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Warum der Nebel schwindet

Umwelt. - Die Daten der Wettermessstationen Europas aus den vergangenen mehr als 30 Jahren haben jetzt Klimaforscher unter die Lupe genommen - sie suchten darin so genannte Klimaeinflussfaktoren. Jetzt präsentierten die Experten ihre Erkenntnisse über Nebel, Dunst und Sonneneinstrahlung im Fachblatt "Nature".

Von Volker Mrasek | 19.01.2009
    Die Zahl der Nebel-Tage in Europa hat sich zwischen 1970 und 2000 glatt halbiert. Dunst, der die Atmosphäre nicht ganz so stark eintrübt, ist sogar noch seltener geworden. Dieser Trend zeigt sich in den Messdaten von weit über 300 europäischen Wetterstationen. Sie wurden jetzt für die neue Studie ausgewertet. Dass sich die Atmosphäre nicht mehr so häufig in eine Waschküche verwandelt, ist ein sichtbarer Erfolg der Luftreinhalte-Politik der letzten Jahrzehnte. Der niederländische Physiker und Klimaforscher Geert Jan van Oldenborgh, einer der drei Studienautoren:

    "Der Himmel ist viel sauberer geworden. Man kann heute 20, 30 Kilometer weit gucken, was vor 30 Jahren nicht möglich war, als noch mehr Schmutzpartikel in der Luft waren. Die Aerosole, wie wir sie nennen, schlucken Licht und trüben so die Atmosphäre. Sie wirken aber auch als Kondensationskeime, an denen sich Wassertropfen bilden. Deswegen bekommt man in verschmutzter Luft mehr Nebel."

    Wer Dreck sät, wird Dunst oder Nebel ernten, könnte man sagen. Ist die Luft ausreichend feucht und reich an Schmutzpartikeln, kann Wasserdampf an ihnen kondensieren; es entstehen mehr oder weniger dichte Schleier aus Dunst- beziehungsweise Nebel-Tröpfchen. Früher pusteten Kraftwerke und Industrieanlagen in Europa jede Menge Dreck in die Luft, aus dem sich dann Aerosole bildeten. Mitte der 70er Jahre begann man dann, ihr Abgas zu reinigen. Seither gingen die Emissionen stark zurück. Und damit auch Nebel und Dunst. Es gab allerdings regionale Unterschiede:

    "In Südeuropa hat sich nichts Entscheidendes verändert. Dort sind Nebel und Dunst einfach nicht so häufig. In Ost-Europa dagegen ist der Trend dramatisch. Es ist eine nebelreiche Region, und die Luftqualität dort hat sich extrem verbessert. Man kann das auch gut an der Messstation Potsdam sehen, wo die Zahl von Nebeltagen Anfang der 90er Jahre stark zurückging. Das hatte damit zu tun, dass die Industrie in Ostdeutschland in dieser Zeit zusammenbrach. Dadurch wurde die Luft viel sauberer."

    Die Außenluft wurde nicht nur sauberer, sondern auch wärmer. Trübe Dunst- und Nebelschleier beeinflussen nämlich die Temperatur in Bodennähe. Vor allem aus diesem Grund beschäftigen sich Klimaforscher van Oldenborgh und seine Kollegen mit dem nicht sonderlich beliebten Wetterphänomen:

    "Nebel wirft einfallendes Sonnenlicht tagsüber zurück. Es dringt dann nicht bis zur Erdoberfläche durch und kann sie nicht erwärmen. Jeder von uns weiß das: Ein nebliger Morgen ist frostig und kalt. Erst, wenn die Sonne durchbricht, wird es schön und warm."

    Europa hat sich zuletzt um ein halbes Grad Celsius pro Jahrzehnt erwärmt. Das ist ziemlich viel. Die neue Studie legt jetzt nahe, dass auch weniger Schmutz und Nebel in der Atmosphäre ihren Anteil an der Erwärmung haben – jedenfalls tagsüber, wenn die Waschküche Sonnenstrahlung abschirmt:

    "Zehn bis 20 Prozent der Erwärmung lassen sich nach unseren Abschätzungen auf den Rückgang des Nebels zurückführen. Man muss aber bedenken: Mitteleuropa erwärmt sich derzeit doppelt so stark, als man es durch den Anstieg der Treibhausgase erklären kann. Es muss also noch andere Puzzle-Teile geben, und der Nebel ist nur eines von ihnen."

    Inzwischen hat sich die Situation geändert. Seit dem Jahr 2000 nimmt die Zahl von Dunst- und Nebeltagen in Europa nicht mehr weiter ab. Weil die wichtigsten Reinhaltemaßnahmen offenbar ausgereizt sind, wird die Luft kaum noch sauberer. Andererseits steigen so auch die Temperaturen nicht mehr zusätzlich an. Daher die Vermutung der Studienautoren: Europas regionale Erwärmung wird sich wohl kaum weiter beschleunigen.