollen. Wählen sie aber den Kandidaten der Republikaner, werden wir eine Art dritte George-Bush-Amtszeit erleben - außer dass dieser Typ, McCain, vielleicht ein bisschen mehr Grips hat als Bush."

    30 Meilen weiter nördlich tagen die Republikaner. Unweit der renommierten Duke-Universität treffen sie sich im Restaurant Pomodore, um die Verzeichnisse der Parteimitglieder zu aktualisieren. Gut 4000 Namen stehen auf den Listen. Hier hat Mary Goodwin das Sagen. Sie ist die Vorsitzende der Republikaner-Frauen im Städtedreieck zwischen Durham, Chapel Hill und Raleigh. Mary Goodwin ist 51 Jahre alt, und wurde, wie sie sagt, schon als Republikanerin geboren:

    "Das hier ist meine Arbeit zur Zeit. Ich bin Hausfrau. Ich hatte mal ein eigenes Geschäft, aber ich habe mich immer für Politik interessiert. Ich habe in Washington Wahlkampfarbeit gemacht, unter anderem für Ronald Reagan. Aber die Arbeit an der Basis ist am härtesten. Da musst Du wirklich ran und auf die Leute zugehen. Du musst sie in Aufregung versetzen, Begeisterung in ihnen wecken - und sicherstellen, dass sie zur Wahl gehen."

    Die Wähler zu motivieren ist in den letzten Jahren schwerer geworden für die Republikaner. Viele von ihnen trauern dem kürzlich verstorbenen Jesse Helms nach, Vollblut-Politiker und republikanisches Ur-Gestein. 30 Jahre lang saß Jesse Helms für North Carolina im Senat. Er war ein enger Vertrauter von Ronald Reagan, hasste Kommunisten und wetterte einst gegen die Einführung eines Gedenktages für Martin Luther King. Heute fehlen den Republikanern ihre Lichtgestalten. David Smudski, Partei-Vorsitzender der Republikaner im Landkreis Durham, vermisst die konservativen Werte in der Washingtoner Politik. Auf die Frage, ob es Zeit sei für Bush, zu gehen, reagiert er kokett:

    " Vor den Leuten in Deutschland gebe ich mal zu, dass meine Frau es irgendwann satt hatte, dass ich vor dem Fernseher mit dem Fuß aufstampfte und in Richtung Mattscheibe bellte, weil George Bush sich nicht gemäß unseren konservativen Werten verhalten hat, so wie er es vor seiner Wahl versprochen hat."

    Die Politik, sagt David Smudski, sei ein hässliches Geschäft geworden. Doch es seien die Linken, also die Demokraten, die das Land polarisiert hätten. Mit der Politik des amtierenden Präsidenten habe das weniger zu tun, sagt Smudski. Er spüre Hass:

    "Es hat mit allem zu tun, was konservativ ist. Wir hatten letztens unseren Stand auf einem Volksfest aufgebaut. Ein Junge wollte eine unserer Feuerkugeln nehmen, aber seine Mutter ließ ihn nicht, und ich hörte sie sagen: Das sind die Republikaner ... als wäre das eine ansteckende Krankheit!"

    An der Basis haben die Republikaner also das Gefühl in der Minderheit zu sein, doch glaubt man den Meinungsumfragen, stehen die Chancen für John McCain in North Carolina nicht schlechter als für seinen demokratischen Konkurrenten Barack Obama. McCain müsse nur noch ein bisschen mehr Humor entwickeln, findet die Parteibasis in Durham. Thematisch liege er schon ganz richtig: Steuern runter, den Irak-Krieg gewinnen, und endlich Ölbohrungen vor der Küste von North Carolina, um in der Energiepolitik unabhängiger zu werden. Die Einwanderungsgesetze müssten auch endlich verschärft werden, gerade North Carolina habe sich fast zu einem Refugium für illegale Immigranten entwickelt. David Smudski , der Vorsitzende der Republikaner im Landkreis Durham, bedient diese Formel bereitwillig:

    "Sie, die illegalen Immigranten, bedienen sich in unserem Sozialsystem. Sie leben von öffentlichem Geld, von unserem System, das wir für unsere Bürger haben - nur: Sie sind keine Bürger, sie bedienen sich nur."

