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Gaming
Warnungen vor massivem Mobbing in der Computerspiele-Szene - vor allem gegen Frauen und Mädchen

Experten warnen vor den Auswüchsen von Mobbing in der Computerspiele-Szene.

    Ein Mann sitzt in einem abgedunkelten Raum mit Kopfhörern vor einem Computer.
    Gaming schafft Netzwerke. Manchmal werden sie für andere zur Belastung wie derzeit das Beispiel der Streamerin "Shurjoka" zeigt. (Symbolfoto) (Unsplash / Sean Do)
    Demnach sind vor allem Frauen betroffen. Die Problematik ist schon seit Längerem bekannt. Aktuell sorgt der Fall der 26-jährigen Pia Scholz, die den Künstlernamen "Shurjoka" trägt, für neue Aufmerksamkeit.
    Scholz ist eine selbstständige Streamerin. Das heißt, sie spielt und kommentiert professionell Computerspiele und filmt sich dabei. Das ist dann auf Plattformen wie Twitch oder YouTube zu sehen. Damit ist sie Teil der so genannten Gamer-Szene. Diese gehört inzwischen zu einem der größten Märkte im Bereich Medien. Scholz hat inzwischen ein eigenes Studio in Berlin und eigene Mitarbeiter.
    Der Journalist Khesrau Behroz warnt, es sei "ekelhaft und gefährlich", was da mit Scholz passiere. Wohin "dieses ganze Elend" führen könne, zeigt nach seiner Ansicht das Internetphänomen "Drachenlord", über das er mit anderen eine ausführliche fünfteilige Podcastreihe gemacht hat; es geht um jahrelange Hetze gegen Rainer Winkler ("Drachenlord"), die zu regelmäßigen Polizeieinsätzen und schließlich zum Wegzug und Abriss von dessen Wohnhaus führte. Laut der Amadeu Antonio Stiftung geht es im Fall Pia Scholz sogar um "weit mehr als Mobbing": Es sei das Einmaleins des Antifeminismus.

    "Reaktionäre Streamer"

    Die Stiftung spricht von einer orchestrierten Kampagne "reaktionärer Streamer". Behroz meinte, diese ganzen Typen glaubten, unantastbar zu sein. Zu "diesen Typen" zählt Behroz auch Internetgrößen wie Marcel Eris, der als "MontanaBlack" bekannt ist, und Tim Heldt alias "KuchenTV". Eris gilt als einer der erfolgreichsten deutschen Streamer. Auch er beteiligt sich an der Kampagne gegen Pia Scholz. Im Online-Magazin "Mein MMO" wurde beiden vorgehalten, mit einem derzeit populären Thema wie der Auseinandersetzung mit "Shurjoka" Klicks und damit Umsatz zu generieren.
    Scholz spielt unter anderem Strategie-Spiele wie "Crusader Kings III". Im Frühjahr wurde sie mit dem Deutschen Computerspielpreis als "Spielerin des Jahres" ausgezeichnet. Die 26-Jährige spielt aber nicht nur, sondern sie positioniert sich auch politisch. Sie äußert sich dezidiert feministisch und thematisiert Themen wie Sexismus, verteidigt Rechte von Lesben, Schwulen, Transpersonen oder queeren Menschen - und das mitunter lautstark und offensiv.

    Streit um "Wokeness"

    Wie in anderen Bereichen des Internets und der Gesellschaft löst das kontroverse Debatten aus und zugleich Hass und Hetze. Scholz sieht sich dem seit mehreren Monaten ausgesetzt. Ihre politischen Themen berühren einen Bereich, der mit dem amerikanischen Begriff "Wokeness" bezeichnet wird - also einem "wachsamen" Bewusstsein für Minderheiten-Belange, Diskriminierung, Rassismus und soziale Ungerechtigkeiten. "Wokeness" dient auch rechtspopulistischen Kreisen als Schlagwort, um missliebige Haltungen als übertriebenen linken Aktivismus zurückzuweisen.
    Ihre Kritiker werfen Pia Scholz zugespitzte und polarisierende Formulierungen vor, zum Teil auch falschen Anschuldigungen. Sie begebe sich in eine moralisch überlegene Rolle und wolle anderen Spielern ihre Wokeness aufzwingen. Zudem stilisiere sie sich stets als Opfer.

    Sperrung auf Twitch erfolgt

    Der Fall Scholz beleuchtet eine von Experten schon seit Längerem beschriebene Dynamik im Internet: Ein Wort gibt das andere. Es entsteht ein Kreis aus Aktion und Reaktion - gemischt mit Missverständnissen. Es ist schwer, aus diesem Kreis auszubrechen. Eine Möglichkeit wäre es zu schweigen. Das würde aber bedeuten, dass etwa Themen wie Sexismus weniger adressiert würden.
    Die Amadeu Antonius Stiftung forderte daher die Plattformen zum Handeln auf. Twitch dürfe hier auf keinen Fall wegschauen. Behroz warf Twitch und YouTube vor, wie gehabt nur zuzuschauen. Inzwischen wurde Tim Heldt auf Twitch gesperrt.

    Rufe nach der Politik

    Die Politik hat diese Art von Cybermobbing kaum im Blick. Schon im Fall Rainer Winkler gab es Aufforderungen an die Politik einzuschreiten, um solche Auswüchse von Mobbing zu unterbinden. Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und frühere Politische Geschäftsführer der Grünen, Kellner, unterstrich nun den Appell der Amadeu Antonio Stiftung an die Plattformen: Hass dürfe keinen Raum bekommen, erklärte er auf X: Es sei entsetzlich, welcher Hass im Netz gegen Shurjoka geschürt werde.
    Die Branche rund um Computerspiele ist inzwischen ein riesiger Wirtschaftssektor geworden. Im vergangenen Jahr nahm sie nach Angaben des Instituts der Deutschen Wirtschaft schätzungsweise 201 Milliarden Euro ein - etwa das Siebenfache dessen, was weltweit in die Kinokassen geflossen ist.
    Diese Nachricht wurde am 12.12.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.