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Wandel in Präsentation und Wahrnehmung

Das hat es lange nicht gegeben. Die Vertreibung der vielen Millionen Deutschen aus ihrer Heimat nach dem Zweiten Weltkrieg ist zu einem aktuellen Thema geworden. Nicht nur Schriftsteller, Journalisten und Historiker haben es entdeckt. Es ist Diskussionsgegenstand auf höchster politischer Ebene. Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein polnischer Amtskollege Leszek Miller debattieren darüber bei ihrem jüngsten Gipfeltreffen in Gelsenkirchen. Bei einer Unterredung des deutschen Außenministers Joschka Fischer mit dem tschechischen Außenminister Cyril Svoboda Ende des vergangenen Monats in Prag ist es zentraler Gesprächsinhalt.

Ute Flögel |
    Auslöser ist das geplante Zentrum gegen Vertreibungen. Die Idee dazu stammt von der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach. Unsere östlichen Nachbarn in der Tschechischen Republik und in Polen reagieren überwiegend erschreckt ablehnend. In Deutschland ist die Diskussion gespalten. Aber die Front zwischen Zustimmung und Ablehnung verläuft nicht mehr zwischen politisch Rechten und Linken. Die Situation gegenüber früher hat sich verändert.

    In den vergangenen Jahren ist etwas Erstaunliches geschehen: Politik und Gesellschaft haben sich auf umfassende Weise wieder dem Schicksal der Vertriebenen zugewandt und auf diese Weise dem Dialog mit den Vertriebenen, der über lange Zeit verschüttet schien, neuen Raum verschafft. Dass das gelungen ist, ist nicht zuletzt Ihr Verdienst, verehrte Frau Steinbach. Sie haben die Anliegen der Vertriebenen stets in einer Form vertreten, die den Dialog gefördert hat. Dazu gehören Festigkeit in den grundsätzlichen Fragen ebenso wie die Bereitschaft zur Aussöhnung. Dazu gehören der Anspruch auf die unverfälschte Erinnerung ebenso wie das Verständnis und das Mitgefühl für die leidvollen Erfahrungen anderer. Dazu gehören das Fernhalten von Hass und Vergeltungsforderungen.

    Bundesinnenminister Otto Schily am 6. Mai dieses Jahres in Berlin. Er ist Ehrengast und Festredner bei einer Feierstunde zum Inkrafttreten des Bundesvertriebenen-Gesetzes vor 50 Jahren. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach, zeichnet ihn mit der Wenzel-Jaksch-Medaille des Vertriebenen-Verbandes aus - als Dank und Anerkennung für sein "Engagement zur Wiederbelebung des Dialogs zwischen der Sozialdemokratie und den deutschen Heimatvertriebenen."

    Beinahe 60 Jahre nach den turbulenten Vertreibungs-Erlebnissen infolge des Zweiten Weltkrieges und nach jahrzehntelanger Ignoranz erfahren die Betroffenen, dass ihr Schicksal öffentlich zur Kenntnis genommen wird. Ihre offizielle Interessenvertretung, der Bund der Vertriebenen, ist hoffähig geworden. Hat sich die Vertriebenenpolitik geändert oder ihre öffentliche Wahrnehmung?

    Es stimmt beides. Die öffentliche Wahrnehmung ist eine andere, aber auch die Artikulationsform ist eine andere. Jeder Mensch ist anders. Ich gehe gern auf Menschen zu, spreche mit ihnen auch gerne eine kontroverse Situation an. Das führt häufig dazu, dass man dann aus dieser Kontroverse heraus Gemeinsamkeiten entdeckt. Und ganz wesentlich erscheint mir schon, dass wir als Verband mit Menschenrechts-Anliegen so viele Gesprächspartner wie möglich gewinnen und auch von diesen Anliegen überzeugen können. Und das ist schon in einem erheblichen Ausmaß in den letzten Jahren gelungen. Wobei der Verband selber – auch das muss man sehen – über viele, viele Jahre insbesondere nach dem Fall der Mauer und des Eisernen Vorhanges ja enge Kontakte hat in die Heimatgebiete. Da haben sich Freundschaften entwickelt, da sind Partnerschaften entstanden durch direkte persönliche Kontakte, sodass die Heimatvertriebenen selbst sehr viel zum Gemeinsamen in Europa beigetragen haben, ohne Groll im Herzen.

