Auf Richard Wagners Karriereleiter war die lettische Nationaloper Riga eine wichtige Station. Heute sucht man das Haus allerdings vergebens, denn ein wenig romantischer Feuerzauber brannte es bis auf die Grundmauern nieder. Und auch die Werke des Bayreuther Weltendramatikers hatten es im Lettland des vergangenen Jahrhunderts nicht allzu leicht, die letzte zyklische Ring-Aufführung war 1904.
Zur Zeit der russischen Okkupation pflegte man sowohl das romantische Repertoire des Westens als auch die großen Schmachtfetzen aus der Heimat der Besatzer.
1990 stellte die Oper ihren Betrieb vorübergehend ein, um notwendige Sanierungen und technische Erweiterungen zu realisieren. 1995, vier Jahre nach der schwer erkämpften Unabhängigkeit Lettlands, öffnete das 1000-Plätze-Haus erneut seine Pforten und stürzte erstmal in ein organisatorisches wie künstlerisches Chaos. Innerhalb eines Jahres wechselten sich gleich drei Intendanten ab, übrig blieb Andrej Zagars, ein Schauspieler und Regisseur mit besten Kontakten ins Ausland. Zagars krempelte die Oper komplett um und die Auslastung stieg: zu Sowjetzeiten lag sie bei etwa 60 Prozent, heute sind es fast 90 Prozent. Mit zehn Millionen Euro im Jahr muss die Oper wirtschaften, ein Drittel kommt durch Kartenverkäufe herein, zehn Prozent sind Sponsorengelder, der Staat gibt sechs Millionen Euro. Das Programm in Riga reicht von einer rekonstruierten "Madame Butterfly" aus dem Jahr 1925 über aktuelle Choreographien bis hin zu avanciertem Regietheater.
Intendant Zagars legt zuweilen auch selbst Hand an, er versetzte unlängst Tschaikowskys "Pique Dame" sehr gekonnt und mit straffer Personenführung in ein sehnsuchtsvoll auf seine Vergangenheit blickendes Russland von heute. Tschaikowskys melancholisches Opernpersonal entpuppt sich bald als Clash verschiedener Milieus: es treffen sich neureiche Schnösel, arme Schlucker und altgewordene Aristokraten mit Hang zum Eskapismus. Das Zusammentreffen sehr unterschiedlicher Gesellschaftsschichten in seinem Haus, das ist für Andrej Zagars ein echtes Anliegen:
"Es war eines meiner Ziele, hier ein neues Publikum zu gewinnen. Nicht nur ein musikalisch gebildetes Publikum, sondern Menschen aus verschiedenen sozialen Gruppen und unterschiedlichen Alters. Es ist kein elitärer Club für besonders gebildete Leute, sondern wir versuchen etwa junge Leute anzusprechen, oder auch Leute mittleren Alters, die zum ersten Mal in die Oper kommen, die meinen, das ist zu schwierig für mich, das ist zu viel, das ist eher für die Upperclass oder für eine Wirtschaftselite. Wir versuchen, die Oper sozusagen 'erreichbarer' zu machen. "
Mit Wagners "Ring des Nibelungen" möchte Riga nun groß und international punkten, den Auftakt machte in der letzten Spielzeit Stefan Herheims fulminantes "Rheingold" - eine temporeiche Mischung aus Burleske, groteskem Vaudeville und einer intelligent-bildmächtigen Reflektion der Rezeption Wagners im Dritten Reich.
Die "Walküre" schlägt nun ein anderes Kapitel auf.
In einer Mischung aus antikem Amphitheater und modernem Sportstadion lässt Regisseur Viesturs Kairiss die Handlung spielen: der Kampf zwischen Siegmund und Hunding wird von grausamen Hooligans begleitet, die Walküren sind wilde Lack und Ledermädels mit kurzen Röcken und langen Beinen, und auf einem Videoscreen sieht man nicht nur Spielstände sondern auch ein Auge Wotans, das immer weiter zuschwillt. Und man sieht einen flimmernden Speer, der sich am Ende zu einem gleißend hellen Lichtfeld verwandelt, das Brünnhilde regelrecht zu verschlingen scheint.
Gesungen wurde in Riga auf sehr hohem Niveau: Jürgen Linn gab einen exzellenten Wotan, Olga Sergejeva eine expressive Brünnhilde und der funkelnde Sieglinden-Sopran von Elizabete Strida liess keine Wünsche offen. Eine sehr eigenwillige Intonation bot Jirki Antila als Siegmund, allerdings entschädigte er mit äußerst ausdauernden Wälse-Rufen.
Die Sensation des Abends jedoch stand am Pult und heißt Andris Nelsons. Wie schon das "Rheingold", legte Nelsons auch die "Walküre" sehr sängerfreundlich und extrem vielschichtig an: einen so gewaltig aufbrausenden, zugleich rhythmisch fast ins Walzerhafte gehenden Walkürenritt oder einen derart bestechend filigranen Feuerzauber hat man lange nicht gehört, vielleicht sogar noch nie.
