Freitag, 19. April 2024

Archiv

Wallenstein in Weimar
Kabarettistische Mätzchen mit Albernheitsfaktor

Mit einem Octavio als Manager von heute und einem Butler mit Laptop und Rollkoffer inszeniert Hasko Weber Schillers Wallenstein in der Neuzeit. Dramaturgisch klug gebaut, wirke die Inszenierung dennoch langatmig und spannungslos, meint unser Autor Hartmut Krug.

31.01.2015
    Aus der Tiefe des dunklen Raumes wanken zwei wackelbeinige Geistliche auf kreuzförmiger Spielfläche nach vorn. Servil und senil karikieren sie die Kapuzinerpredigt. Dann verwandeln sie sich: Auf weißem T-Shirt steht nun "Soldat". Und wieder bewegen sie sich, wie alle Figuren in Hasko Webers "Wallenstein"-Inszenierung, hin zum Publikum. Ein toller Beginn. Doch dann erleben wir am Nationaltheater Weimar viereinhalb lange Stunden Rampen-Sprechtheater von Individuen, die im Grunde alle mit sich selbst allein sind. Sogar in "Wallensteins Lager" gibt es keine größeren Gruppenarrangements. Und später, wenn das kreuzförmige einem leeren bühnenbreiten Podest gewichen ist, neben und hinter dem es nur wenige szenische Andeutungen gibt, auch dann werden einzelne durch Scheinwerfer heraus und andere ins Dunkel gestellt. Wer zu Wallenstein will, muss schon mal unter einem heruntergelassenen Eisernen Vorhang durchkriechen. Und das junge Liebespaar Max und Thekla findet sich auf zwei Seiten eines Grabens. Thekla, als Inbild von Jugend und Reinheit, ist auf einen lautlosen Ton gestimmt, währende Max als von innen strahlender, kräftig für Wahrheit und Ehrlichkeit Streitender daherkommt. Das verliebte blonde Paar widersteht der Anpassung nur um den Preis seines Untergangs.
    Denn was die Soldaten und ihre Führer zusammen hält, sind die eigenen Bedürfnisse. Also Geld, Titel, Macht:
    "Wir haben´s Heft noch in der Hand.
    Lassen wir uns auseinandersprengen,
    werden sie uns den Brotkorb höher hängen.
    Nein, das darf nimmermehr geschehn.
    Kommt: lasst uns alle für einen stehn.
    Freiheit ist bei der Macht allein.
    Ich leb und sterb´ für den Wallenstein."
    Hasko Webers leider nur etwas gekürzte "Wallenstein"-Fassung geriert sich zeitlos heutig. Die Offiziere mit Pistolen im Schulterhalfter, die Soldaten auch im KFOR-Outfit oder schwarz vermummt wie IS-Terroristen. Zu erkennen ist die Soldateska als sich selbst erhaltendes System. Die Offiziere wirken wie Desperados mit Ticks und Macken. Sprüche und kabarettistische Mätzchen sollen auflockern, wirken aber eher albern. So wird der koksende und manisch aggressive Feldmarschall Illo mal Super-Illo genannt, und Buttler und Octavio Piccolomini tauschen beim saufen Spießersprüche. Octavio wirft mit einem "Ciao bello" um sich. Er versucht, all die kleinen Offiziersseelen einzufangen. Anfangs mit Keksen und Schnaps, später, als er sie zum Abfall von Wallenstein bewegt, mit Drohungen und Gewinnversprechen.
    Dominique Horwitz versagt seinem Wallenstein jedes Charisma und Pathos. Womit er Schillers Sprache vor Adornos Vorwurf bewahrt, sie sei protzig und auftrumpfend. Wallenstein ist bei ihm kein imposanter Führer, sondern ein eigenbrötlerischer Denker, der sich vergeblich frei von Zwängen zu halten versucht:
    "Wär´s möglich? Könnt ich nicht mehr wie ich wollte? Nicht mehr zurück, wie mir´s beliebt? Ich müsste die Tat vollbringen, weil ich sie gedacht, nicht die Versuchung von mir wies, die Wege bloß mir offen hab gehalten?"
    "Beim großen Gott des Himmels, es war nicht mein Ernst."
    Wo Schiller einen Wallenstein zeigt, der im 30-jährigen Krieg durch Politik und Macht deformiert wird und sich als Subjekt verloren geht, sehen wir in Weimar einen aus der neuen Zeit fallenden Menschen. Der leider überchargierende Darsteller des Octavio gibt diesen als gewandten Manager von heute, während Buttler zum Meuchelmord an Wallenstein mit Laptop und Rollkoffer wie ein in die Höhen der Politik aufsteigender Intrigant erscheint.
    Wenn auch dramaturgisch klug gebaut, so wirkt die solide Inszenierung doch langatmig und spannungslos. Plump dräuende Musik und aufdringliche Schicksals- und Schlachtenlärm-Musik verstärken den Eindruck eines überdeutlichen Erklärtheaters.