    Erika Steinbach, seit Mai 1998 Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, markiert auch durch ihre Person eine neue Ära. Charmant, "verbindlich im Ton und beharrlich in der Sache", wie sie in einer Laudatio anlässlich ihres 60. Geburtstages kürzlich charakterisiert wurde, entspricht sie schon äußerlich nicht den klischeehaften Vorstellungen vom "Vertriebenen-Funktionär". Ihre Vorgänger hatten allerdings auch nicht nur gegenüber den ideologisch-politischen Anfeindungen aus den kommunistischen Nachbarländern zu bestehen, sondern vor allem und viel schmerzlicher gegenüber der Abneigung und Wahrnehmungsverweigerung im eigenen Land.

    In der ersten Nachkriegszeit leisteten verschiedene Vorgänger-Organisationen des Bundes der Vertriebenen unschätzbare Dienste für die Familienzusammenführung, im Rahmen von Suchdiensten und Selbsthilfe-Organisationen. Der Weg zu einem Gesamtverband war nicht nur durch das anfängliche "Koalitionsverbot" der Militärregierungen erschwert, sondern auch wegen der zunächst vollzogenen landsmannschaftlichen und ständischen Gruppenbildung unter den Vertriebenen sehr kompliziert und langwierig. Erst im Juli 1959 entstand der endgültige Gesamtverband Bund der Vertriebenen.

    Die ersten Jahre unter den Präsidenten Hans Krüger, Wenzel Jaksch und Reinhold Rehs galten vor allem der Eingliederung der Vertriebenen – mit der hartnäckigen Arbeit am Lastenausgleichs- und am Bundesvertriebenen-Gesetz. Die Rückgewinnung der deutschen Ostgebiete jenseits von Oder und Neiße galt bis zum Ende der 60er-Jahre noch als selbstverständliches außenpolitisches Ziel aller politischen Parteien und wurde auch von SPD-Politikern wie Kurt Ollenhauer und Herbert Wehner vehement gefordert. Dies änderte sich erst mit der Ostpolitik Willy Brandts.

    Am 10. März 1970 wenige Monate nach dem Amtsantritt Willy Brandts als Bundeskanzler, wurden mit Herbert Czaja und Herbert Hupka zwei Bundestagsabgeordnete an die Spitze des BdV gewählt, die jahrzehntelang als die Vertriebenen-Funktionäre schlechthin das Erscheinungsbild des Verbandes prägten. Der Präsident Czaja profilierte sich von Anfang an als ein engagierter Gegner der Koexistenzpolitik der Regierung Brandt mit seinem Sicherheitsberater Egon Bahr und seinem Außenminister Walter Scheel. Er wurde nicht müde, auf die gültige Rechtslage hinzuweisen, nach der eine Grenzfestlegung an Oder und Neiße einer friedensvertraglichen Regelung vorbehalten sei, an der ganz Deutschland im Zusammenwirken mit den Verbündeten beteiligt sein müsse. Zwei Monate nach seiner Wahl zum BdV-Präsidenten erklärte Czaja in einem Deutschlandfunk-Interview am 10. Mai 1970:

    Jedenfalls werden wir mit allen legalen Mitteln solche Abmachungen, die endgültig versuchen, Gebietsabtretungen durchzuführen, und die die Menschen- und Gruppenrechte nicht durchsetzen, bekämpfen. Wir werden uns gegen eine Anerkennung der Oder-Neiße-Linie wenden. Wir werden solche Abmachungen, auch wenn sie eine schwache Mehrheit erhalten sollten, weiterhin im Sinne einer freien politischen Meinungsbildung bekämpfen. Wir sind der Meinung, dass solche unzulängliche und ungerechte Abmachungen, die die Tür für europäische Lösungen in den umstrittenen Gebieten zuschlagen, nicht Bestand vor der Geschichte haben werden und dass wir alle Möglichkeiten des Wandels in der Weltpolitik ausnützen sollen, um sie mit friedlichen Mitteln zu revidieren.