    Egal ob bei den Demokraten oder bei den Republikanern: Dass mit Barack Obama erstmals ein Kandidat mit schwarzer Hautfarbe Aussichten auf das höchste Staatsamt hat, spricht von sich aus niemand an. Aber auf Nachfrage hat dazu jeder etwas zu sagen. Mary Goodwin, die für sich reklamiert, als Republikanerin geboren worden zu sein, wiegelt in dieser politisch heiklen Frage nicht nur ab, sondern legt nach:

    "Wenn er rosa wäre oder lila ... ich glaube, uns, die Weißen, oder die kaukasische Rasse - beschäftigt das nicht so wie die Schwarzen. Aber sie denken anscheinend nicht über die eigentlichen Probleme nach und wie es weitergehen wird. Da geht's doch mehr um die Begeisterung - das ist einer von uns!"

    Parteifreund David meint, die Rassenfrage sei doch Geschichte und man müsse nicht den ersten Schwarzen wählen, der daherkomme:

    "David: It's history. Wir müssen nicht den ersten Schwarzen wählen, der daherkommt.
    Mary: Nein, nicht den ersten, der daherkommt. Danke. Das ist gut ausgedrückt."

    Nicht den ersten Schwarzen, der daherkomme. Die Rassenfrage spielt eine große Rolle bei den Präsidentschaftswahlen, das ist nirgendwo so deutlich spürbar wie in dieser Region der USA. Offene oder auch subtile Ressentiments gegen Schwarze gehören immer noch zum Alltag, in der Arztpraxis genauso wie in der Schlange im Supermarkt, bei der Gesundheitsversorgung, oder bei der Verteilung von Jobs und Einkommen, bei der Schwarze regelmäßig benachteiligt werden.

    Fast ein Viertel der Bevölkerung in North Carolina ist afroamerikanischer Herkunft. Die große Mehrheit von ihnen hat bei den demokratischen Vorwahlen im Frühjahr für Barack Obama gestimmt. Der Senator aus Chicago ist zwar kein Nachfahre von Südstaaten-Sklaven, aber hier im republikanischen Stammland gilt er als der erste demokratische Präsidentschaftskandidat seit Jahrzehnten mit einer realistischen Chance auf den Einzug ins Weiße Haus. Und das hat wiederum mit seiner Hautfarbe zu tun, denn kaum jemand vor ihm hat sich derart um die schwarzen Wähler bemüht, wie jetzt Barack Obama. Und auch die eigene Partei, die Demokraten in North Carolina, hat er aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt. Bei nationalen Abstimmungen, sagt Kerry Haynie, Professor an der Duke-Universität in Durham hätten die Demokraten in den vergangenen Jahrzehnten das Terrain einfach den Republikanern überlassen:

    "Der Hauptgrund, warum hier trotz vieler schwarzer Wähler auf Bundesebene immer die Republikaner gewonnen haben, ist wohl der Mangel an Mobilisierung. Die Parteien und Kandidaten haben bisher einfach nicht genug Anstrengungen und Zeit investiert, um schwarze Wähler am Wahltag auch wirklich zur Wahl zu bewegen. Die Demokraten waren mal sehr gut darin, aber in den letzten 20 bis 30 Jahren sind sie davon abgekommen. Obamas Team bemüht sich hingegen sehr darum, die schwarze Wählerschaft zu mobilisieren."

    Die Mobilisierung der schwarzen Minderheit ist das eine, die Bevölkerungsstruktur das andere: North Carolina gilt unter den Südstaaten als gemäßigt: Sklaverei und Rassismus waren in den letzten Jahrhunderten nicht so verbreitet wie etwa in Virginia oder South Carolina, wo der weiße Südstaatenadel auf seinen Baumwollplantagen ein Heer schwarzer Sklaven beschäftigte. North Carolinas Bodenqualität war vergleichsweise schlecht, so war der Bundesstaat neben der Landwirtschaft auf andere, verarbeitende Industrien angewiesen. Das brachte North Carolina eine Sonderrolle innerhalb des Südens ein. Heute steht der Staat wirtschaftlich sehr viel besser da als der Rest des Südens. Michael Munger, Politologe an der Duke-Universität, beschreibt das so:

    "Die anderen Südstaaten mögen neidisch sein, aber sie würden das niemals zugeben. Es ist wie mit einer älteren armen Frau, die aus einer wohlhabenden Familie stammt. Sie muss gewisse Traditionen aufrecht erhalten, während neue Unternehmer sich auf der anderen Straßenseite niederlassen und ein Autohaus eröffnen. Sie würde nie mit ihnen reden, denn deren Reichtum ist neu, während ihre Familie alt und mächtig ist. In den Augen der vornehmen Südstaatler sind wir Nouveaux Riches."