Link: www.opera.lv
Zur Zeit der russischen Okkupation pflegte man sowohl das romantische Repertoire des Westens als auch die großen Schmachtfetzen aus der Heimat der Besatzer.
1990 stellte die Oper ihren Betrieb vorübergehend ein, um notwendige Sanierungen und technische Erweiterungen zu realisieren. 1995, vier Jahre nach der schwer erkämpften Unabhängigkeit Lettlands, öffnete das 1000-Plätze-Haus erneut seine Pforten und stürzte erstmal in ein organisatorisches wie künstlerisches Chaos. Innerhalb eines Jahres wechselten sich gleich drei Intendanten ab, übrig blieb Andrej Zagars, ein Schauspieler und Regisseur mit besten Kontakten ins Ausland. Zagars krempelte die Oper komplett um und die Auslastung stieg: zu Sowjetzeiten lag sie bei etwa 60 Prozent, heute sind es fast 90 Prozent. Mit zehn Millionen Euro im Jahr muss die Oper wirtschaften, ein Drittel kommt durch Kartenverkäufe herein, zehn Prozent sind Sponsorengelder, der Staat gibt sechs Millionen Euro. Das Programm in Riga reicht von einer rekonstruierten "Madame Butterfly" aus dem Jahr 1925 über aktuelle Choreographien bis hin zu avanciertem Regietheater.
Intendant Zagars legt zuweilen auch selbst Hand an, er versetzte unlängst Tschaikowskys "Pique Dame" sehr gekonnt und mit straffer Personenführung in ein sehnsuchtsvoll auf seine Vergangenheit blickendes Russland von heute. Tschaikowskys melancholisches Opernpersonal entpuppt sich bald als Clash verschiedener Milieus: es treffen sich neureiche Schnösel, arme Schlucker und altgewordene Aristokraten mit Hang zum Eskapismus. Das Zusammentreffen sehr unterschiedlicher Gesellschaftsschichten in seinem Haus, das ist für Andrej Zagars ein echtes Anliegen:
"Es war eines meiner Ziele, hier ein neues Publikum zu gewinnen. Nicht nur ein musikalisch gebildetes Publikum, sondern Menschen aus verschiedenen sozialen Gruppen und unterschiedlichen Alters. Es ist kein elitärer Club für besonders gebildete Leute, sondern wir versuchen etwa junge Leute anzusprechen, oder auch Leute mittleren Alters, die zum ersten Mal in die Oper kommen, die meinen, das ist zu schwierig für mich, das ist zu viel, das ist eher für die Upperclass oder für eine Wirtschaftselite. Wir versuchen, die Oper sozusagen 'erreichbarer' zu machen. "
Mit Wagners "Ring des Nibelungen" möchte Riga nun groß und international punkten, den Auftakt machte in der letzten Spielzeit Stefan Herheims fulminantes "Rheingold" - eine temporeiche Mischung aus Burleske, groteskem Vaudeville und einer intelligent-bildmächtigen Reflektion der Rezeption Wagners im Dritten Reich.
Die "Walküre" schlägt nun ein anderes Kapitel auf.
In einer Mischung aus antikem Amphitheater und modernem Sportstadion lässt Regisseur Viesturs Kairiss die Handlung spielen: der Kampf zwischen Siegmund und Hunding wird von grausamen Hooligans begleitet, die Walküren sind wilde Lack und Ledermädels mit kurzen Röcken und langen Beinen, und auf einem Videoscreen sieht man nicht nur Spielstände sondern auch ein Auge Wotans, das immer weiter zuschwillt. Und man sieht einen flimmernden Speer, der sich am Ende zu einem gleißend hellen Lichtfeld verwandelt, das Brünnhilde regelrecht zu verschlingen scheint.
Gesungen wurde in Riga auf sehr hohem Niveau: Jürgen Linn gab einen exzellenten Wotan, Olga Sergejeva eine expressive Brünnhilde und der funkelnde Sieglinden-Sopran von Elizabete Strida liess keine Wünsche offen. Eine sehr eigenwillige Intonation bot Jirki Antila als Siegmund, allerdings entschädigte er mit äußerst ausdauernden Wälse-Rufen.
Die Sensation des Abends jedoch stand am Pult und heißt Andris Nelsons. Wie schon das "Rheingold", legte Nelsons auch die "Walküre" sehr sängerfreundlich und extrem vielschichtig an: einen so gewaltig aufbrausenden, zugleich rhythmisch fast ins Walzerhafte gehenden Walkürenritt oder einen derart bestechend filigranen Feuerzauber hat man lange nicht gehört, vielleicht sogar noch nie.
Link: www.opera.lv