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Warschau sagt Neonazis den Kampf an

Heute ist in Polen Unabhängigkeitstag. Im letzten Jahr nutzten rund 4000 Neonazis diesen Anlass, um mit so Parolen wie "Polen den Polen" durch Warschau zu marschierten. Heute werden noch mehr Neonazis erwartet. Doch viele Hauptstädter wollen das nicht tatenlos hinnehmen.

Von Jutta Schwengsbier | 11.11.2011
    Der Eingang zum Club "1500 Quadratmeter" ist mit großen Metallgittern gesichert. Ganz in Schwarz gekleidet wachen große, bullige Typen argwöhnisch darüber, wer rein und raus geht. Das ehemalige Lager ist ein Insidertipp.

    Die Wände voller Graffiti, ist der Club "1500 Quadratmeter" Szene-Treff der Warschauer Underground Kultur. Kurz vor dem polnischen Unabhängigkeitstag sammeln hier Warschauer Anti-Fa Gruppen Geld. Bands spielen auf, zur Musik gegen Rechts. Das Konzert soll Poster finanzieren. Und Gerichtskosten, falls wieder einige bei der Blockade des Neonazi Marsches verhaftet werden, erläutert Michal. Seinen richtigen Namen will der 36-Jährige nicht nennen, weil er schon öfter Drohanrufe bekam.

    "In 80er-Jahren vielleicht es gab paar Neo-Faschisten in Polen. Wir kannten diesen Leuten unter dem Schild Nationalisten. Und weil die waren gegen den Kommunisten in Polen, für die meisten Leute, die waren ok. Aber in 90er-Jahren war diese Zeit, wenn man diese Skinheads, Neo-Faschisten schon auf den Straßen sehen könnte."

    Der Kaufmann gehört zu jenen couragierten Warschauern, die im vergangenen Jahr 15.000 Menschen für die Gegendemo am 11. November mobilisierten. Michal engagierte sich seit Jahren als Freiwilliger bei der Organisation "Nie wieder", die rechtsradikalen Tendenzen in Polen mutig entgegentritt.

    "In 90er-Jahren hat die "Nie Wieder" Organisation mit dem Neofaschismus auf den Straßen gekämpft. Jetzt, das Problem mit dem Neofaschismus, das sieht man auf den Stadien besonders. Fast alle Hooligans in Polen, Football Hooligans, die sind Neofaschisten oder extrem radikale Nationalisten."

    Nach den Straßenkämpfen der 90er-Jahre begannen die Rechtsradikalen, ihre Hasspropaganda in den Fankurven der polnischen Fußballstadien zu organisieren. Nach dem Spiel zogen die gewaltbereiten Hooligans dann los - zu Massenschlägereien. Mit diesem Image habe Polen kurz vor der Fußball-Europameisterschaft immer noch zu kämpfen, seufzt Jazek Purski.

    "Nach Jahren der Bildungsarbeit hat sich die Situation deutlich verbessert. Wir haben in den Medien über Rassismus und Faschismus debattiert. Mit unserer Kampagne "Kickt den Rassismus aus den Stadien” sind wir gegen Hooligans in den Fankurven vorgegangen. Auch wenn es immer noch Rassismus und Antisemitismus in den Stadien gibt, ist die Situation nicht mehr vergleichbar. Vor zehn Jahren gab es bei acht Spielen in der Top-Liga auch acht rassistische Vorfälle. Rassistische Symbole waren in jedem einzelnen Spiel zu sehen."

    Durch die Aufklärungskampagnen und Schulungen des Sicherheitspersonals seien die Hooligans aber inzwischen weitgehend aus den Stadien verdrängt worden, sagt Purski. Als Projektleiter der Organisation "Nie wieder" sensibilisiert der Menschenrechtsaktivist das Sicherheitspersonal, wie Symbole und Banner der Neofaschisten im Stadion zu erkennen sind.

    "Es ist inzwischen ganz einfach gesetzlich verboten in Polen, diese Symbolik zu gebrauchen. Ich würde sagen, die Stadien in Polen, die sind vielleicht noch nicht 100 Prozent gewaltfrei, aber sind schon fast gewaltfrei. Ich glaube, das ist auch eine Entwicklung, die man in anderen Ländern beobachten konnte. Das die Gewaltbereiten einfach verdrängt werden."

    Dariuz Lapinski organisiert für das staatliche Organisationskomitee der EM Fußball-Fan Projekte. Nach internationalem Beispiel will Polen mit diesem sozialpädagogischen Ansatz die gewaltbereiten Fußball- Rowdys an den Rand drängen.

    Der Marsch am Unabhängigkeitstag ist für viele deshalb so etwas wie ein letztes Schaulaufen. Die Aktivisten von "Nie wieder!" und Warschauer Bürger wollen verhindern, dass das Image Polens weiter von ein paar Extremisten geprägt wird. Gemeinsam wollen sie die Rassisten in die Schranken weisen.