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Wal-Informationszentrum von Husavik in Island eröffnet

Im Mai verließ Island die Konferenz der Internationalen Walkommission in Shimonoseki unter Protest. Seitdem wird auf der nordeuropäischen Insel heftiger als je zuvor über den Walfang diskutiert. Dabei ist auch in Island das Mitte der 90er Jahre begonnene Whale-watching zum einträglichen Geschäft geworden. In Húsavik, der selbst ernannten "Walbeobachtungs-Hauptstadt" Europas, geht die Hälfte aller Besucher an Bord. Hier im Norden der Insel befindet sich auch das Wal-Informationszentrum, das im Juni dieses Jahres seine neuen großen Ausstellungsräume eröffnen konnte. Beate Köhne hat es sich angesehen.

von Beate Köhne |
    Von der Decke des Wal-Informationszentrums baumeln fünf Walskelette: zwei Zwergwale, ein Pottwal, ein Sowerby Zweizahnwal und das Kalb eines Buckelwals. 15 verschiedene Arten verbringen rund um Island den Sommer, so viele wie an kaum einem anderen Ort der Welt. Um die einheimischen Wale vorzustellen, braucht man also viel Platz. Den hat das Zentrum seit der Eröffnung der neuen Ausstellungsräume Mitte Juni. Doch Manager Ásbjörn Björgvinsson hat kaum Zeit gehabt, sich darüber zu freuen: ihn beschäftigt vor allem die Diskussion über die Wiederaufnahme des Walfangs, dem im Informationszentrum natürlich auch ein eigener Raum gewidmet ist:

    Viele Parlamentsmitglieder und auch viele Wissenschaftler in Island beschweren sich seit Jahren darüber, dass die Wale die Fischbestände stark dezimieren. Es ist so etwas wie eine allgemein verbreitete Ansicht, dass man wieder Wale töten muss, um die Fischbestände zu sichern. Das Meeresforschungsinstitut in Reykjavik hat diese Ansicht lange Zeit verbreitet. Nach Meinung anderer Wissenschaftler spricht es für ein äußerst gesundes, ausgewogenes Ökosystem, dass wir so viele Wale hier haben. Das ist auch meine Meinung.

    Die Fischerei-Industrie ist nach wie vor der wichtigste Erwerbszweig in Island. Wenn ihr Gefahr droht, geraten die Gemüter in Aufruhr. Doch gerade weil der Fisch 60 Prozent der isländischen Exporte ausmacht, ist die Wiederaufnahme des Walfangs für die Isländer ein riskantes Thema: Ein Handelsboykott wäre nämlich einfach und wirkungsvoll durchzusetzen. Schon 1988 hatte Greenpeace dazu nicht ohne Erfolg aufgerufen. Damals dauerte es noch ein Jahr, - dann wurde in Island der bislang letzte Wal getötet. Seitdem rostet die Fangflotte, vier schwarze Schiffe, die alle auf den Namen Hvalur, "Wal" getauft wurden, im Hafen von Reykjavik vor sich hin, ebenso wie die Tanks und Kühlhäuser der einzigen isländischen Fangstation im Walfjord Hvalfjördur. Reinhard Reynisson, der Bürgermeister von Húsavik, wünscht sich, dass das auch so bleibt, jedoch aus anderen Gründen als sein Nachbar vom Wal-Informationszentrum.

    Man sollte auf der Basis dessen diskutieren, was ökonomisch möglich und sinnvoll ist. Ich möchte erst mal die Zahlen sehen, wenn es heißt, Walfang sei besser für die Ökonomie als Whale-watching. Denn mit der Walbeobachtung verdienen wir ziemlich viel Geld, nicht nur in Husavik, sondern auch an anderen Orten. Viele Städte vergleichbarer Größe wie Husavik haben in den letzten zehn Jahren zehn bis fünfzehn oder sogar zwanzig Prozent ihrer Einwohner verloren, weil alle in die Hauptstadt Reykjavik ziehen. Und zur gleichen Zeit haben Húsavik gerade mal drei Prozent verlassen.

    Mittlerweile sind es zwölf Unternehmen, die im Sommer ihren Umsatz mit Walbeobachtung machen – von Arnarstapi im Westen bis Breiddalsvik im Osten. Àsbjörn Björgvinsson spricht von einem Gewinn von acht Millionen US-Dollar für die Isländische Wirtschaft, vom indirekten Gewinn einmal ganz zu schweigen. Seiner Ansicht nach geht es bei der momentanen Diskussion über den Walfang aber weniger ums Geld.

    Ich glaube, die Ursache dieser Debatte liegt vor allem im Nationalismus. Es geht um Stolz. Es geht darum, unsere eigenen natürlichen Ressourcen in der bestmöglichen Art nutzen zu dürfen. Aber leider glauben die Walfänger und auch viele Politiker, dass die einzige Art, Wale zu nutzen, darin besteht sie zu töten. Wir haben ihnen jetzt gezeigt, dass es auch einen anderen Weg gibt, ohne ihnen ein Leid zuzufügen, indem wir sie den Touristen zeigen, - sowohl den Ausländern wie auch den Isländern.

    Die ausgestellten Skelette im Wal-Informationszentrum stammen allesamt von gestrandeten Walen. Dass die in Island so häufig an Land verenden, wurde früher von den von Hungersnöten geplagten Inselbewohnern als Segen empfunden. Heute sind die meisten dankbar, wenn das Wal-Informationszentrum ihnen die Entsorgung abnimmt.