    Heute spielen die einst so dominante Textilindustrie und der Tabakanbau in North Carolina nur noch eine untergeordnete Rolle.

    Die Farmer bekommen das immer deutlicher zu spüren. Viele alt eingesessene Bauernfamilien haben auf Blumen- ,Obst- und Gemüseanbau umgestellt. Das Leben ist härter geworden, erzählt die Bäuerin und vierfache Mutter Laura in breitem Südstaaten-Englisch:

    "Nun, die Hitze, die teuren Benzinpreise, die viele Arbeit und das wenige Geld. Es ist sicherlich leichter, aufs College zu gehen und anschließend einen Job mit Klimaanlage zu bekommen. Ich liebe die Landarbeit, mir liegt das im Blut, aber viele in meiner Generation wollen das nicht mehr, weil es so eine Schufterei ist. Die Leute kommen zwar zu uns auf den Bauernmarkt und kaufen Blumen, um ihren Vorgarten hübsch zu machen, aber es ist natürlich billiger, Blumen und Lebensmittel bei Walmart zu kaufen."

    Der Dienstleistungssektor in North Carolina boomt indes. Das so genannte Forschungsdreieck rund um die Hauptstadt Raleigh mit seinen vielen Hochschulen und Hightech-Unternehmen gilt als kleines Silicon Valley des Südens. Dort finden sich genau jene Wählerschichten, auf die Barack Obama setzt. Kaum war der Vorwahlkampf gegen Hillary Clinton gelaufen, kam Obama nach Raleigh - und begann dort Anfang Juni seine Tour durch die am heißesten umkämpften Bundesstaaten. Heute sind Raleigh und Durham neben der Bankenmetropole Charlotte das wichtigste Wirtschaftszentrum North Carolinas, und ein Magnet für hoch qualifizierte Arbeitnehmer aus den ganzen USA. Mit knapp neun Millionen Menschen hat sich die Einwohnerzahl seit 1980 fast verdoppelt. Entstanden ist eine heterogene Bevölkerungsstruktur: Der konservativ-religiösen Klientel auf dem Land steht eine hoch qualifizierte Mittelschicht in den wenigen mittelgroßen Städten gegenüber. Somit finden John McCain und Barack Obama hier gleichermaßen ihre Wähler, ein Grund mehr, warum das Rennen der Präsidentschaftskandidaten hier derart offen ist.

    Normalerweise sei die Präsidentschaftswahl in North Carolina langweilig, sagt Politologe Michael Munger. Doch diesmal habe Barack Obama eine realistische Chance, diese Hochburg der Republikaner für sich zu gewinnen, selbst wenn der Bundesstaat im Herzen stockkonservativ sei:

    "Ich habe schon Ärger bekommen, weil ich in Radiosendungen gesagt habe, dass unsere Demokraten Republikaner sind und unsere Republikaner Taliban."

    Natürlich, sagt Munger, ginge es hier nicht um den Koran, sondern die Bibel. North Carolina liegt mitten im Bible Belt, einem Gürtel besonders religiöser Bundesstaaten. Glaube und Politik sind in diesem Teil Amerikas mehr denn je miteinander verbunden.

    Was das heißt, wird deutlich im Billy Graham Archiv, Pilgerstätte der Evangelikalen in der Bankenmetropole Charlotte. Christliche Schnulzen dringen aus kleinen Mikrofonen durch die Parkanlage. Amerikaner in Shorts und T-Shirts spazieren auf das Archiv zu, das aus rustikalem Holz gebaut ist und an eine Scheune erinnert: Billy Graham wuchs in North Carolina als Sohn eines Milchbauern auf, bevor er als junger Mann zu seiner christlichen Berufung fand. "Amerikas Pastor" wird der heute bald 90-jährige, weltweit bekannte Missionar ehrenvoll genannt.

