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Warendepot auf dem Berg

Archäologie. - Auf einem Berg nahe der nordzyprischen Ortschaft Kral Tepesi haben Archäologen der Universität Famagusta die Überreste einer spätbronzezeitlichen Siedlung gefunden, die offenbar ein bedeutendes Handelszentrum darstellte. Bei einer ersten Grabungskampagne entdeckten die Wissenschaftler große Mengen von Tongeschirr.

Von Klaus Herbst | 06.12.2005
    "Es ist bisher der größte Fertigwarenhort, der je auf Zypern gefunden worden ist: sechsundzwanzig Stücke von mehr als fünfzehn Kilo Gewicht, das heißt also ein enormer Wert, der damals vergraben wurde. Was wir auch gleich gesehen haben, dass auf diesem Berggipfel ein kleines Plateau ist, wo sehr viele Architekturreste sichtbar waren. Das war uns dadurch sofort klar: Wir sind da nicht im Nichts, sondern sind da inmitten einer großen Siedlung drin."

    ... sagt der ehemalige Heidelberger Archäologe Uwe Müller, der heute in Famagusta (Nordzypern) arbeitet. Große Vorratsgefäße sind bereits gesichert worden. In der späten Bronzezeit boten sie Lagermöglichkeiten für Tausende Liter von Flüssigkeiten auf Olivenölbasis. Reibsteine, Mörser und Stößel deuten auf die Produktion von Parfüms, Kosmetika sowie auf berauschende und medizinische Drogen hin. Gefundene Feingewichte aus wertvollem Material mit kunstvoller Verzierung und Reste einer Waage verweisen auf intensiven, globalen Handel. Müller:

    "Dieser Schatzfund wurde in der Mitte einer Stadt gefunden, und der ganze Berg ist eine Stadt, eine Stadt von erheblicher Ausdehnung, vergleichbar mit anderen spätbronzezeitlichen Zentralsiedlungen, wie auf Zypern zum Beispiel Enkomy, Zythion, in Syrien Ugarith oder Mykene in Griechenland. Es sind alles Orte, die aus derselben Zeit besiedelt waren. Das heißt wir wußten, wir haben hier einen Ort von zentraler Bedeutung, mit Sicherheit in dieser Zeit auch mit großen, internationalen Kontakten. In diesem palastähnlichen Gebäude wurde nicht gewohnt, wurde nicht gegessen. Wir haben keine Tierknochen, nichts, es gibt keine Küche, aber es wurde der Reichtum gebunkert, den diese Gesellschaft angesammelt hat, und es wurde verschifft, verhandelt, verpackt. Die wenigen Leute, die das Recht hatten, dort hochzugehen, die lebten nicht da, die lebten unten auf der höchsten Terrasse."

    Da die ärmliche türkisch-zyprische Verwaltung im Norden der Insel mit so einer Entdeckung überfordert ist, hat sich Müller wie ein Freund und Pädagoge direkt an die heutigen türkischen Bewohner eines Dorfes gegenüber der Fundstelle gewandt - die einzige Hoffnung, echten Kunsträubern wirksam zu begegnen. Müller:

    "Das Department of Antiquities unterstützt uns auf hervorragende Art und Weise. Die haben nun wirklich kein Geld, aber sie versuchen eben, auch einen Wächter dort zu installieren. Dazu arbeiten wir ganz, ganz eng mit den Leuten am Ort zusammen. Diese Leute sind keine Neusiedler, das sind Leute, die schon seit vielen, vielen Generationen dort ansässig sind. Die sprechen heute auch noch griechisch, sind aber Moslems; da fanden keinerlei Vertreibungen statt. Die sind furchtbar stolz auf ihren Fundort, denn es ist ihre Geschichte ja. Die passen da eben auch auf, dass nichts passiert."

    Beim nun winterfest gemachten Kontor und Palast von Kraltepe handelt es sich um einen Fundort von größter Bedeutung, sagen die beteiligten Archäologen. Mit zur Zeit über fünfzehn Kilogramm Gewicht und sechsundzwanzig Stücken ist er bereits jetzt der größte je auf Zypern gefundene. Das bestätigt der Chemiker und Archäologe Ernst Pernicka von der Universität Tübingen. Er sagt über den einzigartigen Huren- oder Königshügel in Nordzypern im östlichen Mittelmeer:

    "Wir haben es hier auf jeden Fall also mit einem Ort zu tun, mit einer ziemlich gut auch topografisch eingrenzbaren Kleinregion, die offensichtlich eine stratifizierte Gesellschaftsordnung gehabt hat. Aber der Reichtum ist offenbar aus der Kontrolle des Handels gekommen. Es gibt sozusagen einige Handelskontors, wenn man so will, die hier konkurriert haben. Und wir könnten hier also sozusagen das Zentrum eines nordostzyprischen Handelskontors ermittelt haben. Jedenfalls nicht eine völlig neue Kultur, aber etwas, das uns vielleicht mehr erzählt über diesen entscheidenden Übergang am Ende der Bronzezeit bis zum Übergang der Eisenzeit, die wir noch nicht so richtig fassen können."