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Wanderverhalten von Raben
Freunde machen seßhaft

Zwei bis drei Freundschaften, manchmal ein bester Freund: Raben führen ein komplexes Gruppenleben. Diese Beziehungen sichern ihnen Vorteile, beispielsweise bei der Futtersuche. Doch die Auswirkungen reichen noch viel weiter, wie Forscher nun herausgefunden haben.

Von Michael Stang |
    Kolkrabe (Corvus corax)
    Soziale Intergration spielt im Gruppenleben der Raben eine große Rolle (imago / Reiner Bernhardt)
    Wenn Wissenschaftler das Gruppenverhalten einer Tierart erforschen wollen, konzentrieren sie sich meist auf das Paarungs- und Brutverhalten, sagt Thomas Bugnyar von der Universität Wien. Der Kognitionsbiologe forscht an Raben.
    "Bei den Raben ist es so, die werden mit drei Jahren etwa geschlechtsreif und in der Literatur kann man dann lesen, dann verpaaren sie sich und werden territorial und fangen an zu brüten. Das ist die Theorie. In der Praxis schaut das so aus, dass, wenn die Population gesättigt ist, sind keine Territorien zur Verfügung, das heißt, sie können zum Brüten erst dann anfangen, wenn wieder irgendwo etwas frei wird."
    Wichtige soziale Bindungen
    Das Gruppenleben der Raben ist demnach komplizierter als angenommen. Deshalb interessiert sich der österreichische Wissenschaftler besonders für das soziale Miteinander nicht-brütender Kolkraben.
    "Man findet dann eben, wenn man unter den Nicht-Brütern schaut, Individuen, die den Anschein machen, wie wenn sie verpaart wären und dann schaut man, wie alt die sind und dann sind die ein Jahr alt, also die sind bei Weitem noch nicht geschlechtsreif. Das heißt, die machen eben, wir nennen es Beziehungen, gute freundschaftliche Beziehungen oder Freunde, wenn man so will und diese Beziehungen sind kaum zu unterscheiden von diesen Paarbeziehungen."
    Diese Beziehungen oder Freundschaften bergen eine Reihe von Forschungsfragen. Könnten sie ein Grund für die kognitiven Leistungen der Raben sein? Wie entstehen sie und wie werden die Zweiergruppen - meist ein Weibchen und ein Männchen - gepflegt? Raben haben meist zwei bis drei solcher Freundschaften, die unterschiedlich lange halten. In der Regel gibt es aber einen besten Freund.
    Wanderverhalten über drei Jahre verfolgt
    Die Vögel setzen diese Allianzen im täglichen Leben ein und verschaffen sich dadurch Vorteile beim Futtersuchen oder in der Hierarchie, indem sie sich gegenseitig unterstützen. Das sei etwas, was sein Forschungsfeld bis jetzt unterschätzt habe, so Thomas Bugnyar. Ein weiterer Faktor, der das soziale Miteinander der nicht-brütenden Raben prägt, ist ihr Wanderverhalten. Um deren Aktionsradius zu untersuchen, haben er und seine Kollegen 30 Tiere mit GPS-Sendern ausgestattet und die Daten aus drei Jahren ausgewertet.
    "Es ist sehr unterschiedlich. Es gibt Individuen, die bleiben die ganze Zeit im Tal und die Distanz, die sie zurücklegen, ist vielleicht einen Kilometer maximal - hin und her - innerhalb von fünf Jahren, also quasi nichts, sie sind wirklich lokal. Und andere können von Bayern runter nach Italien, Südrand der Alpen, das zweimal im Jahr hin und her machen, das ist überhaupt kein Problem. Also, die können sehr große Distanzen zurücklegen, wenn sie wollen, aber sie tun es nicht immer."
    Es gibt keinen einfachen Grund wie Alter oder Geschlecht, der erklären könnte, weshalb ein Tier geht oder bleibt. Auch eine mögliche Nahrungsknappheit spielt keine Rolle, da sich alle markierten Tiere in der Nähe von Tierparks aufhielten, wo es reichlich Futter gibt. Aber offensichtlich gibt es individuelle Präferenzen, die darüber entscheiden, ob ein Vogel ortstreu ist oder täglich bis zu 160 Kilometer weit fliegt. Klären sollen diese offenen Fragen weitere Untersuchungen an Raben in Italien, Österreich und Frankreich.
    "Wir hoffen auf etwa 50 bis 60 Raben, die wir mit Sendern ausstatten können. Und somit könnten wir dann zum Beispiel auch sagen, ob die gemeinsam irgendwo hingehen oder ob sich Individuen, die lange Zeit voneinander entfernt sind, an unterschiedlichen Plätzen wieder treffen. Das können wir schon zeigen, dass das passiert, aber wie oft das passiert, das wissen wir noch nicht."
    Werden Raben mit Freundschaften seßhaft?
    Denkbar sei, dass manche Raben ihre Freundschaften über lange Distanzen hinweg pflegen und einige reiselustige Tiere in jedem Tal jeweils einen Freund oder eine Freundin haben. Es könnte aber auch ganz anders sein.
    "Unsere Arbeitshypothese im Moment ist, dass es da um die soziale Integration geht. Also die Raben, die es schaffen, Freundschaften zu bilden und die auch zu behalten, die bleiben, und die, die das nicht so gut schaffen, die versuchen es woanders. Somit könnte man erklären, warum bestimmte Individuen Freundschaften länger halten können und warum bei anderen wiederum die Freundschaften eher aufbrechen. "
    Thomas Bugnyar und seine Kollegen vermuten, dass ortsansässige Raben die Ausnahme sind, und die Vögel eher größere Distanzen zurücklegen. Wenn es aber einem Tier an einem Platz besonders gut gefällt, bleibt es oder entwickelt zumindest eine Präferenz dafür, diesen Ort immer wieder für längere Zeit aufzusuchen.