Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Waldbrände in Südeuropa
Wissenschaftler: Erhöhte Gefahr für Atemwegserkrankungen

Südeuropas Waldbrände hätten zwar eine Negativwirkung auf das Klima, jedoch eine kleinere als die großen Brände in Sibirien, sagte Mark Parrington vom Copernicus Dienst zur Überwachung der Atmosphäre. In Europa bereite ihm eher die Gesundheitsgefahr Sorge, welche von brandbedingtem Feinstaub ausgehe.

Mark Parrington im Gespräch mit Ralf Krauter | 23.08.2021
Feuer und Löscharbeiten in Vilia im Nordwesten der griechischen Hauptstadt Athen am 18. August 2021.
Forscher Mark Parrington: „Wenn der Wind von einem Brandherd in Richtung einer Stadt weht, so wie es in Athen der Fall war, dann transportiert er diese Feinstaubpartikel dorthin und verschlechtert die Luftqualität stark.“ ( picture alliance / ANE / Eurokinissi | Tatiana Bolari)
So schlimm sie auch waren und sind: Die Feuer in Europa dauerten jeweils nur wenige Tage an, betonte der Klimaforscher Mark Parrington im Dlf. "Was wir zuvor in Sibirien, Nordamerika oder Australien gesehen haben, waren aber Katastrophen viel größeren Ausmaßes. Die aktuellen Waldbrände in Sibirien zum Beispiel haben schon Mitte Juni begonnen und wüten seit über zwei Monaten. Dasselbe gilt auch für Nordamerika. In British Columbia in Kanada und im US-Bundesstaat Kalifornien brennt es seit Ende Juni bzw. Anfang Juli ununterbrochen", betonte der Wissenschaftler vom Copernicus Dienst zur Überwachung der Atmosphäre (CAMS).
Satelliten erleichtern Feuerbekämpfung
Waldbrände und Buschfeuer werden heute meist früh erkannt – dank Infrarotkameras im Orbit, die selbst ein kleines Lagerfeuer aufspüren können. Die Einsatzkräfte waren vorgewarnt - doch bei der Vielzahl an Brandherden half das diesmal nicht viel.
Zur Feuerüberwachung nutzt das CAMS Instrumente, die im Wesentlichen die Temperatur von Strahlung messen, die von einem bestimmten Punkt ausgehen, etwa Satelliten. Parrington: "Wenn wir uns beispielsweise die Feuer in der Türkei anschauen, die von Ende Juli bis Anfang August brannten, dann haben die mehr Kohlendioxid produziert, als in den vergangenen Jahren während der Monate Juni, Juli und August insgesamt freigesetzt wurde. Für Griechenland waren die Kohlendioxid-Emissionen die zweithöchsten seit 2007."

Südeuropa-Brände: "Auch Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen"

Und dennoch hätten die großflächigen sibirischen Brände im Sommer 2021 ein ganz anderes Ausmaß gehabt. "Die haben seit Anfang Juni etwa 800 Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. Alle Waldbrände in Europa diesen Sommer haben zusammen nur einige Dutzend Millionen Tonnen CO2 emittiert", erläuterte der Wissenschaftler.
Das Hauptproblem sieht Parrington für Europa zumindest derzeit auf einem anderen Feld: Gefahren für die Gesundheit. "Eine Reihe von Studien belegen: Das Risiko für Atemwegserkrankungen steigt, wenn man Rauch eingeatmet hat, aber zum Beispiel auch das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen."

Das Interview im Wortlaut:
Ralf Krauter: Wie heftig sind die diesjährigen Waldbrände in Südeuropa verglichen mit denen, die wir 2019 in Australien gesehen haben, 2020 in Kalifornien und aktuell in Sibirien?

Mark Parrington: Die Waldbrände in Südeuropa, die immer noch andauern, sind wirklich verheerend. Die Intensität der Feuer war sehr hoch und dauerte jeweils einige Tag an. Was wir zuvor in Sibirien, Nordamerika oder Australien gesehen haben, waren aber Katastrophen viel größeren Ausmaßes. Die aktuellen Waldbrände in Sibirien zum Beispiel haben schon Mitte Juni begonnen und wüten seit über zwei Monaten. Dasselbe gilt auch für Nordamerika. In British Columbia in Kanada und im US-Bundesstaat Kalifornien brennt es seit Ende Juni bzw. Anfang Juli ununterbrochen. Die Feuer in Europa - so schlimm sie auch waren und sind -, dauerten jeweils nur wenige Tage hier und dort.
Was steckt hinter der Rekordhitze im Nordwesten Amerikas?
Eine so extreme Hitze wie jüngst in Nordamerika wäre ohne den Klimawandel praktisch undenkbar. Das hat die Ad-Hoc-Analyse eines Forschungsteams ergeben.
Krauter: Welche Daten liefern die Copernicus-Satelliten zur Erdbeobachtung dem Atmosphären-Überwachungs-Dienst, für den Sie arbeiten? Und wie analysieren Sie diese Daten, um die Schadstoff-Emissionen zu ermitteln?
Parrington: Wir verwenden eine Reihe verschiedener Satellitendaten. Zur Feuerüberwachung nutzen wir Instrumente, die im Wesentlichen die Temperatur der Strahlung messen, die von einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche ausgeht. Wenn es an einem Ort brennt, steigt diese Strahlungstemperatur. Dadurch kann man berechnen, wie viel Strahlungsenergie ein Feuer abgibt und daraus Rückschlüsse ziehen, welche Mengen an Schadstoffen es ausstößt – also Treibhausgase, Feinstaubpartikel und all die anderen Luftschadstoffe. Wir schätzen die Emissionen also ab und füttern dann unser Computermodell damit, um zu berechnen, wie sich die Schadstoffe ausbreiten. Die Ergebnisse dieser Berechnungen kalibrieren wir mit aktuellen Satelliten-Messungen der verschiedenen Schadstoffe in der Atmosphäre. Die Kombination von Computermodellen und Messwerten erlaubt präzise Vorhersagen, wie stark die Luftqualität beeinträchtigt wird und wohin die Schadstoffe in den nächsten fünf Tagen transportiert werden.

