Schossig: Haben denn einmal verstummte Sprachen überhaupt eine Chance, irgendwann wieder einmal beachtet, geschweige denn benötigt zu werden?
Gippert: Einmal verstummte Sprachen haben diese Chance normalerweise nicht. Es gibt immer mal wieder Versuche, zum Beispiel in England das Kornische, was eine keltische Sprache war, die etwa im 17. Jahrhundert ausgestorben ist, wiederzubeleben, aber das kann nicht wirklich zum Erfolg führen, wenn es nicht bedeutet, dass in dieser Sprache dann auch Familien primär miteinander sprechen, dass also auch die Kinder in dieser Sprache aufgezogen werden, und das ist Kindern immer schwer zu vermitteln, in einer anderen Sprache aufgezogen zu werden als die, die sie im normalen Umfeld brauchen.
Schossig: Welche Chancen zu überleben haben denn die seltenen Sprachen in Europa, zum Beispiel das Bretonische oder Baskische?
Gippert: Ja, das hängt sehr stark von der Politik ab, die die einzelnen Länder in Bezug auf ihre Minderheitensprachen entwickeln. Wir haben ja seit ein paar Jahren eine Charta des Europarates, die sich darauf bezieht, dass Minderheitensprachen geschützt werden sollen, aber wie das umgesetzt wird und was dabei dann als Produkt herauskommt, hängt dann doch wieder sehr von der jeweiligen Landespolitik ab. Wenn Sie Bretonisch ansprechen, ich fürchte, da ist der Zug schon fast abgefahren. Das Problem ist immer dasselbe: In dem Moment, wo die Kinder nicht mehr die Sprache ihrer Eltern oder Großeltern zu lernen bereit sind, ist der Tod einer Sprache vorhersehbar.
Schossig: Schützenswerte Sprachen, sagen Sie. Es klingt so etwas nach "Bürger, schützt eure Anlagen". In der Bibel wird die Sprachverwirrung ja als Strafe, als Katastrophe der Menschheit geschildert. Können wir denn nicht froh sein, dass die Anzahl der Sprachen immer übersichtlicher wird?
Gippert: Wenn Sie es unter dem ökonomischen Gesichtspunkt sehen, vielleicht, aber ich sehe ich mehr unter dem Gesichtspunkt dessen, dass die Vielfalt, die sich in den Sprachen repräsentiert, eben auch eine Vielfalt der Menschheitsgeschichte ist, und ich teile dann die Ansicht der Bibel in diesem Zusammenhang eher nicht.
Schossig: Wenn eine Sprache ausstirbt, sagen Sie, stirbt sehr Vieles mit, zum Beispiel?
Gippert: Ja, Märchen, die in irgendeiner spezifischen Form, Mythologien, die in einer spezifischen Form überliefert werden, sind oft so eindeutig an die jeweilige Sprache geknüpft, in der sie überliefert werden, dass diese Erinnerung an derartige Traditionen dann einfach verloren geht.
Schossig: Wer sind denn die Hauptschuldigen am Sprachensterben von heute?
Gippert: Nun, hauptschuldig, wenn man schuldig dazu sagen will, sind sicherlich die Massenmedien. Je weiter sich also der Gebrauch von Radio und Fernsehen in großen Nationalsprachen ausbreitet, desto mehr werden lokale oder regionale Minderheitensprachen zurückgedrängt. Weiter schuldig ist vielfach einfach die staatliche Politik, die dafür sorgt - ich will als Beispiel vielleicht die Türkei nehmen -, dass in den Schulen immer die jeweilige Staatssprache als Unterrichtssprache benutzt werden kann, und das führt dazu, dass alle, die versuchen, eine andere Sprachen nebenher weiter zu benutzen, eher Nachteile als Vorteile haben.
Schossig: Frankreich klagt über Franglais und wir haben hier unsere liebe Mühe und Not mit dem Denglisch. Könnte es denn sein, dass die ganze Welt irgendwann so etwas spricht, was entfernt mit dem Englischen verwandt ist?
Gippert: Die Tendenz geht in der Tat dahin, nur werden wir dann feststellen, dass das Englische dann über die ganze Welt verteilt eben doch ein sehr unterschiedliches Englisch sein kann. Es ist eigentlich schon heute so, denn das Englische in Amerika und in England sind schon relativ weit auseinandergegangen, Australien, Südafrika ebenso. Wenn Sie ein ganz besonderes Englisch hören wollen, fahren Sie nach Indien. Dort wird ein Englisch gesprochen, das man sofort auch akustisch als etwas Besonderes erfassen wird. So ist absehbar, dass also selbst wenn Englisch in seiner geschriebenen Form oder auch in der Form, wie es dann in Massenmedien verbreitet wird, sozusagen die Sprache Nummer Eins unter Aufgabe der anderen Sprachen wird, dass dann das nicht unbedingt bedeutet, dass alle Welt dasselbe spricht.