    Seinen größten Erfolg als BdV-Präsident konnte Czaja verbuchen, als mit fachlicher Unterstützung des Bundes des Vertriebenen durch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ein wegweisender Beschluss erwirkt wurde. Am 7. Juli 1975 stellte das Oberste Gericht fest, dass durch die 1970 abgeschlossenen Gewaltverzichts-Verträge der Bundesrepublik Deutschland mit Warschau und Moskau die Gebiete östlich von Oder und Neiße fremder, staatsrechtlicher Souveränität nicht endgültig unterstellt seien. Durch diesen Beschluss war zumindest sicher gestellt, dass die in der Heimat verbliebenen Deutschen weiterhin deutsche Staatsbürger blieben.

    Die für die deutschen Heimatvertriebenen enttäuschenden Grenzverträge mit Polen und der Tschechischen Republik in den Jahren 1990/91, die als Preis für die Wiedervereinigung West- und Mitteldeutschlands in Kauf genommen wurden, stellten den Bund der Vertriebenen vor eine ernste Zerreißprobe. Offen zu Tage trat der Streit bei der Bundesversammlung am 25. April 1995 in Berlin, als die Wachablösung des 79-jährigen Herbert Czaja nach 24 Jahren BdV-Präsidentschaft anstand. Sein lang-jähriger enger Mitarbeiter Rudolf Wollner, der für die Nachfolge kandidierte, erhielt viel Applaus, aber wenige Stimmen, als er die Revision der Verträge als Ziel seiner Arbeit ausgab. Neuer BdV-Präsident wurde der CSU-Bundestagsabgeordnete Fritz Wittmann mit dem Bekenntnis:

    Ich respektiere die Oder-Neiße-Grenze in ihrer völkerrechtlichen Regelung. Politisch halte ich diese Regelung für falsch.

    Wittmann versprach, er werde nichts gegen die Verträge unternehmen, sondern sie mit Leben erfüllen: die Minderheiten- und Volksgruppenrechte für die Landsleute jenseits der Grenzen ausgestalten, kulturelle Zusammenarbeit und gemeinsame Geschichtsbetrachtungen mit den Nachbarvölkern fördern, damit die Menschen Gelegenheit haben, die historische Wahrheit kennen zu lernen.

    Und aus der Wahrheit kann dann auch etwas erfolgen, was dann nicht mehr eine Debatte über Grenzen usw. ist, sondern eine Debatte über Grenzen hinweg. Dass die Grenzen mehr was Verbindendes haben als was Trennendes. Ich bin überhaupt persönlich der Meinung, dass Staatsgrenzen heutzutage ihren Sinn verloren haben.

    Obwohl Fritz Wittmann einen politisch und personell völlig veränderten BdV repräsentierte, wurde dies öffentlich kaum zur Kenntnis genommen. Andererseits fanden plötzlich die deutschen Heimatvertriebenen und ihr Schicksal zunehmendes Interesse. Die Medien berichteten umfangreich und mitfühlend über die Vertreibungen. Die Parteien des Deutschen Bundestages – außer der PDS – stellten in einer gemeinsamen Erklärung fest, dass die Vertriebenen durch ihr besonderes, hartes Schicksal die Last der Verantwortung für die Verbrechen des Dritten Reiches tragen mussten und dass das die Solidarität aller Deutschen mit den Vertriebenen begründe. Und Bundesinnenminister Otto Schily bekannte schließlich bei der Festveranstaltung zum 50. Jahrestag des Bundes der Vertriebenen am 29. Mai 1999 im Berliner Dom:

    Die politische Linke hat in der Vergangenheit, das lässt sich leider nicht bestreiten, zeitweise über die Vertreibungsverbrechen, über das millionenfache Leid, das den Vertriebenen zugefügt wurde, hinweggesehen, sei es aus Desinteresse, sei es aus Ängstlichkeit vor dem Vorwurf, als Revanchist gescholten zu werden, oder sei es in dem Irrglauben, durch Verschweigen oder Verdrängen eher den Weg zu einem Ausgleich mit unseren Nachbarn im Osten zu erreichen. Dieses Verhalten war Ausdruck von Mutlosigkeit und Zaghaftigkeit. Inzwischen wissen wir, dass wir nur dann, wenn wir den Mut zu einer klaren Sprache aufbringen und der Wahrheit ins Gesicht sehen, die Grundlage für ein gutes und friedliches Zusammenleben finden werden.

