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Warten auf das Baustellen-Ende

Am 15. November will Karin Beier mit ihrem ersten Stück als Intendatin in Hamburg Premiere feiern. Doch zurzeit ist das Schauspielhaus eine Großbaustelle - und niemand weiß genau, wie lange noch.

Von Axel Schröder | 20.08.2013
    Dicke Gerüststangen durchziehen die riesige, fast 23 Meter hohe Halle, den neuen Bühnenturm des Hamburger Schauspielhauses. Oben auf dem Gerüst wirft die Flex eines Arbeiters einen goldenen Schweif in den Raum. Unten stehen der Leiter der Bühnen- und Fahrtechnik Holger Lehmann und Pressereferent Thomas Müller. Bauhelme auf den Köpfen, Blick nach oben:

    "Wir stehen jetzt hier auf der Bühne. Da dieses Ding, wo "Unfallschutz" draufsteht, das ist der Eiserne Vorhang. Und wenn Sie jetzt nach oben gucken, sehen sie viele Gerüste. Die ganze Bühne ist mit Gerüsten zugebaut und man hört: es wird gehämmert und gebohrt und gearbeitet wie blöde…!"

    Am 15. November will hier Karin Beier als neue Intendantin und Regisseurin ihr Stück "Die Rasenden" vorstellen. Ein neues Haus, ein neues Stück, von einer neuen Chefin. Auf der große Hoffnungen lasten. Sie soll das das Hamburger Schauspielhaus wieder zu den Höhen früherer Jahre, aus dem Windschatten des Thalia Theaters führen. Regelmäßig besucht Karin Beier die Baustelle, macht sich ein Bild und ab und zu auch Vorschläge, was sich verbessern ließe. Geplant waren Umbaukosten von 16,5 Millionen Euro. Gestiegen ist die Summe um zusätzliche 3,7 Millionen Euro. Dafür wurde der Bühnenturm nicht nur tiefer als vorher, sondern auch höher. Und das, erklärt Thomas Müller auf der Baustelle, war auch dringend nötig:

    "Der Turm war auch nicht so hoch. Das heißt: Wenn wir jetzt realistische Bäume zum Beispiel als Bühnenbild hatten, mussten die realistisch kleiner werden, damit dann, wenn sie hochgefahren wurden, der Stamm nicht mehr zu sehen war."

    Der Rundgang geht weiter. Im Zuschauerraum sind die Sitze abgeschraubt, der mächtige Kronleuchter heruntergelassen, in Folie verpackt. Auch hier arbeiten Restauratoren auf Gerüsten und Leitern, bessern das Blattgold auf den holzverzierten Wänden und Balkonen aus. Pinseln Schellack auf alte Farbschichten, holen den Glanz zurück. Dann geht es zwei Etagen nach unten, durch staubige Gänge in die Eingeweide der Bühne. Unten angekommen erklärt Holger Lehmann den tonnenschweren, sechs Meter hohen Drehmechanismus:

    "Das ist ein ehemaliger Drehkranz für Lokschuppen. Da sind Loks draufgefahren im Lokschuppen und dann hat man das umfunktioniert."

    … und im Zuge des Umbaus wurde die ganze Anlage erneuert: jetzt drehen sich die Zylinder schneller als vorher. Und gleich drei Podien können nun auf Knopfdruck unabhängig voneinander hoch und runter gefahren werden:

    "Der Vorteil einer Zylinderdrehscheibe ist, gerade durch die Podien – das kann man sehen, wenn man mal "Krabat" gesehen hat - dass man die Scheibe drehen kann und trotzdem gleichzeitig die Podien verwenden kann. Man kann sozusagen was "rausschrauben". Und das ist der große Vorteil und das wollten wir uns auch nicht nehmen lassen und sagen: Das machen wir jetzt nicht mehr."

    Die Umbaukosten von mittlerweile 20 Millionen Euro hält Lehmann für vertretbar. Immerhin ging ein erster Kostenvoranschlag aus dem Jahr 2005 von einem Sanierungsbedarf zwischen 40 und 60 Millionen Euro aus. Nun habe man sich auf die nötigsten Baumaßnahmen beschränkt. Und trotzdem lange um die Gelder der Kaufmannsstadt ringen müssen:

    "Hier in Hamburg hat man immer das Problem: Hier muss sich alles rechnen! Ich meine jetzt mit "Rechnen": finanziell rechnen. Deswegen gibt es hier vier Musical-Theater, es wird das vierte Musical-Theater gebaut. Aber jedes Mal, wenn ein Theater kommt und fragt: "Können wir Geld haben?", dann wird darüber diskutiert. Und man muss ganz realistisch sein: für das Geld, was wir hier in die Hand genommen haben für die Baumaßnahme, das ist schon wenig gewesen und trotzdem so viel erreicht! Man sieht, wo das Geld hingekommen ist. Das sieht man bei vielen Baustellen nicht."

    Und inmitten der staubigen Baustelle, zwischen rohen Betonwänden und offenliegenden Kabelschächten ist schwer vorstellbar, dass bis Anfang Oktober alle Arbeiten erledigt sind, der Zeitplan eingehalten wird. Trotzdem ist Thomas Müller zuversichtlich:

    "Wir gehen im Moment davon aus, dass er eingehalten wird!"

    Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler teilt diese Einschätzung. Und bittet ab und zu um Hilfe von höherer Stelle:

    "Im Augenblick ist es jedenfalls noch so, dass ich so zwei Mal die Woche den lieben Gott bitte, er soll auch da ein Auge drauf haben, damit wir unsere Termine halten. Aber ernsthaft, muss man sagen: Ich glaube, wir kriegen mit Anstrengung wirklich aller, aller Beteiligten und auch mit etwas mehr Geld, als wir dachten, kriegen wir es hin, den Eröffnungstermin für Karin Beier zu halten! Wenn ich das nicht hinkriegen würde, hätte ich auch glaube ich mit Frau Beier ein Problem. Aber auch mit der ganzen Stadt! "