Waldbrände in der Türkei sorgten für hohen CO2-Ausstoß

Krauter: Schauen wir zunächst auf die Treibhausgasemissionen. Die schlimmen Waldbrände vergangenes Jahr in Kalifornien haben über 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid produziert. Wie viel CO2 haben die Waldbrände in Europa bislang freigesetzt?
Parrington: Ich habe nicht alle Zahlen im Kopf, kann Ihnen aber die Relation veranschaulichen. Unsere Datenreihe zu den Emissionen von Waldbränden reicht zurück bis ins Jahr 2003. Wir können die atmosphärischen Umweltfolgen der gegenwärtigen Feuer also mit jenen von vergangenen Waldbränden vergleichen. Wenn wir uns beispielsweise die Feuer in der Türkei anschauen, die von Ende Juli bis Anfang August brannten, dann haben die mehr Kohlendioxid produziert, als in den vergangenen Jahren während der Monate Juni, Juli und August insgesamt freigesetzt wurde. Für Griechenland waren die Kohlendioxid-Emissionen die zweithöchsten seit 2007. Bei anderen Mittelmeerländern, die jetzt ebenfalls mit Waldbränden zu kämpfen hatten, liegen die täglichen Emissionen zwar über dem Durchschnitt, aber noch nicht so hoch, dass neue Rekordwerte bei den saisonalen Gesamtemissionen zu verzeichnen waren.
Krauter: Über welche Mengen von CO2 reden wir da?
Parrington: Nehmen wir zum Vergleich mal die großflächigen Waldbrände in Sibirien diesen Sommer. Die haben seit Anfang Juni etwa 800 Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. Alle Waldbrände in Europa diesen Sommer haben zusammen nur einige Dutzend Millionen Tonnen CO2 emittiert.
Krauter: So gesehen sind die Treibhausgasemissionen also relativ klein. Aber wie sieht es mit der Luftverschmutzung aus? Zum Beispiel den Feinstaub-Emissionen?
Parrington: Jeder Waldbrand setzt haufenweise Luftschadstoffe frei: Dazu zählen die Feinstaubpartikel, die man als Rauch in der Atmosphäre sehen kann. Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser unter 2,5 Mikrometer sind ein guter Gradmesser für die Luftverschmutzung in Städten, weil der Straßenverkehr und andere menschliche Aktivitäten viel davon freisetzen. Wenn der Wind von einem Brandherd in Richtung einer Stadt weht, so wie es in Athen der Fall war, dann transportiert er diese Feinstaubpartikel dorthin und verschlechtert die Luftqualität stark. Und das kann tagelang anhalten.

Akute Gesundheitsgefahr durch Luftverschmutzung

Krauter: Kann man diese zusätzliche Luftverschmutzung quantifizieren? Oder ist das regional zu unterschiedlich?
Parrington: Wir können sie mit unseren Modellen grob abschätzen, auch auf regionaler Ebene. Um die Größenordnung zu veranschaulichen: Die Weltgesundheitsorganisation hat für die Exposition mit Feinstaubpartikeln unter 2,5 Mikrometern einen 24-Stunden-Grenzwert von 20 Mikrogramm pro Kubikmeter festgelegt. Und wir wissen, dass die Konzentration dieser Schadstoffe durch die Waldbrände in Griechenland regional viel höher war.
Krauter: Das bedeutet akute Gesundheitsgefahr für die Menschen in der Nähe?
Parrington: Exakt. Eine Reihe von Studien belegen: Das Risiko für Atemwegserkrankungen steigt, wenn man Rauch eingeatmet hat, aber zum Beispiel auch das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Krauter: Wie lange bestehen solche Gesundheitsgefahren durch Rauchgase und in welcher Entfernung vom Brandherd können sie auftreten?
Parrington: Das hängt stark von den lokalen Wetterverhältnissen ab. Starker Wind hilft natürlich, die Schwebstoffe schnell zu verteilen und ihre Konzentration zu verdünnen. Je näher man dem Brandherd ist, umso größer die Gesundheitsgefahr. Die Waldbrände in der griechischen Region Attika waren so dicht an Athen, dass die Folgen dort direkt zu spüren waren. Es gibt aber auch langlebige Schadstoffe, die in der Luft hunderte oder sogar tausende Kilometer weit transportiert werden. Typischerweise passiert das hoch oben in der Atmosphäre. Aber unter bestimmten meteorologischen Bedingungen kann auch die Luftqualität am Boden noch hunderte bis tausende Kilometer vom Brandherd entfernt beeinträchtigt werden.
Krauter: Was besorgt Sie mehr: Der Klimaeffekt der Waldbrände, aufgrund der CO2-Emissionen? Oder die Gesundheitsgefahr durch die Luftverschmutzung?
Parrington: Die Folgen für das Klima sind natürlich beunruhigend. Die sind aber oft nicht so leicht zu quantifizieren, weil wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht wissen, wie viel von dem freigesetzten CO2 in der Atmosphäre bleibt und welcher Anteil später wieder von der Biosphäre absorbiert wird. Das sind langsame Prozesse. Was die Waldbrände in Südeuropa angeht, mache ich mir deshalb vor allem Sorgen um die Beeinträchtigung der Luftqualität. Denn die betroffenen Regionen sind dicht besiedelt und das Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung durch die Luftverschmutzung ist deshalb groß.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.