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Warnung vor Pandemie

Medizin. - Das Vogelgrippevirus sei in Chinas Geflügelpopulation, der größten weltweit, "fest verwurzelt" und stelle unverändert eine Bedrohung dar, warnte die Weltgesundheitsorganisation WHO heute in Peking. Das Virus, so die WHO, habe das Potenzial zu einer Pandemie. Udo Buchholz vom Robert-Koch-Institut erläutert den Stand im Gespräch mit Uli Blumenthal.

18.02.2009
    Uli Blumenthal: Vor der Sendung habe ich mit Dr. Udo Buchholz, Infektionsepidemiologe am Robert-Koch-Institut in Berlin telefoniert und ihn gefragt, welche Entwicklungen es gibt, die Anlass geben für einen solche Einschätzung.

    Udo Buchholz: Gut, wir haben natürlich beide Effekte: Wir haben einmal eine kontinuierliche Gefahr, die eigentlich die ganze Zeit über besteht, und es gibt natürlich auch gewisse neuere Entwicklungen, die nicht ganz so sensationell sind jetzt, wie wir vielleicht das von Rügen her kannten, aber es gibt schon jetzt auch wieder zunehmend Fälle, die in China beobachtet werden, obwohl seit Februar 2008 dort eigentlich keine menschlichen Fälle mehr beobachtet wurden. Also, es gibt gewisse Anzeichen, dass da wieder etwas aktiv ist. Sie wissen ja, dass gerade Südostasien so ein Brennpunkt ist, wo diese neuen Viren sich sehr gerne entwickeln. Ich sehe das schon auch als ein Zeichen dafür, wenn die UN, die ja dort beheimatet ist und ja sicherlich auch detailliertere Informationen hat, wenn sie darauf hinweist und sagt: Vorsicht, passt auf!, dass wir also wieder auch unsere Anstrengungen intensivieren - oder zumindest nicht erlahmen lassen - auch mit unseren eigenen Vorbereitungen auf die Pandemie weiterzumachen und die voranzubringen.

    Blumenthal: Wie muss man dann bewerten oder interpretieren die Formulierung der WHO, das Virus sei in Chinas Geflügelpopulation "fest verwurzelt"? Was bedeutet eine solche Aussage?

    Buchholz: Man muss sich das etwa so vorstellen, dass es eine anhaltende Übertragung gibt innerhalb der Geflügelbevölkerung, also insbesondere auch im Nutzgeflügel, die aber jetzt vor allem durch die Impfung nicht so offensichtlich ist, dass es also zu größeren Ausbrüchen kommt, die dann auch der Welttierorganisation gemeldet werden würden. Und eben genau die Impfung hat hier sozusagen ein bisschen ein Janusgesicht, Doppeleffekt, dass auf der einen Seite das Geflügel nicht so dramatisch daran stirbt, natürlich das Geflügel auch nicht so viele Viren ausscheidet, was natürlich auf der einen Seite gut ist, denn es senkt natürlich das Risiko auch menschlicher Erkrankungen. Auf der anderen Seite kann dadurch das Virus auch weiterverbreitet werden, ohne dass es so leicht jetzt beobachtet werden kann. Und das ist vielleicht jetzt hier dieser Nebeneffekt, den man momentan in China beobachtet, dass es eben doch da eben auf niederer Ebene sich quasi festgebissen hat oder fest verwurzelt, wie die WHO sagt, und man doch es nicht schaffen konnte, trotz der Impfungen es quasi zu eliminieren.

    Blumenthal: Wie groß und wie gut ist unser Wissen über diese, wie Sie es formulierten, Hot Spots beispielsweise in China und Asien, über diese Entwicklung, über die Mutation, über die ganze Thematik Vogelgrippe? Was wissen wir über die ganzen aktuellen Fälle vor Ort?

    Buchholz: Es ist natürlich aus der Ferne hier von uns aus auch für Experten, denke ich, relativ lückenhaft, muss man leider sagen. Wer noch am besten sicherlich den Überblick hat, dass ist die Weltgesundheitsorganisation, wo wir eigentlich auch darauf vertrauen, dass die das also besonders gut im Blick hat - sie schickt dann auch immer Teams hinaus -, die genaue epidemiologische Situation untersucht und auch diese feinen Änderungen im Verhalten des Virus dann sofort wahrnehmen kann.

    Blumenthal: Eine Warnung vor einer Pandemie - das erinnert ein bisschen so an die Thematik BSE beispielsweise, wo man auch immer gewarnt hat, dass es zu einer großen Seuche kommen kann und auch zu großen Verbreitungen unter den Menschen. Ist diese Parallele berechtigt zu ziehen oder ist sie unberechtigt?

    Buchholz: Ich verstehe Ihre Assoziation absolut, doch ich denke, die Situation ist doch ziemlich anders. Bei BSE war zum Teil die Gefahr dadurch begründet, dass man versucht hatte, aufgrund relativ kleiner Fallzahlen das für die Zukunft vorherzusagen. Und da haben sich eben schlimmsten Befürchtungen ja dann glücklicherweise nicht bestätigt. Bei der BSE war es eben auch eine völlig neuartige Erkrankung, mit der man überhaupt keine Erfahrung hatte. Das ist ja bei der Influenza, insbesondere auch bei den Influenza-Pandemien überhaupt nicht der Fall. Wir kennen die seit Hunderten von Jahren, und wissen da relativ gut, dass sie eben in bestimmten Zeitabständen, die eben auch leider nicht vorhersehbar sind, immer wieder auch zu weltweiten Epidemien, diesen Pandemien, führen. Insofern ist das auf jeden Fall durchaus berechtigt, hier weiterhin zu warnen. Und ich denke, es ist schon so, dass man als Land auch - und das gilt sicherlich für alle Länder, dass die Vorbereitung fast nie perfekt ist - dass man sie immer weiter verbessern kann, und daran arbeiten wir natürlich. Auch insofern haben diese Warnungen auch ihre Berechtigung.