Schossig: Vielen Dank für das Gespräch.
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Gippert: Einmal verstummte Sprachen haben diese Chance normalerweise nicht. Es gibt immer mal wieder Versuche, zum Beispiel in England das Kornische, was eine keltische Sprache war, die etwa im 17. Jahrhundert ausgestorben ist, wiederzubeleben, aber das kann nicht wirklich zum Erfolg führen, wenn es nicht bedeutet, dass in dieser Sprache dann auch Familien primär miteinander sprechen, dass also auch die Kinder in dieser Sprache aufgezogen werden, und das ist Kindern immer schwer zu vermitteln, in einer anderen Sprache aufgezogen zu werden als die, die sie im normalen Umfeld brauchen.
Schossig: Welche Chancen zu überleben haben denn die seltenen Sprachen in Europa, zum Beispiel das Bretonische oder Baskische?
Gippert: Ja, das hängt sehr stark von der Politik ab, die die einzelnen Länder in Bezug auf ihre Minderheitensprachen entwickeln. Wir haben ja seit ein paar Jahren eine Charta des Europarates, die sich darauf bezieht, dass Minderheitensprachen geschützt werden sollen, aber wie das umgesetzt wird und was dabei dann als Produkt herauskommt, hängt dann doch wieder sehr von der jeweiligen Landespolitik ab. Wenn Sie Bretonisch ansprechen, ich fürchte, da ist der Zug schon fast abgefahren. Das Problem ist immer dasselbe: In dem Moment, wo die Kinder nicht mehr die Sprache ihrer Eltern oder Großeltern zu lernen bereit sind, ist der Tod einer Sprache vorhersehbar.
Schossig: Schützenswerte Sprachen, sagen Sie. Es klingt so etwas nach "Bürger, schützt eure Anlagen". In der Bibel wird die Sprachverwirrung ja als Strafe, als Katastrophe der Menschheit geschildert. Können wir denn nicht froh sein, dass die Anzahl der Sprachen immer übersichtlicher wird?
Gippert: Wenn Sie es unter dem ökonomischen Gesichtspunkt sehen, vielleicht, aber ich sehe ich mehr unter dem Gesichtspunkt dessen, dass die Vielfalt, die sich in den Sprachen repräsentiert, eben auch eine Vielfalt der Menschheitsgeschichte ist, und ich teile dann die Ansicht der Bibel in diesem Zusammenhang eher nicht.
Schossig: Wenn eine Sprache ausstirbt, sagen Sie, stirbt sehr Vieles mit, zum Beispiel?
Gippert: Ja, Märchen, die in irgendeiner spezifischen Form, Mythologien, die in einer spezifischen Form überliefert werden, sind oft so eindeutig an die jeweilige Sprache geknüpft, in der sie überliefert werden, dass diese Erinnerung an derartige Traditionen dann einfach verloren geht.
Schossig: Wer sind denn die Hauptschuldigen am Sprachensterben von heute?
Gippert: Nun, hauptschuldig, wenn man schuldig dazu sagen will, sind sicherlich die Massenmedien. Je weiter sich also der Gebrauch von Radio und Fernsehen in großen Nationalsprachen ausbreitet, desto mehr werden lokale oder regionale Minderheitensprachen zurückgedrängt. Weiter schuldig ist vielfach einfach die staatliche Politik, die dafür sorgt - ich will als Beispiel vielleicht die Türkei nehmen -, dass in den Schulen immer die jeweilige Staatssprache als Unterrichtssprache benutzt werden kann, und das führt dazu, dass alle, die versuchen, eine andere Sprachen nebenher weiter zu benutzen, eher Nachteile als Vorteile haben.
Schossig: Frankreich klagt über Franglais und wir haben hier unsere liebe Mühe und Not mit dem Denglisch. Könnte es denn sein, dass die ganze Welt irgendwann so etwas spricht, was entfernt mit dem Englischen verwandt ist?
Gippert: Die Tendenz geht in der Tat dahin, nur werden wir dann feststellen, dass das Englische dann über die ganze Welt verteilt eben doch ein sehr unterschiedliches Englisch sein kann. Es ist eigentlich schon heute so, denn das Englische in Amerika und in England sind schon relativ weit auseinandergegangen, Australien, Südafrika ebenso. Wenn Sie ein ganz besonderes Englisch hören wollen, fahren Sie nach Indien. Dort wird ein Englisch gesprochen, das man sofort auch akustisch als etwas Besonderes erfassen wird. So ist absehbar, dass also selbst wenn Englisch in seiner geschriebenen Form oder auch in der Form, wie es dann in Massenmedien verbreitet wird, sozusagen die Sprache Nummer Eins unter Aufgabe der anderen Sprachen wird, dass dann das nicht unbedingt bedeutet, dass alle Welt dasselbe spricht.
Schossig: Vielen Dank für das Gespräch.
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