Archiv


Warnung vor Gendoping

Gentechnik. - Das sogenannte Gendoping besitzt nach Einschätzung des Büro für Technikfolgenabschätzung des Bundestages ein "hohes vermutetes Missbrauchspotenzial" und bringe erhebliche Gesundheitsrisiken mit sich. Eine gezielte Züchtung zu sportlichen Hochleistungen sei zwar auf absehbare Zeit unwahrscheinlich. Denkbar wäre jedoch die gezielte Manipulation von körpereigenen Genstrukturen.

Von Jacqueline Boysen |
    Zunächst stellt das TAB, das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag klar, was Gendoping nicht ist oder nicht kann: Das molekulargenetische Wissen über Menschen, die zu sportlichen oder sonstigen Hochleistungen fähig sind, sei bislang so unscharf und widersprüchlich, dass Verfahren zur gezielten Veränderung der genetischen Disposition auf absehbare Zeit höchst unwahrscheinlich sind und bleiben. Es gäbe, so alle drei Wissenschaftler vom TAB, die im Dienst des Parlaments ihr Gutachten zum Gendoping vorgelegt haben, derzeit keine Hinweise darauf, dass die Menschenselektion oder gar Züchtung eine reale Gefahr darstellten.

    Wo und an wem indes temporäre Eingriffe zur Leistungssteigerung über die Veränderung genetischen Materials bereits heute vorgenommen würden, das könne wohl niemand definitiv sagen. Das TAB hält Eingriffe in drei physiologischen Feldern für wahrscheinlich: dem Aufbau der Skelettmuskulatur, der Sauerstoffversorgung sowie der Energiebereitstellung. Konkrete Hinweise auf Methoden zur Reduzierung der Schmerzempfindlichkeit jedoch konnten nicht gefunden werden.

    Als Beispiel für ein Einfallstor der Gentechnik in den Hochleistungssport nennt Arnold Sauter das Myostatin. Hemmt man die Wirkung dieses körpereigene Proteins, in dem man die Bildung dieses Stoffes über einen gentechnischen Eingriff kurzzeitig ausschaltet, würden beispielsweise bei Kraftsportlern die Muskeln ungehemmt wachsen:

    " Diese Form der Gentherapie durch vorübergehende Genblockade gilt grundsätzlich als besonders zukunftsträchtig, weil sie besonders einfacher anzuwenden ist, als ein direkter Eingriff in die Zellkern-DNA. Tendenziell ist sie nicht aufwändiger, als eine übliche Medikamentengabe. Auch wird gehofft, dass die Nebenwirkungen geringer sind, als diejenigen bei Gentherapieansätzen mit Hilfe von Viren. "

    Möglich ist auch, den Reifeprozess des Myostatin zu bremsen. Auch dieses Verfahren ist bislang im Tierversuch erfolgreich gewesen und wird - wie auch die Blockade der Myostatin-Produktion in der Humanmedizin weiterentwickelt, aber noch nicht an Menschen angewandt.

    Insgesamt befänden sich - so das vorläufige Resümee der Gutachter vom TAB - die meisten gentherapeutischen Verfahren, die für ein leistungssteigerndes Gendoping infrage kommen, noch im Frühstadium der Forschung.

    " Auch die Marathon- oder Schwarzenegger- oder sonstigen Mäuse und all das, was in den vergangenen Jahren als Wundermittel der genetischen Veränderung gemeldet wurde. Manches allerdings ist auch schon in der klinischen Prüfung angelangt, darunter eher Ansätze von Gendoping im weiteren Sinn, das heißt Mittel zur Modulation der Genaktivität, auch wenn zwei klinische Studien zum Beispiel abgebrochen wurden, einmal wegen möglicher Nebenwirkungen und einmal wegen mangelder Wirkung. Aber das sind ganz übliche Rückschläge im Zuge der Medikamentenentwicklung. Das ist nichts Spezifisches. "

    Als wichtigste Konsequenz aus ihrem Gutachten verlangen die Forscher eine kontinuierliche Beobachtung der biomedizinischen und pharmazeutischen Forschung, an der sowohl der Hochleistungssport, das Bodybuilding, aber auch die Anti-aging-Medizin virulentes Interesse hätten. Daher empfiehlt das Büro für Technikfolgenabschätzung, die Forschung weiter zu beobachten, ein sogenanntes intelligentes Monitoring zu etablieren sowie weitere und konkretere Eingriffsverbote. Vor allem aber eine öffentliche Debatte über die gesundheitlichen Risiken gentechnischer Manipulation.