Archiv


Walter sieht keine ernsthafte Inflationsgefahr

Nach Einschätzung des Chefvolkswirts der Deutschen Bank, Norbert Walter, gibt es derzeit keine ernsthafte Inflationsgefahr in Deutschland. "Da gibt es eine Reihe von Faktoren, die dem entgegenwirken", sagte Walter.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Die Weltbank will sich unter ihrem neuen Präsidenten Robert Zoellick künftig stärker dem Klimaschutz verschreiben sowie den privaten Sektor in den Entwicklungsländern stärken. Der Entwicklungsausschuss von Weltbank und IWF, dem Internationalen Währungsfonds, der über die langfristige Strategie im Namen der Mitgliedsstaaten entscheidet, stellte sich hinter diesen Vorstoß des Weltbankchefs. Der Kampf gegen die Armut in den betroffenen Staaten – viele davon ja südlich der Sahara – habe aber weiterhin Priorität, heißt es.

    Er gehörte zu den ersten, die vor den Gefahren für das deutsche Konjunkturpflänzchen gewarnt haben. Der Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar, das war die eine Größe und die andere der steigende Ölpreis. Nun ist noch eine weitere Bedrohung hinzugekommen, und zwar ergibt sich das aus dem Zusammenbruch des US-amerikanischen Immobilienmarktes. Dies alles fällt in eine Zeit, in der Überlegungen in der bundesdeutschen Politik, die eine oder andere Reform gegen den Rat der Wirtschaftsweisen zurückzuschrauben, sich breit machen. Am Telefon begrüße ich Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Guten Tag, Herr Walter!

    Norbert Walter: Guten Tag!

    Breker: Herr Walter, der Bundesbank-Präsident warnt vor inflationären Tendenzen. Er fürchtet, bei der Preissteigerung könnte am Ende eine drei vor dem Komma stehen. Ist das eine berechtigte Sorge? Ist das eine Sorge, die Sie teilen?

    Walter: Es könnte sein, dass unter extrem widrigen Umständen wir den einen oder anderen Monat haben, in dem so was herauskommt, und das wäre sicherlich sehr schmerzhaft, denn unsere Einkommen steigen ja nicht mehr sehr. Aber ich halte es nicht für das Wahrscheinlichste. Da gibt es eine Reihe von Faktoren, die dem auch entgegenwirken, und ich denke mir, dass die Entwicklung, die wir jetzt im späten Sommer hatten, durchaus Einmaligkeitscharakter hat, das heißt auch wieder korrigiert wird.

    Breker: Die Faktoren, die dem entgegenwirken, das sind in der Regel die Zentralbanken, die die Zinsen erhöhen. Aber die haben ja derzeit alle Hände voll zu tun derzeit mit der US-amerikanischen Immobilienkrise.

    Walter: Ja, aber man sollte nicht übersehen: Die Amerikaner hatten ja mal ein Prozent Zins für Geldmarktsätze und jetzt fünf Prozent. Da ist eine Zinserhöhung bereits drin. Diese Zinserhöhung hat auch gewirkt und hat auch zum Teil die Schwierigkeiten, die wir jetzt am Immobilienmarkt und für die Bauindustrie zu beobachten haben – die beiden Märkte haben ja in den USA jetzt schon Rezession –, ausgelöst. Also so ganz untätig waren die Zentralbanken nicht. Die übermäßig expansive Politik der Jahre 2003 bis 2006 ist korrigiert.

    Die Europäer hatten, weil die Konjunktur hier schwächer war, keinen solchen Anlass, die Zinsen so kräftig heraufzusetzen und meinen vielleicht jetzt noch, weil die Konjunktur in diesem Jahr in Europa und insbesondere in Deutschland eher besser lief als gedacht, dass sie jetzt sozusagen im Nachhinein noch etwas die Zinsen erhöhen können.

    Breker: Aber die Inflation könnte Ihnen da Probleme bereiten?

    Walter: Die Inflation könnte ein Argument sein, dass sie diese Haltung, dass man immer noch nicht bei normalen Zinssätzen in Europa ist, Rückenwind bekommen für ihre Argumentation. Ich halte diese Argumentation zwar für verständlich, aber ich teile die Analyse der Bundesbank beispielsweise nicht, dass sich in der nächsten Zeit aus dem, was wir da beobachtet haben, so etwas wie neue, höhere Inflationserwartungen ergeben können. Die Weltwirtschaft ist sehr wettbewerbsintensiv. In den USA gibt es einen Abschwung, der nicht aufhört, der sich im nächsten Jahr fortsetzen wird, möglicherweise bis ins Jahr 2009 hinein anhält. Ich bin auch davon überzeugt, dass einige der Sonderfaktoren dieses Herbstes dann halt eben sich nicht wieder fortsetzen, und damit kriegen wir auch wieder niedrigere Inflationsraten in Deutschland.

    Breker: (…) Das was bleibt, ist ja ein immens hoher Ölpreis, und der hat entsprechende Auswirkungen auf unsere Konjunktur.

