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Warten auf die Barbaren

Ich wollte nicht mit hineingezogen werden. Ich bin Magis-trat auf dem Land, ein Verantwortung tragender Beamter im Dienst des Reichs, der an dieser trägen Grenze seines Amtes waltet und auf den Ruhestand wartet. Ich ziehe den Zehnten ein und die Steuern, verwalte das Gemeindeland, kümmere mich um die Versorgung der Garnison..., habe ein Auge auf den Handel, leite zweimal wöchentlich Gerichtsverhand-lungen. Im Übrigen schaue ich zu, wie die Sonne auf- und untergeht, esse und schlafe und bin zufrieden. . . . Ich wollte nie mehr als ein ruhiges Leben in ruhigen Zeiten.

Katharina Rutschky |
    Aber was Coetzee in diesem Roman erzählt, ist keineswegs die Geschichte eines harmlosen Menschen mit bescheidenen Ansprüchen, der plötzlich in die terroristische Politik des Reiches verwickelt wird, dessen Außenposten als braver, aber keineswegs übereifriger Beamter er schon so lange ausgefüllt hat.

    Sicher, oberflächlich betrachtet ist es so, dass der Magistratsbeamte, aus dessen Perspektive der Leser die Ereignisse zu sehen bekommt, in einer Anwandlung von Ekel, Trotz und Humanismus sich dem sinnlosen Einbruch von zielstrebigem Terror in seine verschlafene Welt am Rande der soge-nannten Zivilisation widersetzt und dabei selbst zum Opfer wird. Die Geschichte des Beamten, der kein Held sein will , aber Folter und Mord , verübt an unschuldigen Fischern und Nomaden durch die Sicherheitsabteilung des Reiches nicht hinnehmen will, von Mitleid aufgerüttelt - diese Geschichte taugt nur für den Klappentext. Es ist nicht die Geschichte, die Coetzee in seinem dritten Roman erzählen will, und die er in all seinen anderen Büchern ebenfalls erzählt: Sein ist die Literatur des Schuldgefühls und sein Vorgänger, Vorbild und Anreger ist Franz Kafka.

    Man erinnere sich an Josef K., diesen Nobody, dem der Prozess gemacht wird. Warum wird er verfolgt, wofür wird er zur Rechenschaft gezogen, wie ist die Gerichtsinstanz legitimiert, die ihn verurteilt? Kafka verrät es uns nicht. Bei Coetzee, viele Jahrzehnte später, ist der Protagonist, der unschuldig Verfolgte, der Sympathieträger und Humanist zugleich Mitglied der Verwaltung, des Apparats einer morbiden Zivilisation, welche die Barbarei besiegt und ausgegrenzt zu haben meint, in Gestalt ihrer Polizei, ihrer Gesetze und ihrer Verwaltung wieder hereingelassen hat.

    Ich wollte nie mehr als ein ruhiges Leben in ruhigen Zeiten.

    Was sich bescheiden anhört, ist eigentlich Hybris, zumindest in den Augen von Coetzee, der weniger in die Fußtapfen von Amnesty International getreten ist, denn in die von Kafka. Ein ruhiges Leben in ruhigen Zeiten - das wäre auf Beamtendeutsch genauso wie in Kleinbürger-englisch der Wunsch, ein Leben in Unschuld zu führen. Dieser Wunsch ist die Rückseite der Einsicht, die Kafka so beschäftigt hat wie sie heute Coetzee beschäftigt: Ein einfaches Leben, in das man sich aus Einsicht in die Verderbtheit der Welt zurückziehen kann, gibt es nicht. Es gibt auch keine Wahrheiten, für die man sich opfern und auf diese Weise retten kann. Ganz genauso wie Kafka verwickelt uns Coetzee in eine unendliche, auswegslose Grübelei über die Verant-wortung jedes einzelnen und die Schuld, die er auf sich lädt. Simpel geht es in dieser Welt nicht zu.

