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Warnstreiks in Berlin
Studentische Mitarbeiter auf der Straße

Berlin ist das einzige Bundesland, das studentische Mitarbeiter nach Tarifvertrag bezahlt. Doch dieser ist nun abgelaufen. Jetzt sind studentische Mitarbeiter erneut in den Ausstand getreten, um einen besseren Lohn zu fordern.

Von Philip Banse | 15.02.2018
    Mehrere hundert Demonstranten protestieren unter dem Motto Tanz für den TVStud - Aufwärmen für den Streik für einen neuen Tarifvertrag der studentischen Beschäftigten der Berliner Hochschulen. Nachdem GEW und ver.di die Tarifverhandlungen nach der Kündigung des aktuellen Tarifvertrags zum Jahresende im Anschluss an die fünfte Verhandlungsrunde für gescheitert erkärten, droht ab Januar ein Streik an den Berliner Hochschulen.
    Die zentrale Forderung der studentischen Mitarbeiter in Berlin lautet: Neuer Tarifvertrag und 14 Euro pro Stunde (imago / Christian Mang)
    "Am besten ihr geht in Zweierteams. Einer redet, der andere hört zu und ergänzt, wer beim Gesprächstraining war, weiß ja auch: zuhören, fragen, warum Leute nicht streiken..."
    Jana Seppelt arbeitet für die Gewerkschaft Verdi und koordiniert den Streik der studentischen Mitarbeiter an der Humboldt Universität in Berlin. Heute Morgen steht sie in der Universitätsbibliothek in Berlin Adlershof, vor ihr ein Dutzend streikende studentische Mitarbeiter in roten Warnwesten, in den Händen Flugblätter und Mitgliedsanträge für die Gewerkschaften. Eine von ihnen ist Marie Lührs, sie hat gerade ihren Bachelor in Kulturwissenschaft gemacht. 10 Stunden pro Woche arbeitet sie im Lautarchiv, das gefüllt ist mit Schellackplatten aus dem ersten Weltkrieg. Heute ist das Archiv aber zu, denn Marie Lührs streikt – vor allem für mehr Lohn. Aktuell bekommt sie 10,98 Euro, festgelegt in einem 15 Jahre alten Tarifvertrag, der Anfang des Jahres auslief. Die zentrale Forderung lautet jetzt: Neuer Tarifvertrag und 14 Euro pro Stunde.
    "Auf jeden Fall eine gleiche Behandlungen im Tarifvertrag wie andere Beschäftigte auch. Dynamisierung ist mir eigentlich am wichtigsten."
    Das ist die andere zentrale Forderung: Der Lohn der studentischen Beschäftigten soll gekoppelt werden an den Lohn der anderen Angestellten und jedes Jahr automatisch steigen.
    "Das ist ein Grundrecht, was andere Beschäftigte an der Universität auch haben."
    Nur Berlin hat einen Tarifvertrag
    Doch die Hochschulen haben bisher nur eine stufenweise Erhöhung auf 12,50 Euro angeboten. Die Arbeitgeber argumentieren: Berlin ist das einzige Bundesland mit einem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte. Überall anders in der Republik seien die Löhne niedriger. Verdi-Frau Seppelt will das nicht gelten lassen:
    "Wenn ich immer schaue, wem geht’s schlechter und das dann denen vorhalte, die Verbesserungen erkämpfen, dass es denen ja schlechter geht und wir sollen die Klappe halten, das ist natürlich für uns keine Argumentation, war es auch nie, das ist natürlich Quatsch."
    In Berlin gibt es 8.000 studentische Mitarbeiter, ein Viertel sei mittlerweile in den Gewerkschaften, sagen die Gewerkschaften. Wie viele genau streiken, ist kaum zu messen.
    "An der TU hat die Zweigbibliothek Archäologie gestern ganz geschlossen, heute ganz geschlossen und die Uni-Bibliothek hat gestern früher zu gemacht."
    Daniel Lommes liest ein bisschen stolz die Erfolgsmeldungen des Tages vor. Er hat gerade seinen Master in Philosophie fertig, war vier Jahre Tutor an der HU. Auch ihm ist klar: Soll der politische Druck steigen, muss mehr gestreikt werden.
    "Wir sind von der Tarifkampagne TVstud. Gibt es einen Grund, warum Du nicht mitstreikst?"
    Student: Job und Studium gut vereinbar
    Marie Lührs- aus dem Lautarchiv mit den Schellackplatten - zieht durch die Unibibliothek auf der Suche nach studentischen Mitarbeitern. Am Infotresen findet sie Gia Long Tran, er studiert Informatik, arbeitet 20 Stunden pro Woche beim Computer- und Medienservice der HU. Und auch er bekommt 10 Euro 98 die Stunde. Ja, er hat von der Kampagne gehört, sagt er, aber er hatte irgendwie keinen Nerv, sich weiter zu informieren:
    "Ich muss ehrlich zugeben, in meiner Arbeit fühle ich mich wohl. Natürlich, man will immer besser bezahlt werden, ist ja klar. Aber es ist ein Job, den ich zur Zeit machen kann, wo ich auch vieles lernen kann für meinen Bereich. Und meine Arbeitszeit ist auch so geregelt, dass ich Studium tatsächlich noch einbauen kann und nicht wie bei anderen Jobs noch quer durch die halbe Stadt fahren muss."
    Die Fronten sind verhärtet. Die Gewerkschaften wollen ein neues Angebot. Claudia Pfeiffer vom Kommunalen Arbeitgeberverband, der für die Hochschulen verhandelt sagt:
    "Aber solange man auf Maximalforderungen beharrt und 14 Euro fordert, von den man weiß, dass man sie nicht erreichen kann, aber andererseits keine Signale gibt – komm, jetzt setzen wir uns mal wieder an den Tisch und schauen, wie wir da rauskommen – was soll man da sagen? Wir sind gesprächsbereit."
    Luisa-Catarine Böck vom Personalrat der studentischen Beschäftigen an der HU sagt:
    "Wenn da jetzt nichts kommt, dann müssen wir das im neuen Semester mit noch mehr Vehemenz vorantreiben. Also, aufgeben? Da wurde einfach zu viel investiert, um das jetzt schleifen zu lassen."