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Wahlkampf mit Samthandschuhen

In Polen wird am Sonntag ein neuer Präsident gewählt. Doch der Wahlkampf der beiden aussichtsreichen Kandidaten, Bronislaw Komorowski und Jaroslaw Kaczynski, verlief verhalten - aus Respekt vor dem verstorbenen Präsidenten und abgelenkt vom Hochwasser bestimmt Harmonie die politische Debatte in Polen.

Von Florian Kellermann |
    So spät begann die politische Debatte noch nie in einem polnischen Wahlkampf. Die Kandidaten hatten nach dem Flugzeugunglück zehn Wochen, um sich zu präsentieren. Aber Argumente wurden erst jetzt, in den letzten Tagen ausgetauscht. Denn zunächst schwieg Jaroslaw Kaczynski, weil er um seinen Bruder, den verunglückten Präsidenten, trauerte. Aus Respekt davor hielten sich auch die anderen Kandidaten zurück. Dazu kam dann noch das Hochwasser, das vier Wochen lang die polnischen Schlagzeilen beherrschte.

    Die ungewöhnliche Situation half vor allem Jaroslaw Kaczynski. Anfang des Jahres war er noch einer der unbeliebtesten Politiker. Aber nach der Tragödie von Smolensk holte er Schritt für Schritt in den Umfragen auf. Seine Strategie scheint zu greifen: Er will das Image des Spalters ablegen, wie er vor wenigen Tagen in einem Interview unterstrich.

    "Nach der Tragödie haben wir ein neues Gesicht unserer Gesellschaft erlebt, ein Gesicht der Solidarität und Einigkeit. Die Politik sollte sich daran ein Beispiel nehmen. Sie sollte ruhiger und sachlicher werden. Wir sollten die Fragen diskutieren, die für die Gesellschaft zentral sind und in denen wir einen Konsens brauchen. Ein Beispiel dafür ist die Gesundheitsreform. Als Präsident werde ich diesen Diskurs moderieren."

    Solidarität ist im Moment das am meisten gebrauchte Wort von Jaroslaw Kaczynski. Er benutzt es auch dazu, um - wie früher - als Anwalt der kleinen Leute aufzutreten. So forderte er im Wahlkampf Kindergartenplätze auch auf dem Land und kostenlose Universitätsausbildung für alle.

    Auch in der Außenpolitik schlägt Jaroslaw Kaczynski, der als scharfer Kritiker der Nachbarn Deutschland und Russland galt, nun moderate Töne an. In einer Grußbotschaft im Internet bedankte er sich bei der russischen Nation für die Anteilnahme nach dem Flugzeugunglück. Selbst für Deutschland hat Kaczynski lobende Worte: Deren Soziale Marktwirtschaft sei ein Vorbild für Polen.

    Der Politologe Bartlomiej Biskup hält die Strategie des Ex-Premiers für richtig:

    "Wenn er versöhnliche Worte wählt, hilft er nicht nur seinem Image. Das bringt ihn auch als Politiker weiter. Denn zu einem bestimmten Grad wird er sich in Zukunft an das halten müssen, was er jetzt sagt."

    Der aussichtsreichste Kandidat der Wahl heißt aber immer noch Bronislaw Komorowski. Der Parlamentspräsident gehört der rechtsliberalen Regierungspartei "Bürgerplattform" von Premier Donald Tusk an. Deshalb wirbt er vor allem mit den - in seinen Augen - Erfolgen der Regierung. Er schreibt sich und seiner Partei eine Politik der Entspannung gegenüber Deutschland und Russland auf die Fahnen. Außerdem verweist er auf das Wirtschaftswachstum auch in der Krise, das Polen im vergangenen Jahr notierte:

    "Die Opposition wollte uns dazu treiben, das Haushaltsdefizit zu erhöhen. Das haben wir nicht gemacht, und wir haben recht behalten. Im ersten Quartal 2010 haben wir schon wieder ein Wachstum von drei Prozent erreicht. Wir stehen außerdem dafür, dass die Wirtschaft entbürokratisiert wird. Unternehmen können ihre Steuererklärung im Internet abgeben, dafür haben wir gesorgt."

    Trotzdem mache es Komorowski nervös, dass sein Rivale Jaroslaw Kaczynski in den Umfragen aufholt, schreiben polnische Medien. So erklären sie es auch, dass er überraschend das Ende des polnischen Afghanistaneinsatzes ankündigte, der in der Bevölkerung immer unpopulärer wird. Komorowski kommentierte den Tod eines weiteren polnischen Soldaten bei der Mission mit den Worten, bis Herbst wolle Polen die NATO von einem Rückzugsplan überzeugen. Wenn dies nicht gelinge, werde sein Land selbstständig handeln, so Komorowski. Jaroslaw Kaczynski kritisierte Komorowski für diese Aussage im Wahlkampf: Sie stachele die Taliban nur zu weiteren Anschlägen an.