    Der ältliche Magistratsbeamte , der miterlebt, wie das Reich, die von ihm vertretene Zivilisation, zumindest in der Grenzregion, später vermutlich auch überall an seinen Widersprüchen zugrunde geht, hat keinen Namen. Namen gibt es auch sonst nicht in diesem Roman, weder für Personen, noch für Landschaften, noch für Reiche oder Zeiten. Wann und wo befinden wir uns eigentlich in diesem Buch, wo ein Oberst zwar eine Sonnenbrille trägt, Autos, Telefone, Radios aber unbekannt scheinen? Der Magistratsbeamte ist ein Nobody im Niemandsland einer Zeitlosigkeit , die so treffend und aufdringlich ist wie bei Kafka die Welt von Josef K.

    Wiederum oberflächlich betrachtet, könnte man den Konflikt des namenlosen . humanistisch gestimmten Beamten mit dem Reich samt der Beschreibung der sonderbaren Garnisonstadt am Rande der Zivilisation in die Reihe der modernen Staatsromane stellen. Es gibt eine ganze Reihe, in denen auf nebelhafte Weise politische Statements abgegeben werden. Fast allzu naheliegend ist der Vergleich von Coetzees Warten auf die Barbaren mit dem Roman Die Tartarenwüste von Dino Buzzati, der 1940 im faschistischen Italien erschienen ist. Auch hier lebt der Held ein junger »hoffnungsvoller Offizier, in einem Außenposten der Zivi-lisation, so, wie er sie in der Form von Theatern, Cafes und Bordellen kennt. Einesteils sehnt er sich zurück nach der Zivilisation, andererseits hält er Ausschau in eine weite Wüste, die er nicht kennt und die ihn mehr interessiert und fesselt im buchstäblichen Sinn, als die Kultur, die er aufgegeben hat. Überm Warten auf den Feind wird er alt, krank und stirbt.

    Coetzee ist 1940 in Südafrika geboren, er hat Mathematik und Literaturwissenschaft in seiner Heimat, aber auch in den USA studiert. Eine Weile hat er als Computerfachmann in England gearbeitet; nun ist er seit vielen Jahren teils als Autor, teils als Professor für Literatur in Kapstadt so wie in den Vereinigten Staaten tätig. Ein gelehrter, mit der Tradition vertrauter Schriftsteller, der natürlich auch die Kenner von Kafka begeistern kann. Sein erstes Buch erschien 1974. So wenig wie an diesem nahm die Zensurbehörde an den nächsten fünf Romanen Anstoß, die Coetzee bis zum Ende des Apartheidsregimes 1990 in Südafrika veröffentlichte.

    Schon diese Tatsache machte ihn vielen verdächtig , die in je-ner Situation auch vom Schriftsteller und der Literatur klare po-litische Gesten erwarteten. Die spezifische Unbestimmtheit von Zeit und Ort, ein Merkmal fast aller Romane, die Coetzee bis 1990 verfasst hat, wurde ihm von der Kritik auch bei Warten auf die Barbaren vorgehalten, der zehn Jahr zuvor erschien und nun, in einer neuen Übersetzung von Reinhild Böhnke vorliegt. Sie löst die alte von Brigitte Weidmann ab, die 1984 im Berliner Karl Henssel Verlag erschienen ist.

    Man hat also Gelegenheit, zwei Übersetzungen eines zeitgenössischen Autors zu vergleichen. Sie unterscheiden sich in Tonfall und Wortwahl oft so erheblich, dass man an der Möglichkeit des Sprachwechsels überhaupt zweifeln kann. Oder man entschließt sich, den Übersetzer als Nachdichter zu verstehen. Für eine Wertung ist hier kein Platz, begnügen wir uns mit einem Beispiel. Weidmann schrieb 1984:

    Eine Pfeife glimmt im Dunkeln wie ein Glühwürmchen, verdämmert, glüht wieder auf. Der Sommer geht zur Neige. Die Obstbäume ächzen unter ihrer Last. Ich bin als junger Mann in der Hauptstadt gewesen, dann nie wieder. Böhnke schreibt heute :

    In der Dunkelheit glüht eine Pfeife wie ein Leuchtkäfer, verlischt fast, glüht wieder auf. Der Sommer rollt langsam seinem Ende entgegen. Die Obstgärten stöhnen unter ihrer Last. Bei meinem letzten Besuch in der Haupt-stadt war ich noch ein junger Mann.