    Walter: Ja. (…) Ich teile die Erwartung, dass der Ölpreis, der im Verlauf der letzten fünf Jahre ja nachhaltig sowohl über lange Zeit als auch kräftig gestiegen ist, dass uns dieses hohe Energiepreis-Niveau erhalten bleibt, weil ich davon überzeugt bin, dass wichtige Schwellenländer den Anschluss an die Weltwirtschaft suchen und auch finden können und damit in dieser Phase der besseren Ausstattung von Haushalten, der Änderung von Konsumgewohnheiten, den Autokäufen, dem Bau von Infrastruktur natürlich sehr viel Energie brauchen und damit die Energienachfrage hoch halten. Unglücklicherweise haben die Anbieter, die Unternehmen, die Energie anbieten, nicht übermäßig viel investiert. In einigen Ländern geht es nicht, weil es dort drunter und drüber geht, Irak oder Iran. So richtig geordnet ist Russland auch nicht, ein anderer, wichtiger Ölproduzent. Und die alternativen Energien, so wichtig sie sind, sie sind natürlich noch vom Gewicht her zu unbedeutend, als dass sie ein wirkliches Gegengewicht darstellen könnten und wirklich entlasten könnten in den nächsten fünf oder zehn Jahren. Und insofern glaube ich schon, die Annahme, dass uns hohe Ölpreise in der nächsten Zeit beschert sein werden, diese teile ich. Die wird natürlich dann auch für alle diejenigen, die die Rechnung zu bezahlen haben, die Energierechnung zu bezahlen haben, schmerzhaft sein.

    Wir Deutschen sollten aber insbesondere nicht übersehen, dass wir in dem Angebot von alternativen Energien einer der wichtigsten Anbieter sind und wir deshalb schon derzeit eine ganze Menge von Anlagen verkaufen können, in der Solarindustrie, in der Windindustrie, mit denen wir natürlich auch Geld verdienen können auf den internationalen Märkten. Und jetzt beginnen die internationalen Märkte, diese neuen Technologien auch wirklich anzunehmen. Die Amerikaner waren der wichtigste Absatzmarkt beispielsweise für Windenergieanlagen in diesem Jahr.

    Breker: Allerdings, Herr Walter, durch die Wechselkurse zwischen Euro und Dollar werden diese Anlagen für die Amerikaner teurer werden.

    Walter: Das ist wahr, und das wird auch etwas bremsen. Ja, das ist richtig. Aber im Moment sind wir technologisch so weit voraus, dass die meisten, die sich für erneuerbare Energien interessieren, an uns nicht vorbei kommen.

    Breker: Herr Walter, die Politik hat angesichts des Aufschwungs, der bei uns ja weiterhin besteht, nun Überlegungen, Korrekturen an der Agenda 2010 vorzunehmen. Ist das der richtige Weg?

    Walter: Meine Antwort darauf ist nein. Nicht, dass es keine Korrekturen an diesen Reformwerken geben könnte, die Sinn machten. Da gibt es durchaus eine Menge von bürokratischem Unsinn, das mit den Hartz-Gesetzen auf den Weg gebracht wurde. Und so etwas zu korrigieren, das sollte man dann, wenn man erkennt, dass dort handwerkliche Fehler gemacht wurden, dem sollte man nicht im Wege stehen. Aber was jetzt debattiert wird, ist ja was anderes. Man will jetzt, weil die Steuereinnahmen ein bisschen reichlicher gesprudelt haben und das Defizit in Deutschland sehr viel rascher zurückgeführt werden konnte als geplant, jetzt will man plötzlich wieder auf die andere Seite gehen und will Gnadengaben verteilen. dass es Leute gibt, die derzeit natürlich belastet sind und denen man unter die Arme greifen will, das verstehe ich ja. Aber das, was derzeit diskutiert wird, beispielsweise die Verlängerung der Bezugsdauer für Arbeitslosengeld, ist eine Maßnahme, die zwar gut gemeint ist. Das hat Herr Rüttgers ebenso vorgeschlagen wie der Herr Beck. Aber auch diese großkoalitionäre Zustimmung macht diesen Vorschlag nicht gut.

    Wenn jemand mehr als zwei Jahre nicht mehr im Arbeitsprozess ist, dann ist seine Chance, in den Arbeitsprozess reintegriert zu werden, sehr klein. Das hat man immer und immer wieder und nicht nur bei uns in Deutschland, sondern in anderen Ländern auch erfahren. Daraus haben andere Länder gelernt und haben solche langen Bezugsdauern abgeschafft. Sie haben das Arbeitslosengeld am Anfang komfortabel ausgestaltet, aber im Zeitablauf dann reduziert, damit man möglichst zügig auch eine andere Arbeit an einem anderen Arbeitsplatz, möglicherweise auch mit einem etwas geringeren Einkommen akzeptiert, weil das Wichtigste ist, dass man eben seine Beschäftigungsfähigkeit erhält. Dieser dynamische Gedanke, der scheint unseren Gerechtigkeitsfanatikern in der Großen Koalition kein Anliegen zu sein und dann passiert dann wohl jetzt etwas in der Korrektur der Hartz-Gesetze, was wir bald wieder bedauern werden.

    Breker: Also lieber in Senkung der Arbeitskosten investieren als in Arbeitslosigkeit?

    Walter: Absolut und deshalb ist auch der Schritt, dass jetzt der Überschuss der Bundesagentur zu einer rascheren Verminderung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge genutzt wird, absolut richtig und es ist gut, dass auch da die Große Koalition übereinstimmt. Das ist ein erfreulicher Tatbestand.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Norbert Walter. Er ist der Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Herr Walter, danke für dieses Gespräch.