    Und dann hatte Erika Steinbach die Idee, das Schicksal der Vertriebenen und ihre Eingliederung in der Bundesrepublik Deutschland in einem "Zentrum gegen Vertreibungen" zu dokumentieren. Am 6. September 2000 wurde eine entsprechende Stiftung gegründet. Der im vergangenen Jahr nach einer ersten vierjährigen Amtsperiode wieder gewählten BdV-Präsidentin gelang es, Unterstützung aus allen politischen Lagern dafür zu bekommen. Der Jury des in diesem Jahr zum ersten Mal verliehenen Franz-Werfel-Menschenrechtspreises gehören Intellektuelle von Otto von Habsburg, dem letzten Kaiser-Enkel, bis zu Daniel Cohn-Bendit, dem Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, an. Auch der Schriftsteller Ralph Giordano, ein Überlebender des Holocaust, ist Jury-Mitglied.

    Die Kontaktaufnahme zwischen Steinbach und Giordano sei langwierig gewesen, bestätigen beide. Es hab lange Telefonate und eindringliche Briefwechsel gegeben, sagt Giordano in seiner Laudatio bei der Preisverleihung in der Frankfurter Paulskirche am 29. Juni dieses Jahres.

    Trotz kontroverser Standpunkte ein überraschend langes Gespräch, mit beiderseitiger Neugierde; danach weitere Telefonate; eine erste Begegnung, wechselseitige Sympathien, die gut taten. Und doch ein Kontakt mit einem für mich bis dahin eher ungewohnten Topos. Das Leid der Vertriebenen zwar war mir nie gleichgültig, wofür meine tiefe Affinität für Ostpreußen bürgt, und die Integrierung der Vertriebenen mir als beispiel-lose Leistung vollkommen bewusst. Aber da waren auch lange Erfahrungen meinerseits mit einer Verbandspolitik, die für mich gekennzeichnet war von irritierender Verdrängung der Vorgeschichte der Vertreibung; offensichtlich tiefen Berührungsängsten gegenüber der Nazizeit und ihren Verstrickungen; einseitiger Anklage über deutsches Leid danach, ohne erkennbar innere Beziehung zu deutschverursachtem Leid davor. Aber nun dies In dem Gefühl: "Hier hat sich etwas geändert", ergriff ich die ausgestreckte Hand gern und trat der Jury des "Franz-Werfel-Menschenrechtspreises" bei.

    Als dies bekannt geworden sei, habe es öffentliche und interne Unruhe gegeben, Aufgebrachtheit, Kritik und Warnungen vor Instrumentalisierung, sagt Giordano. Er habe sie nicht leicht genommen, vor allem die jüdischen nicht. Deshalb sein Credo:

    Die Humanitas ist unteilbar! Die Vorgeschichte der Vertreibung rechtfertigt kein einziges Verbrechen, keine einzige Menschenrechtsverletzung an den Vertriebenen. Aber ohne die Vorgeschichte der Vertreibung hätte es kein einziges Verbrechen an Vertriebenen, keine einzige Menschenrechtsverletzung, keine Geschichte der Vertreibung gegeben! Wer die Vorgeschichte der Vertreibung verdrängt, verstößt gegen die Unteilbarkeit der Humanitas, wie der, der die Nachgeschichte ausblendet.

    Der Plan, ein "Zentrum gegen Vertreibungen" zu errichten, und vor allem sein geplanter Standort Berlin, haben erneut zu heftigen Diskussionen sowohl in Deutschland als auch in den östlichen Nachbarländern geführt. Zum Teil scheinen die alten Klischees und Vorurteile gegen den Bund der Vertriebenen wieder aufzuerstehen. So warnte zum Beispiel der Schriftsteller Günter Grass bei einer Podiumsdiskussion in der Berliner Akademie der Künste am 18. Juni dieses Jahres davor, allein den Flüchtlingsverbänden die Verantwortung für diese Einrichtung zu überlassen, weil sie damit überfordert wären.

