Der Walzer ist emotional hochbesetzt, als ideologische Formel: Einerseits ist er heute Signum der Erstarrung eines sich selbst feiernden Bürgertums, das oft genug aus Neureichen besteht, nicht nur beim Opernball; andererseits ist er ein liebenswerter, beschwingter Reflex der k.u.k.-Monarchie, die als eine todessüchtige, dekadente Gesellschaft im Dreivierteltakt Vergessen (und auch so etwas wie ein tänzerisches, sexualisiertes Ausbrechen aus vorgegebenen erotischen Normen) finden wollte – und konnte.
Martin Schläpfer, der vor allem technisch virtuose Präzeptor des Mainzer Balletts, nutzt diese Musik zunächst einmal, um augenzwinkernd ins Altösterreichische zu kommen: mit allerlei choreographischen Elementen wie Spieluhren, Puppen, Wippen, Schaukeln, Karussels wird zunächst einmal nostalgisch dieses Ambiente beschworen, um die Tänzer dann als edle Lippizaner traben zu lassen, ironisch natürlich.
Die Frauen räkeln sich in lasziven, herausfordernden Posen, und auch wenn man nicht recht weiß, ob der ständig eingesetzte Spitzentanz nun die Geziertheit der k.u.k-Gesellschaft denunzieren oder nicht doch eher die technische Brillanz der Mainzer Compagnie demonstrieren soll, so gelingt Schläpfer doch ein wunderbares Pastell: Man sieht, was für eine träumerische Musik der Wiener Walzer aus der Fabrikation der Johann Straußschen Dynastie sein kann, eine Musik, die auch den Ausbruch aus Konventionen beförderte, ein narzisstisches Schweben und Dehnen; andererseits scheut sich Schläpfer nicht, zum Radetzky-Marsch von Strauß senior eine tänzerische Clownerie zu veranstalten: Der Solist Jörg Weinöhl zeigt einen eitlen, sich putzenden Offizier zwischen Angst und Gehorsam, zwischen Küß-die-Hand und Wildheit, martialischer Großkotzigkeit und Feigheit vor dem Feinde.
Den Gegenpol zur schönen blauen Donau bildet Nils Christes intime, todtraurige, virtuos durchstrukturierte "Requiem"-Choreographie zu einer Musik von Henryk Górecki. Dies ist der Höhepunkt des Abends. Eine schon Gestorbene sitzt am Ende einer Bank, die als langes rechteckiges Element, wie ein Stundenzeiger, wie eine Werkbank des Todes von den übrigen Tänzern geschoben wird, traurigen schwarzen Gestalten, die als Leichenzug Dehn- und Streckübungen absolvieren.
Das Religiös-Innerliche von Góreckis Musik steigert sich bisweilen in schrille Entsetzensschreie, die von Nils Christe in eine schreckensstarre Angst vor dem Tode übersetzt wird.
Noch einmal darf die aus dem Totenreich Gekommene sich aus der Depression erheben und mit einem Liebhaber stark sexualisierte Todesflüge unternehmen, um sich am Ende wie ein schwarzer Vogel an den Mann zu klammern.
Dann wieder grelles Licht und eine klinisch weiße Bühne – der Abend lebt von diesen Atmosphärenwechseln. Die Bühnenbildnerin Rosalie hat für den dritten Teil seltsame große Ballons, Wasserblasen, Lichtbeutel in den Raum gehängt: "Gota de Luz", Lichttropfen heißt Schläpfers Choreographie, die die gestauten Energien von Beethovens A-Dur-Sinfonie vertanzen will und Beethovens strahlende Pathetik dabei oft nur ironisch unterläuft.
Das fängt schon bei den Kostümen an: mit Badekappen und seltsam geschlechtsnivellierenden Röckchen für Männer wie Frauen wird eine Unterwasserwelt beschworen, in der die Tänzer als Freibadgesellschaft zunächst paarweise vorsichtig schreiten, dann aber zunehmend schlendern, trippeln, neckisch hüpfen, schweben, sich exaltieren. Im Hintergrund programmatisch ein neonbeleuchteter Sprungturm - gesprungen und gehoben wird hier zuhauf, und je nach musikalischer Farbe wird das Kostüm von schwarz nach blau und gelb gewechselt.
