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Walfisch im Datennetz

Auch wenn zwischen WLAN und UMTS immer wieder eine Konkurrenz beschworen wird, ergänzen sich die Technologien eigentlich. Doch das reibungslose Zusammenspiel der Netze ist noch Forschungsgegenstand. Knapp neun Milliarden Euro fließen in das Forschungsprojekt ''Moby Dick'', in dem Kommunikationsnetze der Zukunft entwickelt werden. In der vergangenen Woche viel der Startschuss für einen ersten Testlauf der Netzarchitektur.

    Von Pia Grund-Ludwig

    Menschen, die viel unterwegs sind, kennen das Problem zur Genüge: wenn sie einen Internet-Zugang brauchen, passen sie die die Einstellungen ihres Rechners mühsam dem Netz an, das gerade vor Ort zur Verfügung steht. Diesen mobilen Internet-Nutzern wollen die Wissenschaftler aus dem Projekt Moby Dick das Leben erleichtern. Die Forscher aus sieben europäischen Ländern und aus Singapur arbeiten an einer Netzarchitektur, bei der die Benutzer ohne manuelle Bastelei auf unterschiedliche Kommunikationsinfrastrukturen zugreifen können. Das funktioniert mit drahtgebundenen lokalen Netzwerken, so genannten Hotspots aus drahtlosen Netzen oder Mobilfunkleitungen. Projektleiter Hans Einsiedler:

    Die Vorteile für den Endbenutzer ist er hat ein Endgerät mit unterschiedlichen Interfaces zu Zugangstechnologien. Das bedeutet wenn ich in einem Raum bin und ich bin ganz normal über Ethernet angebunden und ziehe dann den Stöpsel raus, dann schalte ich automatisch um, wenn ein Wireless LAN vorhanden ist und bekommen genau die gleiche Dienstgüte wie bisher.

    Diese garantierte Dienstgüte ist, neben dem universalen Netzzugriff, eine der Besonderheiten von Moby Dick. Sie ist wichtig für die Akzeptanz. Wenn jemand beispielsweise unterwegs an einer Videokonferenz teilnimmt, muss er sich darauf verlassen, dass er ständig die dafür benötigte Bandbreite bekommt. Spannend ist dies auch für Services, die im Auto der Zukunft zur Verfügung stehen, meint Richard Hell, Direktor für Informationstechnologie bei Daimlerchrysler:

    Moby Dick spielt eine große Rolle bei der Thematik Handover von bestimmten Connectivity-Layern. Heute sind wir ja sehr limitiert, dass wir bestimmte Technologien verwenden. Der Autofahrer hätte die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen Connectivity-Plattformen zu wählen, die ihm beziehungsweise dem Fahrzeug angeboten werden.

    Diese Wahlmöglichkeit würde sich für die Benutzer lohnen: Sie wären für die zuverlässige Internet-Anbindung mit garantierter Dienstgüte dann nicht immer auf Services wie UMTS angewiesen, sondern könnten je nach Verfügbarkeit auf billigere Alternativen wie Hotspots ausweichen. Basis blieben nach dem Konzept immer Verbindungen, die mit dem Internet-Übertragungsprotokoll IP arbeiten, und zwar mit dessen neuer Version IPv6. Diese Variante biete Vorteile in der mobilen Welt, erklärt Christian Bonnet vom französischen Forschungszentrum Eurecom:

    Stellen Sie sich vor, ihr Personal Computer ist mit einem bestimmten Netzwerk in Ihrem Unternehmen verbunden. Sie gehen dann in ein anderes Unternehmen und wollen dann über das Netz dieses Unternehmens ihre elektronische Post lesen. Wenn man dazu nicht Ipv6 verwendet, müssen Sie ihr Endgerät neu ein stellen, und ein Experte für Netze sein. Mit Ipv6 erhalten Sie automatisch eine neue Adresse, ohne dass Sie die Einstellung Ihres Computers ändern müssen.

    So viel Flexibilität ist freilich noch Zukunftsmusik. Erste Erkenntnisse, wie gut die Netzwerkarchitektur funktioniert, erhoffen sich die Forscher von einem sechsmonatigen Testlauf, der diese Woche zwischen den Universitäten in Stuttgart und Madrid begonnen hat. Eine Handvoll Studenten kommt in den Genuss des Universalnetzes. Doch die Mehrheit der Internet-Nomaden muss sich noch eine ganze Weile gedulden: Bis zu einer Umsetzung einer solchen Architektur vergehen nach Angaben der Stuttgarter Forscher sicher noch fünf bis zehn Jahre.