"Wahrheit und Fortschritt", dessen Titel eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Grundproblematik der Philosophie ankündigt, erschien bereits 1998 in den USA. Hatten Marxismus und Positivismus gleichermaßen einen engen Zusammenhang zwischen dem sozialen und dem technisch naturwissenschaftlichen Fortschritt unterstellt, so dementierte nicht zuletzt die Postmodeme-Debatte gegen Ende des letzten Jahrhunderts diesen Automatismus: Moderne Technik und Naturwissenschaften beruhen nicht auf gesichert wahren Erkenntnissen von der Wirklichkeit, sondern auf geschickter Machtentfaltung, Zerstörung und Ausbeutung. Dann erscheint es fraglich, woraus die technische Entwicklung humanisierende Kräfte ziehen soll.
In den neunziger Jahren erhoben sich dagegen wieder Stimmen, die humanisierende Perspektiven der Zivilisation bekräftigten. Robert Brandom billigt in seinem 1994 erschienenen Werk "Making it Explicit" dem Menschen die Fähigkeit zu einer objektiven Beschreibung der Welt zu. Aus der wahren Einsicht in die Welt lassen sich dann auch humanisierende Kräfte schöpfen. Doch der Postmodeme treu bleibend distanziert sich Rorty von Brandom: Es gibt für Rorty keine absolute Wahrheit. Wahr ist nur, was nützt. Technischer Fortschritt heißt nur verbesserter Nutzen. Inwie-weit das zu einer humaneren Gesellschaft führt, bleibt daher offen. Aber mehrheitlich möchten die Menschen darauf nicht verzichten.
Rortys kontinentaler Widersacher, Jürgen Habermas, geht nicht so weit wie Brandom. Er publizierte 1999 zum ähnlichen Thema eine größere Aufsatzsammlung unter dem Titel "Wahrheit und Rechtfertigung" und wirft darin Rorty vor allem vor, er bezweifle die rationale Verständigung über ethische Fragen. Habermas ist dagegen von einer solchen Verständigungsmöglichkeit überzeugt, da die Vernunft ihrem Wesen nach kommunikativ wirke, und zwar universell. Dass Verständigungsmöglichkeiten auf einer universellen rationalen Kraft beruhen, dem folgt Rorty aber auch in seinem neuen Buch nicht, obgleich er ansonsten Habermas schier umarmt und ihn zu den bedeutendsten Denkern des 20. Jahrhunderts zählt - neben Heidegger und Derrida beispielsweise.
Wie es Rorty bereits in früheren Texten propagierte, entspringt moralischer Fortschritt nicht moralischer Reflexion, bzw. dem Gehorsam gegenüber dem Sittengesetz. Literarische Erzählungen haben dazu mehr beigetragen als die Philosophie; denn es geht Rorty dabei weniger um die Bil-dung des Verstandes als um die Entwicklung des Gefühls. Für Rorty kann moralischer Fortschritt heute kaum anderes bedeuten, als sich an den Auffassungen der wohlhabenden, geborgenen und gebildeten Bewohnern der ersten Welt zu orientieren. "Pmjust an American." hat er einst Habermas entgegengehalten, der nach rationalen Begründungen solcher Orientierungen verlangt.
Man darf also ruhig ein bisschen enttäuscht sein, dass einem déjà-vu-Erlebnisse nicht erspart bleiben, wenn man Rortys "Wahrheit und Fortschritt" liest. Imgrunde ist es nur eine Aufsatzsammlung von Texten aus den neunziger Jahren. Inhaltlich hat er an anderer Stelle das meiste bereits gesagt.
Die auch nicht gerade neue Pointe im dritten Teil des Buches über das Verhältnis von Fortschritt und Philosophie erhält wenigstens etwas stärkere Akzente: Mit den alten philosophischen Fragen, wie sie noch Aristoteles oder Kant gestellt haben, sollte man sich auch philosophisch eigentlich nicht mehr beschäftigen. Die großen Philosophen helfen nicht bei der Lösung der heutigen Probleme. Sie zu lesen hat höchstens therapeutischen Charakter, nämlich zu lernen, welche Fragen man nicht mehr stellen soll. Die Leiter der Vergangenheit ist wegwerfen. Statt dessen sollte man lernen, für die Leistungen und Verheißungen der eigenen Zeit empfänglicher zu werden. Heidegger dreht sich im Grabe um. Sollte er das vielleicht tun?