    Der Vergleich ist möglich, weil Coetzees Werke inzwischen im großen Fischer Verlag erscheinen, und, was vielleicht auf dasselbe hinausläuft, weil sein Status als Autor sich in den letzten Jahren dramatisch geändert hat. Trat er lange hinter anderen, engagierteren südafrikanischen Schriftstellern, wie Breyten Breytenbach, Andre Brink , gar Nadine Gordimer zurück, so scheint nach dem Ende des Apartheids-regimes sich Coetzees Werk dem literarischen Publikum erst richtig zu erschließen. Die Kritik am Fehlen der politischen Geste, die ihn der Zensur unwürdig machte, die Kritik an der Zeit- und Ortlosigkeit. mit der die Situation in Südafrika gewissermaßen existenzialisiert wurde, all diese Einwände scheinen heute hinfällig. Mehr noch, was ihm damals als Schwäche und Unentschlossenheit, als Anpassung an die Zensur-gesetze ausgelegt werden konnte, erweist sich heute als Stärke eines Schriftstellers, der sich nie zum Opfer einer bestimmten historischen Situation machen lassen wollte.

    Ein Leser, der den Autor Coetzee - seine Vornamen Jean Marie pflegt er hinter den Initialen J. M. zu verbergen - erst heute für sich ent-deckt, wird trotzdem bald feststellen, dass er es nicht mit einem un-politischen Schriftsteller zu tun hat, der neben ästhetischen allenfalls noch philosophische. ethische Interessen verfolgt. Und als moralisches Gerüst seines Erzählens nicht mehr aufbaut als einen leicht global zu verwertenden Humanismus. Nein, das Südafrika vor und nach der Apartheid hat ihn mit einer prägnanten, dennoch komplexen Situation konfrontiert, die literarisch auszuschöpfen und mit Anspielungen auf ältere Autoren, Nachbauten von Erzählmodellen und Theorien zu verdichten, gleichzeitig aber auch in Zweifel zu ziehen, Coetzees verhüllter Ehrgeiz zu sein scheint.

    Der ältliche Magistratsbeamte , der an der Reichsgrenze Dienst tut, und als Erzähler die Fäden im Roman "Warten auf die Barbaren" in der Hand hält, ist kein Unmensch, wie man im Deutschen so treffend sagt . Mit der Duldung des großen Unrechts vertragen sich kleine Gesten der Hilfe. Es gefällt ihm nicht, dass man zwei Gefangene in ihrem Un-rat liegen lässt. Sie sollen nicht dürsten und hungern. Obwohl ihm als erfahrenem Grenzlandbewohner klar ist, dass der alte Mann und der kranke Junge an keinem Überfall teilgenommen haben und nicht zu den Barbaren gehören, die das Reich zu vernichten beschlossen hat, überlässt der Magistrat die beiden Oberst Joll, der diesen/Auftrag ausführen soll. Nach dem Verhör ist der Junge schwer verletzt, der alte Mann tot. Wie, so fragt der Magistrat aus wirklicher Neugier »findet man bei der Folter eigentlich heraus, ob der Gefangene die Wahrheit sagt oder aus Angst lügt ?" Seine Einwände gegen die Folter so wie gegen die Politik aus der Hauptstadt beziehen sich auf ihren Sinn, die angemessenen Methoden - kurzum, die politische, militärische Professionalität. Aus langer Erfahrung weiß er, dass die Fischersippen , die draußen am See ein primitives und ängstliches Dasein führen, harmlos sind. Auch die sogenannten Nomaden, die öfter zum Markt kommen und Handel treiben, scheinen ihm das Reich nicht zu gefährden. Woher also die plötzliche Unruhe , die mit Oberst Joll. seiner S. Abteilung und den Notstandsgesetzen aus der Hauptstadt in das verschlafene Grenzstädtchen schwappt? Wozu die Folter, die Gefangenen, die Toten ?