    Ich sehe mit Skepsis, dass die Vertriebenenverbände eine Art Federführung dort haben. Über Jahrzehnte hinweg hat es Nationalisten auf beiden Seiten gegeben, auf polnischer wie auf deutscher Seite. Die Ressentiments wurden wachgehalten. Jeweils in Wahlkämpfen wurden die Flüchtlinge instrumentalisiert. Wir haben den Streit um die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Und ich habe das unter Schmerzen von mir aus sehr früh getan. Ich habe diese Auseinandersetzungen noch alle im Ohr und auch die Beschimpfungen von Seiten der Flüchtlingsverbände. Da hat sich mittlerweile - auch das ist ein Verdienst von Frau Steinbach – im Ton einiges geändert. Und ich bin auch dafür, dass es eine Beteiligung gibt, warum nicht. Aber es müssen andere Gruppen gleichzeitig mit dabei sein, die auch mit Vertreibung ihre Erfahrung gemacht haben.

    Der 1943 in Rahmel bei Danzig geborenen Erika Steinbach, die die Vertreibung als ganz kleines Kind erlebte und deren Eltern eigentlich aus Hessen stammen, ist es offenbar gelungen, die Vertriebenen aus ihrer politischen Isolation zu holen. Mit ihrem Bemühen, nicht "im eigenen Leide" zu verharren, verbindet sie eine klare Vertretung der Vertriebenen-Anliegen, wo eine Klärung und Regelung noch aussteht. Dabei geht es nicht um Grenzverschiebungen und Gebietsansprüche, wohl aber um eine Form der Wiedergutmachung.

    Jede Bundesregierung, auch die jetzige, hat auf Nachfragen deutlich gemacht, dass die Frage der Entschädigung nicht gelöst ist. Die Vermögensfragen sind offen, so lautet die regelmäßige Antwort seitens der Bundesregierung, auch von dieser Bundesregierung. Das muss jeder für sich selber entscheiden. Wir seitens des Verbandes artikulieren das so, dass ich glaube, es ist wichtig, dass unsere Nachbarn das Vertreibungs-Unrecht für sich selber aufarbeiten und nach Wegen der Heilung suchen, um damit auch ein Stück an Symbolik – zumindest an Symbolik – deutlich zu machen. Ungarn hat das geschafft, hat das schon 1992 auf den Weg gebracht, ein Entschädigungs- und Reprivatisierungsgesetz, das vom Wert her, vom finanziellen Wert her, nicht bedeutend gewesen ist, aber vom ideellen Wert her das Signal gesetzt hat: Wir wollen ins Reine kommen mit dieser Frage aus der Vergangenheit in einer positiven Art und Weise, in der wir dann auch die Opfer als Opfer behandeln und fürsorglich an ihrer Seite stehen.

    Mit ihrem Eintreten für die Menschenrechte und ihrem Bemühen, Vertreibungen als Mittel der Politik zu ächten, vertritt die BdV-Präsidentin Grundwerte des zukünftigen menschlichen Zusammenlebens in Europa und weltweit. Der Ansatzpunkt zum Verständnis dafür ist die Akzeptanz der deutschen Heimatvertriebenen im eigenen Land ebenso wie in den Nachbarländern, aus denen sie vertrieben wurden.

    Es liegt mir am Herzen, dass das Thema Vertreibung nicht nur eine Angelegenheit der Vertriebenen selber ist, also der Menschenrechts-Opfer, denn Vertreibung ist ein schweres Menschenrechts-Vergehen, sondern dass es Anliegen aller Deutschen wird. Und dass in unseren Nachbarländern sich die Menschen damit sachlich auseinandersetzen, dass sie erforschen, was ist geschehen. Da möchte ich aber unseren Nachbarländern nicht hineinreden. Ich glaube, das muss jedes Land, das muss Polen, das muss die Tschechische Republik für sich lösen. Eines allerdings werde ich niemals unwidersprochen hinnehmen, wenn man sich so artikuliert, dass am Ende die Vertreibung noch als gerechte Strafe angesehen wird. Wer so etwas sagt, denkt in den Kategorien von Blutrache. Und über diesen Stand sollten wir in Mitteleuropa doch längst hinausgewachsen sein. Da scheint noch eine Menge Furcht vorhanden zu sein.