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Wanderungsbewegungen
DNA könnte eine mysteriöse Einwanderungswelle aufklären

DNA ist ein heikles Molekül: Vor allem in warmen Klimaten zersetzt es sich schnell. Forschern ist es jetzt aber gelungen, ein Menschen-Genom aus dem prähistorischen Afrika zu entschlüsseln. Es belegt, dass der Kontinent schon früh nicht nur Ausgangs-, sondern auch Zielpunkt wichtiger Wanderungsbewegungen war.

Von Dagmar Röhrlich | 09.10.2015
    Das Skelett entdeckten Forscher in der Mota-Höhle in Südäthiopien. Die Datierung zeigte, dass der Mann dort vor etwa 4.500 Jahren beerdigt wurde. Er starb also lange vor einer mysteriösen Rückwanderungswelle, die vor rund 3.000 Jahren Afrika erreichte. Damit sollte die DNA des Mota-Manns also - wenn man so will – "rein afrikanisch" sein. Die Genom-Analyse gelang. Und so konnten die Genetiker sein Erbgut mit dem von 75 anderen Populationen aus Afrika und Eurasien vergleichen - und damit die Migrationswelle zurück nach Afrika genau rekonstruieren.
    "Am größten ist der Einfluss der Einwanderer in Nordostafrika, in Regionen, die nahe am Mittleren Osten liegen. Bei den Tigray in Äthiopien macht er beispielsweise bis zu 55 Prozent des Genoms aus. Es gibt ein klares Muster: In Äthiopien, Ägypten oder dem Sudan ist der Einfluss der Einwanderer im Genom heutiger Afrikaner sehr groß. Zum Westen und Süden Afrikas hin wird er geringer. Aber das Erstaunliche ist, dass es nie weniger als 6,5 Prozent sind", erklärt Marcos Gallego Llorente von der University of Cambridge. Die neuen Daten verändern das Bild, das sich Populationsgenetiker von der Bevölkerung Afrikas machen: "Wenn man schaut, welche Spuren diese prähistorische Wanderbewegung im Erbgut heutiger Afrikaner hinterlassen hat, scheinen die Yoruba in Nigeria den geringsten Einfluss von außen zu haben. Deshalb hatte der US-Genetiker Joseph Pickrell von der Harvard Medical School das Genom der Yoruba zur Null-Linie erklärt. Unseren Analysen zufolge besitzen sowohl die Yoruba, als auch die bislang als recht unbeeinflusst geltenden Mbuti im Kongo-Becken und die Khoisan im Süden einen deutlichen DNA-Anteil aus dem westlichen Eurasien. Er liegt zwischen sechs und acht Prozent. Von den heute lebenden Afrikanern ist das südäthiopische Volk der Ari am nächsten mit dem Mann aus der Mota-Höhle verwandt."
    Einwanderer verhalfen der Landwirtschaft zum Durchbruch
    Die Immigration vor 3.000 Jahren war sehr viel ausgeprägter als angenommen: Am Horn von Afrika machten die Neuen wohl bis zu 30 Prozent der Bevölkerung aus. Im Lauf der Generationen verbreiteten sich die Menschen von da aus über den ganzen Kontinent, hinterließen überall ihre genetischen Spuren. Und die Einwanderer, sie stammten wahrscheinlich aus der Region des Fruchtbaren Halbmonds zwischen der Levante und dem Zweistromland, erklärt Marcos Gallego Llorente: "Dort ist vor etwa 10.000 Jahren die Landwirtschaft entwickelt worden, und von da aus brachten Auswanderer sie vor etwa 8.000 Jahren nach Europa. Vor 3.000 Jahren machten sich dann wahrscheinlich eng mit den früheren Auswanderern verwandte Gruppen von dort auf und zogen diesmal nach Afrika."
    Sie brachten den Weizen mit, Gerste oder Linsen, die vorher in Afrika unbekannt gewesen waren. "In Afrika gab es damals bereits Ackerbau und Viehzucht, aber diese neuen Feldfrüchte, die die Leute aus dem Mittleren Osten einführten, verhalfen der Landwirtschaft wahrscheinlich zum Durchbruch." Warum jedoch die Menschen damals ausgewandert sind, die Region zwischen Anatolien und dem Nahen und den Mittleren Osten verließen und nach Afrika zogen, weiß niemand. Offensichtliche klimatische Gründe wie beispielsweise ausgeprägte Dürrezeiten lassen sich jedenfalls nicht festmachen.