    Der Magistrat denkt vernünftig, und so hat er auch immer die Macht eingesetzt , die ihm zugefallen ist. Leise und diskret, ist er keines-wegs übereifrig und Freude an Gewalt kann ihm niemand nachsagen. Im Gegenteil, mit vielen kleinen Gesten sucht er Konsequenzen des Jollschen Regimes für die Opfer zu mildern. Persönlich ist er von ihm insofern affiziert, als sein Sexualtrieb im Sorgen macht und die Jagd unmög-lich wird. Am schlimmsten, dass Oberst Joll sein Gefühl für Anstand ver-letzt. Anständiges Verhalten versteht sich von selbst. Was aber, wenn es in die Nähe des Hochverrats rückt?

    Der Magistrat nimmt eine junge Gefangene zu sich, die schwerste Miss-handlungen zwar überlebt hat, sich aber nun vom Betteln und der Prostitution ernähren muss. Ihr Umgang miteinander wird von einem Ritual bestimmt, dessen Ausgestaltung einen guten Begriff von Coetzees literarischem Verfahren gibt. Da der jungen Frau beide Füße gebrochen worden waren, geht der Magistrat in einem Akt der Demut vor ihr in die Knie und wäscht, massiert und salbt sie. Bald erstreckt sich diese Handlung auf den ganzen Körper. Sexuelle Signale übersieht er, ja, sonderbarerweise fällt er oft, noch an den nackten Körper gelehnt, in den tiefsten Schlaf. Fußwaschungen in der Bibel und der Liturgie setzen vorübergehend die Hierarchie außer Geltung; Körperwaschungen erinnern an den letzten Liebesdienst, der Toten erwiesen wird. Aber natürlich dienen auch alle Pflegehandlungen des alten Mannes der Gesundung des Folteropfers, wirken wie ein Versuch der Wiedergutmachung, wie eine Bitte um Vergebung, wie eine Werbung auch des hässlichen Alten um die junge Frau. Doch bei aller Neigung zur allegorischen Schreibweise, die man Coetzee auf den ersten Blick bescheinigen möchte, geht die Geschichte nie in einer Deutung auf, sondern behauptet neben hochtrabenden auch niedrige, schmutzige, psychologische. Von Altmännersex ist auch deshalb in diesem Buch so viel die Rede, damit uns der Magistrat auf keinen Fall zu proper, zu anständig, zu humanistisch erscheint:

    Wenn etwas beneidenswert war an einer Versetzung in die Grenzregion, sagten mir meine Freunde, dann die lockeren Sitten der Oasen, die langen, duftgeschwängerten Sommerabende, die willfährigen, dunkeläugigen Frauen. Jahrelang hatte ich den satten Ausdruck eines preisgekrönten Ebers (. . . )Das alte Vergnügen an der Wärme und Anmut von Frauenkör-pern verließ mich nicht, aber es gab neuerdings auch ein Verwundern. Verlangte es mich wirklich, in diese schönen Wesen einzudringen ? (. . . ) Manchmal erschien mir mein . Geschlecht wie ein völlig anderes Wesen, ein törichtes Tier, das parasitär auf mir lebte und gemäß seinem unab-hängigen Appetit schwoll und schrumpfte, verankert in meinem Fleisch mit Klauen, die ich nicht lösen konnte.

    Coetzee ist nicht nur ein gelehrter Autor, er beweist zumindest in diesem Roman auch eine Neigung zur Konstruktion. "Warten auf die Barbaren" gliedert sich in sechs , mit römischen Zahlen bezifferte Kapitel von unterschiedlicher Länge. Er hat aber auch eine Peripetie, die nach drei Kapiteln und präzise , ja, seitengenau das Buch in zwei Hälften zerschneidet. Quasi zu seinem Privatvergnügen, ein Unmensch ist er ja nicht, auch plagen ihn Träume, die immer wiederkehren, macht sich der Magistrat mit zwei jungen Soldaten und einem erfahrenen Jäger auf den Weg zu den Barbaren. Er will die junge Frau zurück zu ihren Leuten bringen Das gelingt auch auf einer abenteuerlichen, lebensgefährlichen Reise in die Wildnis. Als man aber erschöpft und halbverhungert in die Oase , die nun schon so lange auch ein Fort ist, zurückkommt, ist die Armee da , um den großen Vernich-tungsfeldzug gegen die Barbaren zu führen und der Magistrat wird sofort abgesetzt, verhaftet und des Hochverrats bezichtigt.