Die Compagnie agiert technisch auf höchstem Niveau; Martin Schläpfer aber lässt sich von seiner modischen Bühnenbildnerin dazu verführen, die Szene nur als Laufsteg für schöne, sich spreizende Körper zu nutzen. Schläpfer, der in der Spoerli-Tradition Neoklassik und modernen Tanz zu versöhnen sucht, verwässert hier leider die Konzentration dieses ansonsten wirklich großen Abends.
Martin Schläpfer, der vor allem technisch virtuose Präzeptor des Mainzer Balletts, nutzt diese Musik zunächst einmal, um augenzwinkernd ins Altösterreichische zu kommen: mit allerlei choreographischen Elementen wie Spieluhren, Puppen, Wippen, Schaukeln, Karussels wird zunächst einmal nostalgisch dieses Ambiente beschworen, um die Tänzer dann als edle Lippizaner traben zu lassen, ironisch natürlich.
Die Frauen räkeln sich in lasziven, herausfordernden Posen, und auch wenn man nicht recht weiß, ob der ständig eingesetzte Spitzentanz nun die Geziertheit der k.u.k-Gesellschaft denunzieren oder nicht doch eher die technische Brillanz der Mainzer Compagnie demonstrieren soll, so gelingt Schläpfer doch ein wunderbares Pastell: Man sieht, was für eine träumerische Musik der Wiener Walzer aus der Fabrikation der Johann Straußschen Dynastie sein kann, eine Musik, die auch den Ausbruch aus Konventionen beförderte, ein narzisstisches Schweben und Dehnen; andererseits scheut sich Schläpfer nicht, zum Radetzky-Marsch von Strauß senior eine tänzerische Clownerie zu veranstalten: Der Solist Jörg Weinöhl zeigt einen eitlen, sich putzenden Offizier zwischen Angst und Gehorsam, zwischen Küß-die-Hand und Wildheit, martialischer Großkotzigkeit und Feigheit vor dem Feinde.
Den Gegenpol zur schönen blauen Donau bildet Nils Christes intime, todtraurige, virtuos durchstrukturierte "Requiem"-Choreographie zu einer Musik von Henryk Górecki. Dies ist der Höhepunkt des Abends. Eine schon Gestorbene sitzt am Ende einer Bank, die als langes rechteckiges Element, wie ein Stundenzeiger, wie eine Werkbank des Todes von den übrigen Tänzern geschoben wird, traurigen schwarzen Gestalten, die als Leichenzug Dehn- und Streckübungen absolvieren.
Das Religiös-Innerliche von Góreckis Musik steigert sich bisweilen in schrille Entsetzensschreie, die von Nils Christe in eine schreckensstarre Angst vor dem Tode übersetzt wird.
Noch einmal darf die aus dem Totenreich Gekommene sich aus der Depression erheben und mit einem Liebhaber stark sexualisierte Todesflüge unternehmen, um sich am Ende wie ein schwarzer Vogel an den Mann zu klammern.
Dann wieder grelles Licht und eine klinisch weiße Bühne – der Abend lebt von diesen Atmosphärenwechseln. Die Bühnenbildnerin Rosalie hat für den dritten Teil seltsame große Ballons, Wasserblasen, Lichtbeutel in den Raum gehängt: "Gota de Luz", Lichttropfen heißt Schläpfers Choreographie, die die gestauten Energien von Beethovens A-Dur-Sinfonie vertanzen will und Beethovens strahlende Pathetik dabei oft nur ironisch unterläuft.
Das fängt schon bei den Kostümen an: mit Badekappen und seltsam geschlechtsnivellierenden Röckchen für Männer wie Frauen wird eine Unterwasserwelt beschworen, in der die Tänzer als Freibadgesellschaft zunächst paarweise vorsichtig schreiten, dann aber zunehmend schlendern, trippeln, neckisch hüpfen, schweben, sich exaltieren. Im Hintergrund programmatisch ein neonbeleuchteter Sprungturm - gesprungen und gehoben wird hier zuhauf, und je nach musikalischer Farbe wird das Kostüm von schwarz nach blau und gelb gewechselt.
Die Compagnie agiert technisch auf höchstem Niveau; Martin Schläpfer aber lässt sich von seiner modischen Bühnenbildnerin dazu verführen, die Szene nur als Laufsteg für schöne, sich spreizende Körper zu nutzen. Schläpfer, der in der Spoerli-Tradition Neoklassik und modernen Tanz zu versöhnen sucht, verwässert hier leider die Konzentration dieses ansonsten wirklich großen Abends.