In den neunziger Jahren erhoben sich dagegen wieder Stimmen, die humanisierende Perspektiven der Zivilisation bekräftigten. Robert Brandom billigt in seinem 1994 erschienenen Werk "Making it Explicit" dem Menschen die Fähigkeit zu einer objektiven Beschreibung der Welt zu. Aus der wahren Einsicht in die Welt lassen sich dann auch humanisierende Kräfte schöpfen. Doch der Postmodeme treu bleibend distanziert sich Rorty von Brandom: Es gibt für Rorty keine absolute Wahrheit. Wahr ist nur, was nützt. Technischer Fortschritt heißt nur verbesserter Nutzen. Inwie-weit das zu einer humaneren Gesellschaft führt, bleibt daher offen. Aber mehrheitlich möchten die Menschen darauf nicht verzichten.
Rortys kontinentaler Widersacher, Jürgen Habermas, geht nicht so weit wie Brandom. Er publizierte 1999 zum ähnlichen Thema eine größere Aufsatzsammlung unter dem Titel "Wahrheit und Rechtfertigung" und wirft darin Rorty vor allem vor, er bezweifle die rationale Verständigung über ethische Fragen. Habermas ist dagegen von einer solchen Verständigungsmöglichkeit überzeugt, da die Vernunft ihrem Wesen nach kommunikativ wirke, und zwar universell. Dass Verständigungsmöglichkeiten auf einer universellen rationalen Kraft beruhen, dem folgt Rorty aber auch in seinem neuen Buch nicht, obgleich er ansonsten Habermas schier umarmt und ihn zu den bedeutendsten Denkern des 20. Jahrhunderts zählt - neben Heidegger und Derrida beispielsweise.
Wie es Rorty bereits in früheren Texten propagierte, entspringt moralischer Fortschritt nicht moralischer Reflexion, bzw. dem Gehorsam gegenüber dem Sittengesetz. Literarische Erzählungen haben dazu mehr beigetragen als die Philosophie; denn es geht Rorty dabei weniger um die Bil-dung des Verstandes als um die Entwicklung des Gefühls. Für Rorty kann moralischer Fortschritt heute kaum anderes bedeuten, als sich an den Auffassungen der wohlhabenden, geborgenen und gebildeten Bewohnern der ersten Welt zu orientieren. "Pmjust an American." hat er einst Habermas entgegengehalten, der nach rationalen Begründungen solcher Orientierungen verlangt.
Man darf also ruhig ein bisschen enttäuscht sein, dass einem déjà-vu-Erlebnisse nicht erspart bleiben, wenn man Rortys "Wahrheit und Fortschritt" liest. Imgrunde ist es nur eine Aufsatzsammlung von Texten aus den neunziger Jahren. Inhaltlich hat er an anderer Stelle das meiste bereits gesagt.
Die auch nicht gerade neue Pointe im dritten Teil des Buches über das Verhältnis von Fortschritt und Philosophie erhält wenigstens etwas stärkere Akzente: Mit den alten philosophischen Fragen, wie sie noch Aristoteles oder Kant gestellt haben, sollte man sich auch philosophisch eigentlich nicht mehr beschäftigen. Die großen Philosophen helfen nicht bei der Lösung der heutigen Probleme. Sie zu lesen hat höchstens therapeutischen Charakter, nämlich zu lernen, welche Fragen man nicht mehr stellen soll. Die Leiter der Vergangenheit ist wegwerfen. Statt dessen sollte man lernen, für die Leistungen und Verheißungen der eigenen Zeit empfänglicher zu werden. Heidegger dreht sich im Grabe um. Sollte er das vielleicht tun?