"Die Hände des Kandidaten, sein Lächeln. Ich erinner mich an seine Hände, sein Lächeln und an die Perlen der zukünftigen First Lady. Auch das französische Fernsehen interessierte sich für seine Hände. Er schien sein Volk umgreifen, umschlingen zu wollen".
Der Zugang ist persönlich, das macht Ruth Beckermann schon in den ersten Minuten ihres Films klar. Die österreichische Dokumentarfilmerin blickt zurück auf die ersten Monate des Jahres 1986. Es war die Zeit, in der Kurt Waldheim, früherer Generalsekretär der Vereinten Nationen, vormals Botschafter und Außenminister, sich anschickte, in die Wiener Hofburg als österreichischer Bundespräsident einzuziehen.
Verdächtiges Foto aus Italien
Stets hatte Waldheim behauptet, er habe sich während der letzten drei Jahre des Zweiten Weltkrieges im Wesentlichen in Wien aufgehalten, habe dort studiert, seine Frau kennengelernt, geheiratet. Doch während seines Wahlkampfes taucht ein Foto auf, das ihn am 22. Mai 1943 mit einem italienischen General und einem SS-Gruppenführer auf dem Flugfeld des montenegrinischen Ortes Podgorica zeigt.
Nachforschungen amerikanischer Medien und Kongressabgeordneter ergeben: Waldheim war zumindest anwesend bei Massakern an der Zivilbevölkerung und bei Gräueltaten gegen Partisanen. Der Politiker verteidigt sich - auf wenig überzeugende Weise.
Film zeigt Archivmaterial und persönliche Kommentare
Ruth Beckermann folgt den Monaten des Waldheim-Wahlkampfes chronologisch, mit einer präzisen Auswahl aus damals selbstgedrehten dokumentarischen Aufnahmen, Archivmaterial, zeitgenössischen Medienberichten. Mit persönlichen Kommentaren verleiht sie dem Film eine gewisse Lakonie. Etwa wenn sie nach Waldheims Ausführungen über Österreichs christliches Wertesystem vom alltäglichen Antisemitismus in den Schulen ihrer Kindheit erzählt. Oder wenn es darum geht, dass Waldheim stets verschwieg, dass er Mitglied des NS-Reiterbundes gewesen war, einem Teil der SA.
Sobald Waldheim etwas nachgewiesen wird, folgt die fadenscheinige Erklärung. Als der Kandidat seine Anwesenheit auf dem Balkan nicht mehr bestreiten kann, bezeichnet er seine dortigen Aktivitäten während des Zweiten Weltkrieges als "korrekte, anständige Tätigkeit". Seine Äußerungen bilden eine ganze Phänomänologie der Verleugnung und Verdrängung - mit teilweise unfreiwillig komischen Auftritten im österreichischen Fernsehen.
"Keine mit Deutschland vergleichbare Aufarbeitung der Geschichte"
In dem Film "Walheims Walzer" begegnet man einem Land, das in den achtziger Jahren immer noch in der Legende lebt, erstes Opfer des Nationalsozialismus gewesen zu sein. Bis heute gabe es in Österreich keine mit Deutschland vergleichbare Aufarbeitung der Geschichte. Michael Graff, Generalsekretär der Östereichischen Volkspartei ÖVP, sieht sich nicht einmal bemüssigt, seinen Antisemitismus zu verbergen: "Jetzt tun die ehrlosen Gesellen vom jüdischen Weltkongress alles, um Waldheim in Zusammenhang mit Kriegsverbrechen zu bringen."
"Waldheims Walzer" zeichnet eine Linie von den rechtspopulistischen Geschichtsverfälschungen von damals zu den Lügen von heute. Man erblickt in Ruth Beckermanns dokumentarischem Material die Konturen der österreichischen Gegenwart, in der Rechtspopulisten die Regierung mitstellen. Nach "Waldheims Walzer" fragt man sich nicht mehr, weshalb die Rechten wieder da sind - in Österreich waren sie nie weg.
[*] In einer früheren Version des Teasers hieß es versehentlich, dass Kurt Waldheim Ministerpräsident Österreichs gewesen wäre. Richtig ist Bundespräsident.