    "Words simply cannot express - what took place on Tuesday morning ... ."

    Im Beisein von George Bush und Bill Clinton hielt Billy Graham kurz nach dem 11. September einen der Gedenkgottesdienste für die Opfer des Terroranschlags.

    " ... our trust in God - as what we've experienced this week."

    Bis zu 80 Prozent der christlichen Rechten in den USA haben bei den beiden letzten Wahlen George Bush gewählt. Gut 30 Millionen Stimmen sind in diesem Lager zu holen, weshalb auch beide Kandidaten für das Weiße Haus der Familie Graham in North Carolina schon ihre Aufwartung gemacht haben.

    Doch das Pendel verschiebe sich auch bei den Religiösen selbst, sagt Cathy Tamsberg, Seelsorgerin in der Pullen Baptisten Kirche in Raleigh. Die Evangelikalen seien dabei, toleranter zu werden. Zum Beispiel nähmen sie inzwischen einen ganz entschiedenen Standpunkt zum Klimawandel ein:

    "Vor fünf Jahren wäre das noch unvorstellbar gewesen. Andererseits das Fiasko mit Jeremiah Wright, dem früheren Pastor von Barack Obama. Das war nur schwer zu ertragen. Aber es zeigte eben auch sehr deutlich, welch wichtige Rolle Rasse und Religion in den USA spielen. Die Religion hat in diesem Land immer noch viel Einfluss - guten und nicht so guten."

    Dennoch: Auf den Nominierungsparteitagen von Demokraten und Republikanern in dieser und in der kommenden Woche wird es in erster Linie um zwei andere Themen gehen: Welcher Kandidat kann Amerika am besten aus der Wirtschaftskrise führen, und wer hat die größere außenpolitische Erfahrung? Michael Munger von der Duke-Universität fasst zusammen:

    "John McCain hat mehr Zeit in seiner nordvietnamesischen Zelle verbracht als Barack Obama im Senat. Er hat viel Erfahrung, weiß aber nicht viel über Wirtschaft, das sagt er sogar ganz offen. Als Vizepräsident wird er also jemanden mit wirtschaftspolitischer Expertise brauchen. Was unsere Auslandseinsätze betrifft, glaube ich, dass es nicht nur um Afghanistan geht, sondern auch um Georgien. Sollten Truppen dorthin entsandt werden - wer schickt dann wie viele? Ich glaube, die Krise zwischen Georgien und Russland könnte die Leute dazu bringen, zweimal über Obama nachzudenken, denn er hat so wenig Erfahrung. McCains Reaktion war schon eher durchdacht, selbst wenn man nicht mit seinen politischen Vorstellungen übereinstimmt."

    Mit dem 65-jährigen Senator Joseph Biden als Kandidat für die Vizepräsidentschaft hat Barack Obama nun einen erfahrenen Außenpolitiker an seiner Seite. Doch im beschaulichen Landkreis Chatham zählen derzeit andere Themen. Der Parteitag der Demokraten ist gegen Mittag zu Ende gegangen. Karl Kachergis, der Partei-Vorsitzende von Chatham, sitzt auf seiner Veranda, ein Windspiel schaukelt im Wind. Der 56-Jährige nimmt einen Schluck eiskalten Moosbeerensaft und wird nachdenklich:

    "Die Leute lieben es, Auto zu fahren. Sie lieben ihre komfortablen neuen Autos. Sie sitzen höher, und das verleiht ihnen ein Gefühl von Wichtigkeit. Wenn ein Mensch sonst nicht viel hat, dann will er eben ein tolles Auto haben und es immer anschauen können. Jetzt, da das Benzin so teuer geworden ist, können sie es nur noch anschauen. Wir haben wirklich ein Problem. Wenn der Benzinpreis auf drei Dollar pro Gallone sinkt, gewinnt McCain die Wahlen. Wenn er nicht unter drei Dollar 50 fällt, dann hat Obama eine Chance. Wenn er hier im Landkreis Chatham gewinnt, dann gewinnt er auch North Carolina. Und wenn er North Carolina gewinnt, dann gewinnt er auch das ganze Land."