    Hat Coetzee in der ersten Hälfte das politische, progressive Potenzial eines Menschen getestet, der zugleich Beamter einer doppel-deutigen Reichsherrschaft ist und auch bleiben will, so dekonstruiert er in der zweiten Hälfte die Hoffnung auf den Gesinnungstäter. den Helden und Märtyrer . Diese Rolle fällt dem Magistrat zu - er hat sie sich nicht erwählt. Es gibt Momente, in denen er sie sogar erfüllt, aber sie sind kurz. Dann schrumpft er weiter und immer weiter auf das Niveau, das ihm Körper und Seele vorgeben. Was machen Einsamkeit und Dunkelheit aus einem Menschen ? Was Hunger, Folter und Todesangst? Es kommt zu einer Scheinhinrichtung in aller Öffentlichkeit:

    Mandel streift mir das Seil vom Hals und knotet es an den Strick, mit dem meinem Handgelenke gefesselt sind: "Zieht ihn hoch." (. . . )Die Arme hinter dem Rücken werden hochgezerrt, und als ich den Boden unter den Füssen verliere, spüre ich ein entsetzliches Reißen, als würden sich ganze Muskelgruppen ablösen. Aus meiner Kehle dringt das erste klagende raue Brüllen, als würde Kies ausgeschüttet (. . . ) Ich stoße ein Gebrüll nach dem anderen aus, ich kann nichts tun, um es zu unterdrücken, der Laut kommt aus einem Körper, der weiß, dass ihm nicht wieder gutzumachender Schaden zugefügt wird.

    Schließlich lässt man den Magistrat laufen. Jetzt vegetiert er statt der jungen Frau als ob-dachloser Bettler in der Stadt. Darin steckt eine Demütigung durch das Reich, das ihn als moralischen Gegner und Kritiker nicht ernst nehmen muss. Offen bleibt aber auch, ob die siegreichen Barbaren am Ende einen Mann wie den Magistrat anerkennen können. Die zivilisatorischen Fragmente, die er ihnen bietet, sind von den Brutalitäten der Reichsherrschaft so wenig zu trennen, dass der in der Festung zurückgebliebene alte Mann vielleicht wirklich nur noch auf die Verführungskraft von frischem Brot und Marmelade hoffen kann. Oder einer Medizin, die imstande ist, einen vereiterten Blinddarm zu operieren und Säuglinge gegen die schlimmsten Infektionen mit Impfungen zu immunisieren. des damals Vierzigjährigen erlaubte Verglichen mit Romanen von Brink und Gordimer, in denen zu Zeiten der Apartheid der Stier an den Hörnern gepackt wurde, hat sich das Werk von Coetzee erst nach deren Ende richtig entfalten können. Der erste Autor, der zweimal den begehrten Booker Preis bekommen hat - einmal 1983, dann wieder 1999 - ist nicht besser oder wichtiger als die eben Genannten, die damals mehr Wirkung taten als der jüngere Coetzee mit seiner gelehrten Ästhetik, der philosophischen Haltung und der Düsternis der Erzählung. Aber die These, die ihn mit Kafka verbindet, dass nämlich am Grunde unserer Zivilisierten Existenz das Schuldgefühl rumort, nicht bloß die Schande der Apartheid, macht ihn heute nicht nur aktueller, sondern sicher auch langlebiger als andere, denen Südafrika ein unmittelbares Projekt schien. Dass der Fortschritt auch immer einer der Barbarei hinter seinem Rücken gewesen ist - niemand erzählt darüber besser als Coetzee.